- 3.7 - Die Schriftrolle

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Conny sprach Luna nicht darauf an, als sie in der darauf folgenden Woche mit blutig geschlagenen Händen in den Unterricht kam. Es schien sie auch irgendwie nicht zu stören. Stattdessen verhielt sie sich so, wie sie es immer tat.

Wieder einmal der Gedanke an das Blut brachte Conny dem Speien nahe. Verdammt, sie sollte sich echt beherrschen. Sie nahm an, dass der 'Bull Smasher' damit etwas zu tun hatte.

Conny wollte sich eigentlich diese Woche mehrfach mit Luna treffen, aber ihre Freundin musste absagen, da sie meist etwas anderes vorhatte. In letzter Zeit kamen viel mehr Absagen als Conny lieb waren und sie fragte sich irgendwann, ob dies etwas zu bedeuten hatte. Bestimmt hatte es das.

'Konzentriere dich, Conny', sagte sie zu sich selbst. Sie wollte sich in ihrer Freistunde auf ihre Hacking-Lektion fokussieren, welche sie ein bisschen neben den ganzen neuen Entdeckungen und dem Stress schleifen lassen hatte. Um sich ein bisschen von dem Ganzen abzulenken, entschloss sie sich, sich in die Bibliothek zu setzen und das zu üben, was sie in den vorherigen Monaten gelesen hatte. Sie lernte sehr schnell, das wusste sie, und das machte sie sich genau hier zu Nutze. Alles was mit Technik zu tun hatte fiel ihr extrem einfach.

Sie konnte sich bereits in die Social Media Accounts ihrer Mitschüler einloggen und setzte einigen Unruhestiftern ein witziges Bild oder einen kritischen Text in ihre Profile, sodass sich viele später darüber lustig machten. Dies war für Conny jedoch nur eine kleine Errungenschaft. Sie wollte viel mehr als sich nur in Social Media einzuhacken oder Kontrolle über das Licht verfügen. Sie wollte sich in das größte und geschützteste Netzwerk einheimsen und die Geheimnisse der Regierung offenbaren. Bevor sie dies überhaupt versuchen wollte, wollte sie sich vergewissern, dass sie auch niemals zurückverfolgt werden konnte. Außerdem könnte die Fähigkeit zum Hacken in der Agentenprüfung sehr von Vorteil sein. Große Chancen malte sie sich jedoch dabei nicht aus, denn was sie konnte, konnten andere bestimmt auch.

Die nächste Stunde bei Mister Smith verlief dieses Mal sogar ganz entspannt. Seitdem Luna bei ihm ohnmächtig geworden war, hatte er seine spontanen Tests ein bisschen zurückgenommen.

Luna zupfte neben ihr geistesabwesend an ihrem Verband um ihren Fingergelenken, den sie von einer Heilerin bekommen hatte. Ungeduldig wirkend schaute sie immer wieder von ihrer Armbanduhr zur ihren Aufzeichnungen und ihrer Uhr zurück. Es wunderte Conny, denn sonst war ihre Freundin immer sehr ruhig und Isaac war der, der etwas nervöser war. Bald darauf war eine Pause und Luna begab sich schnellen Schrittes aus dem Klassenzimmer. Wo wollte sie denn hin? Neugierig suchte sie ihre Freundin auf dem Gang und sah wie sie zur Haupteingangstür heraus ging und sich kurz nach hinten umdrehte, um sich zu vergewissern, dass sie niemand beobachten würde.

Sie folgte Luna nach draußen und sah, wie sie in einer dunklen Gasse hinter der Schule verschwand. Unauffällig erspähte sie die Dunkelhaarige um die Ecke und erkannte, dass jemand im Schatten der Wand auf Luna wartete. Es war Fiona, die nun auf die Dunkelhaarige zukam.

"Wie geht es deinen Händen?" Die Blonde wickelte den Verband vorsichtig von Luna ab und betrachtete die nun mit trockenem Blut beklebten Hände. Fiona schaute sie daraufhin sorgenvoll an, während sie ihr liebevoll über die Hand strich.

"Nächstes Mal sind wir vorsichtiger Brennandi", lachte Fiona verspielt.

Im nächsten Moment nahm die Blonde Lunas Handgelenke und drückte sie samt der Dunkelhaarigen gegen die nächstbeste Wand und schob ihr eine kleine Schriftrolle in die Hand.

Connys Muskeln spannten sich an. Was machten sie da?

Darauffolgend sah sie, wie Fiona gekonnt ihre Lippen auf die von Luna presste und ihren Körper firm an den ihrer Freundin anschmiegte. Luft schnappend drückte sich die Dunkelhaarige leicht von ihr weg und lauschte.

Verwundert hielt Conny die Luft an. Wieso küsste Fiona ihre beste Freundin? Waren sie ein Paar und warum hatte sie ihr nie etwas erzählt? Um ehrlich zu sein, wusste Conny gar nicht wie sie jetzt mit diesen Informationen umgehen sollte.

"Fi, wir sind nicht alleine."

Scharf sog sie die Luft wieder ein. Hatte Luna etwa bemerkt, dass sie ihr gefolgt war?

"Das ist mir egal." Fiona hielt einen kurzen Moment noch immer die Handgelenke fest bis sie Lunas Blick bemerkte. Sie schaute in die Richtung in der sich Conny versteckt hielt.

"Später okay?" Luna senkte ihren Kopf und wickelte sich ihr Verband wieder um die Hände. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr: "Wir haben noch zwei Minuten bevor ich wieder zum Unterricht muss."

Die Angesprochene lehnte sich wieder an die Wand und drehte eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger.

"Wir machen heute Nachmittag weiter, einverstanden?"

Luna nickte und huschte an Connys Versteck vorbei. In Connys Hörweite blieb sie jedoch stehen und sprach nun ganz trocken zu ihr: "Kommst du? Wir haben schließlich Unterricht" und ging weiter ohne die Erwartung, dass Conny ihr folgen würde.

Sie schluckte, wieso wusste sie, dass sie hier war? So viele Fragen schwebten in ihrem Kopf herum. Gleich darauf machte sie sich ebenfalls auf dem Weg zurück zum Unterricht und holte bald schon Luna ein.

"Woher wusstest du...?" Conny konnte den Satz nicht vollenden, schon bekam sie den scharfen Blick von der Dunkelhaarigen zu spüren.

"Du warst nicht gerade unauffällig", zischte sie leicht als Antwort.

"Warte, warum hast du mich dann nicht aufgehalten?"

Die Dunkelhaarige schluckte merklich gereizt.

"Ich wollte, dass du es siehst."

"Was sollte ich sehen?" Als sie nicht antwortete, packte sie den Arm ihrer Freundin und hielt sie vom Weitergehen auf. "Was sollte ich sehen?" Wiederholte sie ihren Satz nachdrücklich.

Als sie noch immer nichts sagte, fügte sie hinzu: "Es macht mir doch nichts aus, dass ihr jetzt ein Paar seid, wenn du das meinst, das erklärt wenigstens warum ..."

"...ich keine Zeit hatte", vollendete Luna Connys Satz. "Nein, das war nicht alles. Wir haben etwas über diese Vision herausgefunden, über die du letztens mit mir gesprochen hattest."

In ihrem Verband hatte sie die kleine Rolle unmerklich versteckt und zog sie langsam wieder aus diesem heraus. Beim Aufrollen erschien eine Zeichnung von dem Schatten und um diesen herum befand sich eine kryptische, scheinbar nicht-menschliche Schrift.

"Das ist der Schatten von dem mir die Sumuinen erzählt hatten!", stellte Conny fest. Luna erklärte weiteres:

"Minden Város gibt es erst seit einem Jahrzehnt, aber diese Schriftrolle ist älter. Sie wurde aus der Welt mitgebracht, aus der der Schatten Varjo entsprungen ist. Es heißt, er versprüht eine furchterregende Kälte und ist niemand, mit dem man es sich verscherzen sollte. So wurde es mir zumindest gesagt."

Was auch immer es sich mit dieser Vision auf sich hatte. Sie wurde in jenem Moment immer deutlicher und nahm immer mehr Formen an. Es war also keine Metapher für etwas, es war ein kleiner Einblick in das, was noch geschehen würde. Sie musste erneut diese Sumuinen aufsuchen und versuchen, mehr zu erfahren.

"Kann uns Fiona zu den Sumuinen bringen?", fragte sie ihre Freundin. Sie nickte.

"Ich denke schon. Ach, und das wegen der Beziehung. Wir sind eigentlich noch nicht wirklich zusammen, aber ich denke, das dauert auch nicht mehr lange, bis wir es sind." Mit einem Mal strahlte Luna über beide Ohren.

Conny konnte sehen, dass sie die Blonde sehr schätzte seit ihrer ersten Begegnung, und sie freute sich für ihre Freundin sehr, auch wenn sie Fiona nicht wirklich hundertprozentig vertraute.

"Wie ist eigentlich der Smash?", wollte sie vorsichtig erfragen und deutete auf Lunas verbundene Hände.

"Er ist furchtbar, aber keine Sorge, er war das nicht. Ich bin nur hingefallen", winkte Luna ihre Freundin wieder ab.

Das ließ die misstrauische Conny einfach mal im Raum stehen, denn sie mussten wieder zum Unterricht.

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