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Vor sechs Jahren...

„Was hast du da Vater?" Frage ich meinen Vater, der sich über den Schreibtisch beugt und Notizen schreibt.
„Das ist wahrscheinlich der größte Diebstahl unserer Familie." Er hebt seinen Zettel mit den Notizen hoch und ich gehe zu ihm.
„Was klauen wir?" Frage ich ihn, er lächelt stolz zu mir und legt seinen Arm um meine schmalen Schultern.
„Deine Krone, meine Prinzessin." Sagt er und zeigt auf das Gemälde von König William und seiner großen, prächtigen Krone.
„Das wird schön." Schwärme ich und Vater nickt.
„Aber bis dahin müssen wir noch viel üben." Ich nicke und kann es kaum erwarten Vater stolz zu machen.

Heute...

Ich hole meine Pinsel heraus und setze mich auf meinen Malstuhl der inzwischen durch gesessen ist und bei jeder Bewegung knarrt.
Die Sonne scheint auf unseren Vorgarten und ich bereite meine Farben vor.
Ich male immer im Vorgarten, nicht nur weil mich dort alle sehen, sondern weil ich es liebe an der frische Luft zu malen, wenn die Vögel mit ihrem zwitschern mir eine Melodie vorspielen und die Sonne mich wärmt. Und natürlich weil unserer Hütte keinen Platz für meine Staffelei hat, die auch Timo für mich angefertigt hat.
Ich male den ganzen Vormittag an meinen Sonnenuntergang an einem Feld das ich nicht kenne, auch einen Sonnenuntergang in dieser Farbenbracht habe ich nur einmal gesehen. Und zwar als wir umzogen aufs Land, das war kurz nach Vaters tot, es war eine Nachricht die uns am frühen Morgen erreichte...

„Mutter was ist los?" Fragt Timo unsere Mutter.
„Euer Vater wurde tot aufgefunden." Erzählt sie in Gebärdensprache und in diesem Moment hat sich alles in mir zusammen gezogen, mein Herz hat für einen Moment aufgehört zu schlagen und mein Kopf war leer. Ich konnte an nichts mehr denken, ich hatte nur noch Vaters Lächeln vor meinen Augen, wie er mir übers Haar streichelt und leise flüsterte.
„Meine Prinzessin."
Timo wirft irgendwas durch das Haus und brüllt.
„Was meinst du tot aufgefunden?!" Schreit Timo unsere Mutter an.
„Er wurde in den Fluss geworfen! An seinem Kopf hatte er eine schwere Verletzung!" Schreit sie genauso laut zurück und mein Magen Inhalt will wieder heraus, ich renne zum Waschbecken und übergebe mich. Das Lächeln meines Vaters verzieht sich zu einer schmerzenden Fratze und Blut fließt ihn über die Wange, sein Körper aufgequollen vom Flusswasser.

Ich schüttle mir den Gedanken von jenem Tag wieder ab und konzentriere mich wieder auf das Bild, ich male noch bis in den späten Nachmittag hinein.
Ich höre erst auf als Timo mit einer Kleinigkeit zu essen kommt.
„Du musst mehr essen." Ermahnt er mich, ich zucke gelangweilt mit meinen Schultern, esse aber das Obst welches auf dem Teller liegt.
„Ein schönes Bild!" Ich schaue von Timo, auf das noch unfertige Bild.
„Danke." Antworte ich kurz.
„Glaubst du es wird alles gut gehen morgen?" Frage ich nach kurzer Zeit und stelle die Frage, die mich seit gestern Abend schon beschäftigt.
„Wenn wir uns an den Plan halten, ja." Antwortet Timo auf meine Frage.
„Was ist wenn sich keiner für uns interessiert?" Frage ich ihn.
„Dann überspringen wir diesen Abschnitt und kommen gleich zum klauen." Erklärt mir Timo über Zeichensprache und genau in diesen Momenten bin ich froh das wir so kommunizieren können.
„Ich bete heute Abend." Gebe ich nur noch von mir, reiche ihn dann den halb aufgegessen Teller und richte meine Aufmerksamkeit wieder dem Bild zu. Ich höre wie Timo wieder ins Haus geht und schließe kurz meine Augen, ich hoffe wirklich das alles nach Plan geht. Wir haben jedes mögliche Szenarium durchgespielt, mögliche Code Namen uns einfallen lassen, für die jeweiligen Aktionen und weiterhin fleißig geübt. Denn wir kommen nur an den König heran, wenn wir sein Soldatenkampf gewinnen. Dafür müssen wir sportlich, schnell und waffentechnisch überlegen sein, als die anderen Mitspieler und sollte es uns nicht gelingen hat Mutter einen Trank entwickelt, wovon Menschen Halluzinieren und es unmöglich wird zu gewinnen.
Wie gesagt wir haben uns auf alles vorbereitet, aber wir haben uns nie darauf vorbereitet was passiert wenn jemand stirbt. Niemand hat uns vorbereitet darauf, niemand kann einen vorbereiten auf den tot des anderen.
Vielleicht macht mir genau das Angst, das ungewisse, das was wir unterdrücken, wovon niemand spricht.

Eure Soli 💕

Silent Thief Where stories live. Discover now