02.: sleeping... whatever

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Es war kurz nach zwölf, als Jeongguk wieder nach Hause kam. Er hatte im Fitnessstudio geduscht und noch eine zusätzliche Runde mit der Straßenbahn gedreht, mit dem Gedanken spielend bei Jimin auszusteigen und ihm die Situation zu berichten. Er hatte es dann doch gelassen, als er einen Snap bekommen hatte, wo sein bester Freund mit Downton Abbey in der Badewanne gelegen hatte.

Und wenn Jimin erst einmal Downton Abbey schaute, war an diesem Abend meistens nicht mehr viel mit ihm anzufangen.

Stattdessen hatte Jeongguk sich einen Radiosender auf die Ohren gepackt und stillschweigend mit zwei anderen Leuten im gesamten Studio angefangen seine übliche Runde für den Oberkörper zu machen. Den Gedanken an den Parasiten in seinem Zimmer weg zu sperren und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, wie er seine Form weiter verbessern konnte.
Es half.

Erst als er zum Schluss seine fünf Kilometer gerannt war und langsam wieder zu Atem gekommen war, kamen die Gedanken langsam zurück.

Es war nichts ungewöhnliches, dass Pflegekinder zu ihnen kamen und meist nach zwei Monaten wieder gingen. Jeongguk war es gewöhnt. Es war der Job seiner Mutter und so wie sein Vater von morgens bis abends in der Stadt war, so fand ihre Arbeit keine zwei Zimmer von Jeongguk entfernt statt. In jede erdenkliche Himmelsrichtung. Sie bekam Geld dafür verlorene Kinder aufzufangen und zu versuchen ihnen ein neues Leben zu ermöglichen. Manche nahmen die Chance an, andere zogen bereits nach drei Wochen wieder aus.

Nur Jeongguk blieb.
Doch das hatte einen anderen Grund. Er war einer von den zwei leiblichen Söhnen seiner Mutter.
Und lange Zeit war er damit auch nicht allein gewesen, doch sein großer Bruder Junghyun war schon vor drei Jahren ausgezogen und hatte sich in Europa niedergelassen.

Seitdem hatte Jeongguk das Gefühl in dem Chaos der zehnköpfigen Familie inklusive Kindermädchen unterzugehen. Und das einzige, was ihn noch einigermaßen oben hielt, waren die Privilegien, die seine Mutter ihm zuteil werden ließ.
Eine Privatschule, teurere Hobbys und bis vor drei Stunden auch ein eigenes Zimmer.

Dass Taehyung letzteres okkupierte, ließ in Jeongguk etwas bröckeln, was ihn bisher immer etwas Luft zum Atmen verschafft hatte. Und das fühlte sich alles andere als gut an.

Als Jeongguk diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, stand er gerade wieder in derselben Straße, durch die er die Golden Hour beobachtet hatte und sah hoch zum Vollmond. Er hatte keine Angst allein durch sein Viertel zu laufen. Vor allem, da er noch immer die Kraft in seinen Armen pulsieren spürte, doch je weiter er seinem Haus kam, desto weiter wuchs der Kloß in seinem Hals, den er sich eigentlich hatte auspowern wollen.

Taehyung war bestimmt nicht weg. Er lag in seinem Zimmer und schlief. Ein wildfremder Junge lag in seinem Zimmer und schlief.

Über die Jahre hatten sie alles da gehabt. Suizidgefährdete, Kleptomanen, Pyromanen, Soziopathen. Seine Mutter zog keine Grenze, wenn sie jemanden bei sich aufnahm. Jeder sollte das gleiche Recht auf eine Familie bekommen, die ihm Geborgenheit und Sicherheit liefert.
Doch am Ende war es trotzdem immer Jeongguk, der vor Schock anfing zu schreien, wenn er einen Elfjährigen dabei beobachtete, wie er sich um zwei Uhr morgens im Badezimmer mit einem Feuerzeug die Hand verbrannte.

Wer weiß, was Taehyung für Macken hatte.
Vielleicht saß er in diesem Moment auf seinem Bett und fackelte ein Loch in seine Decke oder wühlte sich durch Jeongguks Kleiderschrank. Dass er ein Freak war wie alle anderen, war auf jeden Fall nicht abzustreiten. Er zog solche Leute einfach an wie eine Fliegenfalle.

Im Haus war es totenstill und Jeongguk gab sich Mühe die Tür so leise wie möglich hinter sich zu schließen. Aus dem Wohnzimmer drangen leise Stimmen. Vermutlich schaute irgendjemand noch einen Film und im Normalfall hätte er sich dazugesetzt, doch heute war ihm irgendwie nicht danach. Er war gerade noch im Reinen mit sich selbst vom Training. Und die Möglichkeit war zu hoch, dass es jemand kaputt machte.

Home Sweet Home  ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now