Sechsundzwanzigste Verzierung

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VAHAP

Ernste Schritte

"I don't care about whose DNA has
recombined with whose. When everything
goes to hell, the people who stand by you
without flinching, they are your family."

„Alter, wir haben uns nur einen Monat nicht gesehen und du erzählst mir, dass Mina und du euch verloben werdet. Wieso läuft das bei euch Türken immer so schnell?", Gerrit schüttelt lachend mit dem Kopf, während er seine Kaffeetasse auf meinem Esstisch abstellt.

Ich bin seit zwei Tagen wieder in Frankfurt, da ich wieder arbeiten muss, werde aber am Wochenende wieder nach Hause fahren, da dieses Mal Minas Eltern zu uns kommen werden. Zwar ist es wahnsinnig anstrengend zwischen den beiden Städten hin und herzupendeln und öfter bei meiner biologischen Familie zu sein, als ich es gewohnt bin, doch weiß ich, dass all dies unumgänglich ist, wenn ich Mina tatsächlich heiraten möchte. Und wenn ich eins in meinem Leben wirklich gelernt habe, dann ist es, dass ich diese Liebe, die ich Mina gegenüber verspüre, noch nie in meinem Leben hatte, dass sie mit nichts auf der Welt vergleichbar ist. Sie ist gewiss nicht die erste Person, in die ich verliebt war und dennoch ist alles mit ihr so viel unterschiedlicher. Vielleicht liegt es daran, dass ich nun erwachsen bin und wirklich ans Heiraten denke. Vielleicht liegt es auch schlicht und ergreifend an Mina, die mich mit ihrem bloßen Anblick komplett aus dem Konzept bringt. Sie durchwühlt meine Gedanken und ist gleichzeitig die einzige Person, neben der ich klar denken kann.

„Tja, wir haben's eilig Steuervorteile zu haben", ich zucke mit den Achseln und entlocke Gerrit nun ein lautes Lachen. Ich greife nach meiner Tasse und verstecke mein breites Schmunzeln hinter ihr, ehe ich einen großen Schluck Kaffee trinke. „Und bin ich denn auf eure Verlobung eingeladen?", will Gerrit plötzlich von mir wissen, weswegen ich irritiert zu ihm schaue. „Denkst du ernsthaft, dass du — als mein Wingman — nicht eingeladen sein wirst? Hast du in deiner Zeit beim Jugendfußball zu viele Kopfbälle verteilt, sodass deine Gehirnzellen keine anständigen Verbindungen mehr haben, oder was ist das Problem?", will ich mit gehobener Augenbraue wissen. Erneut entlocke ich Gerrit ein lautes Lachen, was unwillkürlich meine Stimmung anhebt. „Man, Vahap!", murmelt er und verschränkt die Arme vor der Brust, „Hat Mina dir Schlagfertigkeitsnachhilfe gegeben, oder wieso konterst du so perfekt?" Unwillkürlich heben sich meine Mundwinkel in die Höhe und ich muss mir eingestehen, dass Mina mich in der Hinsicht tatsächlich verbessert hat.

Ich genieße den Abend mit Gerrit, den ich aufgrund der Semesterferien mehr vernachlässigt habe, als mir eigentlich recht ist. Wir bestellen uns etwas zu Essen, zocken PlayStation und verbringen die gemeinsame Zeit gelassen.

Umso schwerer fällt es mir am nächsten Tag zur Arbeit zu fahren. Das Krankenhaus, in dem ich als Krankenpfleger arbeite, ist mit Patienten vollbesetzt und gleichzeitig haben wir einen riesengroßen Personalmangel, sodass wir alle etwas überfordert und überlastet sind. Ich rausche nur so von Zimmer zu Zimmer, gehe meiner Arbeit nach und bin sichtlich ermüdet, als ich meine Pause antrete. Ich brauche frische Luft und Minas herzerwärmendes Lachen, um meine restliche Schicht antreten zu können, weswegen ich kurzerhand beschließe, in der Cafeteria vorbei zu schauen, um mir ein belegtes Brötchen zu kaufen, das wesentlich handlicher im Gehen zu essen ist, als eine warme Mahlzeit. Während ich noch im Gebäude rumlaufe, suche ich Minas Kontakt in meiner Favoriten-Liste durch und halte mir das Handy ans Ohr. „Was verschafft mir die Ehre, dass Sie mich in Ihrer Pause anrufen?", höre ich gleich darauf Minas neckende Stimme sagen. Ein unwillkürliches Lächeln umspielt meine Lippen und ein Gefühl der Erleichterung macht sich wie auf Knopfdruck in mir breit. „Die Krankenschwestern schenken mir keine Aufmerksamkeit, da dachte ich, dass meine Freundin eine gute Idee wäre", ich grinse breit, da ich weiß, dass Mina meine Worte nicht ernst nimmt. Kurz lacht sie auf und bringt meine gesamte Welt ins Wanken. „Ach die Krankenschwestern, wenn die bloß wüssten, was für ein wahnsinniger Kerl du bist. Die würden sich um dich kloppen", steuert sie meinem gedanklichen Szenario bei, was mich nun etwas amüsiert auflachen lässt. „Was für ein wahnsinniger Kerl bin ich denn?", frage ich im neckenden Ton und betone bewusst die beiden Worte, mit denen sie mich umschrieben hat. „Zuallererst bist du wahnsinnig gutaussehend. Dann natürlich wahnsinnig liebenswert, einfühlsam. Gleichzeitig wahnsinnig kokett. Manchmal bist du auch noch wahnsinnig eingebildet. Also die perfekte Kombination aus Wahnsinn und Realität", der amüsierte Unterton in Minas Stimme ist kaum zu überhören, was mein Grinsen nur noch breiter werden lässt. „Nur gut, dass du genau diese Kombination so sehr liebst", lache ich und komme vor dem Brötchenstand zum Stehen. „Will ich ein Mozzarella-Brötchen essen oder doch lieber eins mit Lachs?", frage ich Mina zusammenhangslos und ehe sie die Gelegenheit hat auf meine letzten Worte einzugehen. Ich höre sie leise Lachen und etwas unverständliches vor sich hin murmeln. Meine Blicke huschen zwischen den beiden Brötchen hin und her und ich kann mich wahrlich nicht entscheiden, welches davon mich nun eher anspricht. „Ich mag keinen Fisch und für Käse würde ich alles tun. Also Mozzarella", antwortet Mina nach einem kurzen Moment des Überlegen. „Okay, danke. Ich melde mich in ein Paar Minuten bei dir, ja? Möchte nicht unhöflich rüberkommen mit Handy am Ohr", lasse ich Mina wissen und lege auf, nachdem sie mir zustimmt.

GeziertWhere stories live. Discover now