Zweite Verzierung

286 23 19
                                    

Meet Cute

A meet-cute is when a couple meets for the first time. It's always cute, and that is how you know they are gonna end up together.

Aus: To all the Boys — always and forever

„Mehdi", flüstere ich den Namen meines besten Freundes und drehe mich zu ihm. Wir sind in dem Garten meines Elternhauses, liegen auf einer Picknickdecke und sonnen uns. „Hmm?", murmelt er und seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, jedoch macht er keine Anstalten zu mir zu schauen. „Ich habe eine Zusage", seufze ich letztendlich, schirme mein Gesicht mit meiner Hand ab und warte geduldig auf seine Reaktion. Wie von einer Tarantel gestochen setzt sich Mehdi auf, schirmt ebenfalls sein Gesicht ab und wirft mir einen Blick zu, mit dem er mich auffordert weiter zu sprechen. Auch ich setze mich auf und blicke ihm geradewegs in die Augen.

Da ich bei Medizintechnik — meinem Wunschstudiengang — in Stuttgart nicht beim ersten Auswahlverfahren angenommen wurde, musste ich entscheiden, ob ich den Studienplatz in Darmstadt annehme, somit aber von meiner Heimatstadt, meiner Familie wegziehe oder ob ich das Risiko eingehe keinen Studienplatz im Nachrückverfahren in Stuttgart zu bekommen und somit ein Semester versäume. Für mich war die Entscheidung schnell gefällt, ich hatte tatsächlich den Gedanken mit dem Nachrückverfahren schneller verworfen, als vermutlich gut war.

„Ich werde in einem Monat nach Frankfurt ziehen", ich senke für einen kurzen Augenblick den Kopf, male mit meinem Zeigefinger kleine Kreise auf die Picknickdecke. „Wo wirst du wohnen?", fragt er lediglich. Ich merke ihm an, dass er eigentlich so viel sagen will, mich am liebsten von dem Gedanken abbringen will, doch belässt er es. „Mevlüt Amca hat noch eine Zwei-Zimmer-Wohnung frei und würde sie mir deutlich unter dem Marktpreis vermieten", ich lächle leicht bei dem Angebot von Papas Freund.

Mein Vater, Mehdis Vater und Mevlüt Amca hatten gemeinsam studiert, waren damals durch Dick und Dünn gegangen, bis Mevlüt Amca mit dem Ende seines Studiums wieder zurück in seine Heimatstadt — Frankfurt — gezogen war. Zwar hatten unsere Familien ein gutes Verhältnis zueinander, jedoch konnte man unsere Bindung keineswegs mit der zu Mehdis Familie vergleichen.

Mehdi nickt lediglich, seufzt tief durch und legt sich wieder auf die Decke. Seine Augen presst er aufeinander, seine Kiefer ist angespannt und seine Hand ist zu einer Faust geballt. Vielleicht wäre es in der Situation besser, wenn er meine Entscheidung nicht im Stillen akzeptieren würde, wenn er mich damit konfrontieren würde, dass ich ihn durch mein Gehen alleine lasse — doch würde er die Kontrolle verlieren, wenn er sich erst in Rage reden würde. Stumm lege auch ich mich hin, lehne meinen Kopf jedoch an seine Schulter und spüre im gleichen Moment, wie sich sein Körper minimal entspannt. „Ich werde nur einen Anruf entfernt sein. Nur ein Anruf", spreche ich, dabei weiß ich nicht wirklich, ob die Worte ihn oder mich besänftigen sollen.

***

„Wieso suchst du dir auch die Uni am anderen Ende der Welt aus?", fluche ich mit mir selber, als ich in meinem Wagen sitze und am Sonntagabend aus meiner Heimatstadt zurück nach Frankfurt fahre. Vielleicht tendiere ich manchmal dazu zu übertreiben. Manchmal.
„Ich bin so dumm", spreche ich weiter vor mich hin und starre die Bremslichter des Wagens vor mir an — wie ist es eigentlich möglich, dass es auf der Autobahn Staus gibt? Wieso verdammt nochmal stehe ich jedes Mal im Stau, wenn ich von Stuttgart nach Frankfurt zurückfahre?

„Mehdi", wimmere ich, als mein bester Freund meinen Anruf entgegennimmt. „Mina", macht er es mir nach und sofort bildet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht. „Kannst du mir erklären, wieso es zu Staus auf Autobahnen kommt?", ich seufze laut auf und höre ihn am anderen Ende der Leitung lachen. „Dir ist schon bewusst, dass du mich nun seit einem Monat jedes Wochenende darum bittest, dir diese Frage zu beantworten?", ich muss nur noch breiter grinsen, denn das habe ich wirklich jedes Mal getan, wenn ich von Stuttgart zurück nach Frankfurt gefahren bin — und wenn das so weitergeht, wird es in den nächsten Jahren nicht anders aussehen. „Na und? Du bist doch mein bester Freund, du bist schließlich dafür da meine Dummheiten zu ertragen", versuche ich neutral rüberzubringen, doch muss ich laut auflachen, nachdem er leise vor sich hin flucht. „Ich bin gerade nicht in der Verfassung deine Kommentare zu ertragen. Wenn sonst nichts wäre, lege ich auf", seine Stimme klingt erschöpfter, als bei unserem Abschied.

GeziertWhere stories live. Discover now