Kapitel 16

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Meine Lider öffneten sich nur schwer. Doch mein ganzer Körper war voller Freude darauf, neben Elenor aufzuwachen. Beinahe panisch griff ich nach ihr, um sicher zu sein, dass das auch wirklich kein viel zu schöner Traum gewesen war. Doch da war er, ihr warmer Körper an mich gepresst. Ich musste irgendwann, nachdem ich sie stundenlang nur angestarrt hatte, eingeschlafen sein und verfluchte mich dafür. Ich konnte sie nicht aus den Augen lassen, nicht nachdem ihre Entführer noch am Leben waren. Und noch war dabei ein wichtiges Wort. Meine Arme waren um sie geschlungen. Und sie musste sich im Schlaf zu mir gedreht haben. Ich spürte ihren warmen Atem auf meiner Haut und blickte ihr geradewegs in die Augen. Sie war bereits wach, strich mir durch das zerzauste Haar und schlang ihre Arme daraufhin noch fester um mich. Sie rückte noch näher an mich, wenn das überhaupt möglich war. Sie wollte sich sicher fühlen. Und das war sie hier, bei mir, in meinem Bett, wo sie es an keinem anderen Ort sein könnte. Ich würde nicht zulassen, dass jemand sie mir noch einmal wegnahm. Das würde ich nicht verkraften.

„Guten Morgen“, hauchte ich mit rauer Stimme. Elenor wirkte erschöpft, aber das sanfte Lächeln auf ihren Lippen machte deutlich, wie glücklich sie war. Das Lächeln nahm mir, wenn auch nur einen kleinen Teil, meine Sorgen. Ich küsste sie auf die Stirn und gab ihr anschließend einen innigen Kuss auf die Lippen, den keiner von uns unterbrechen wollte. Ich legte mich leicht auf sie, umgriff ihre schmale Taille und küsste sie fordernder. Sie hatte abgenommen, denn sie war leicht wie eine Feder, als ich sie fester packte, uns umdrehte und sie auf meinen Schoß hob, ohne den Kuss zu unterbrechen. Wir beide holten kurz Luft, doch danach machten wir ungestört weiter. Mein T-Shirt das Elenor trug, war so weit hochgerutscht, dass ich einen verlockenden Blick auf ihre schwarze Unterwäsche erhaschen konnte. Meine Hände wanderten wie von selbst unter ihr Shirt und streichelten sanft an ihren Seiten entlang. Ich brummte zufrieden an ihren Mund, während ich immer schneller über ihre Haut strich und mein Verlangen mit ihr ins Unermessliche wuchs. Ich unterbrach den Kuss und nahm mir einen Moment, um sie anzusehen. Ihre Haare waren ein reinstes Durcheinander, die ihr wunderschönes Gesicht perfekt umrandeten. Der Gedanke die Tür abzuschließen und dort weiter zu machen, wo wir aufgehört hatten, war verlockender denn je. Elenor teilte meinen intensiven Blick und sah keine einzige Sekunde weg. Ihre vollen Lippen waren leicht angeschwollen und mir wurde klar, dass meine vermutlich genau so aussahen. Ihre Pupillen waren riesig. Sie wollte mich genauso sehr, wie ich sie wollte. Und das ließ mein Herz einen großen Hüpfer machen. Ich hörte mich an wie ein verliebter Vollidiot. Aber das störte mich nicht, denn ich war verliebt in Elenor und ich würde nie wieder zulassen, dass ihr etwas passierte. Sie saß auch noch eine Minute später auf meinem Schoß, spielte mit den Kordeln meiner Jogginghose, die ich am liebsten schon losgeworden wäre. Wenigstens trug ich kein Shirt und konnte somit wenigstens einen Teil ihrer Haut auf meiner spüren. Ich glaubte es im Raum knistern zu hören, so hoch war die Spannung zwischen uns. Ich nahm meine Hände von ihrer Hüfte und packte den Saum ihres Shirts. Sie beobachtete mich neugierig dabei, wie ich es ihr über den Kopf zog.

Wenn es Bad Timing gab, war das Klopfen an der Tür die Defintion dafür. Ich stieß einen unangebrachten Fluch aus, wenn man bedachte, dass es wahrscheinlich meine Schwester war, die vor der Tür stand. Elenor zog sich schnell das Shirt über den Kopf und wenige Sekunden später standen wir wie brave Schulkinder nebeneinander. „Du kannst reinkommen.“ Thea betrat gemeinsam mit Lou mein Zimmer, aber nicht ohne meiner kleinen Schwester die Augen zu zuhalten. Ich konnte nicht anders als zu Schmunzeln. Als Thea sah, dass wir beide angezogen und nicht übereinander hergefallen und nackt im Bett waren, nahm sie die Hände von Lous Augen. Elenors Wangen färbten sich rot und ich wünschte mir, Thea hätte uns nicht unterbrochen.

„Tut mir leid, dass ich euch beim…“ Ich warf ihr einen warnenden Blick zu und reckte den Kopf in Richtung Lou. „…Schlafen gestört habe“, verbesserte sich Thea selbst. Doch Lou interessierte das alles gar nicht. Sie rannte auf Elenor zu und umarmte sie fest. Und egal auf wie harten Kerl ich immer machte, ich konnte nicht leugnen, dass mich das verdammt emotional machte.

„Ich bin so froh, dass du endlich da bist“, sagte meine kleine Schwester und mir fiel erneut auf, wie ich in meiner eigenen Sorge mal wieder vergessen hatte, dass das auch für Lou ziemlich belastend gewesen sein musste. Ich schlang den linken Arm um Elenor meinen rechten um Lou und zog die beiden fest an mich. Wir alle drei warfen Thea einen auffordernden Blick zu. „Gruppenkuscheln ist nichts für mich“, sagte sie, doch in diesem Moment hatte Lou schon nach ihrer Hand gegriffen und sie mit in die Umarmung gezogen.

„Also, wer hat Hunger?“, fragte ich und beendete die Gruppenumarmung. Ich hatte die Worte noch nicht vollständig ausgesprochen schon waren zwei der Frauen auf dem Weg die Treppe hinunter. Ich strich Elenor über die Schulter und gab ihr noch einen Kuss, ehe auch wir uns auf den Weg in die Küche machten. „In Wirklichkeit sieht deine Küche noch viel größer aus“, erklärte Elenor staunend, obwohl sie von ihrem Zuhause viel größeres gewohnt war. Ich erinnerte mich daran zurück, als ich ihr eine Haustour über das Smartphone geben hatte. Das war schon beinahe ein Jahr her. Sie sah sich genau um, musterte jede Ecke und kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. „Es ist traumhaft hier. Gestern ist mir das gar nicht aufgefallen. Eine schöne familiäre Atmosphäre.“ Und das hatte sich Elenor schon immer gewünscht, das wusste ich.

„Wenn du willst, ist es auch dein Zuhause“, hauchte ich ihr ins Ohr. Elenor gab mir jedoch nicht die erhoffte Reaktion, sondern entfernte sich von mir, um Lou zu helfen. Dabei war das ganz sicher nur ein Vorwand, um mir keine Antwort geben zu müssen. Ich konnte nicht lügen und behaupten, dass das sich nicht wie ein ordentlicher Rückschlag und auch ein wenig wie Ablehnung anfühlte, aber Elenor war erst seit gestern hier. Sie hatte keine Sekunde Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was sie als Nächstes wollte. Trotzdem war meine Enttäuschung nicht weniger groß.

Gemeinsam frühstückten wir Omelett und Toast. Dabei entging mir nicht, wie angespannt Elenor die ganze Zeit über war. Die Sorge war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Irgendetwas war immer noch nicht in Ordnung. Unter dem Tisch griff ich nach ihrer Hand und erschreckte daran, wie eisig diese war. Ich warf ihr einen besorgten Blick zu und sie lächelte nur sanft. Die Alarmglocken in meinem Kopf läuteten so laut, dass sie jeder Idiot hätte hören können. Sie waren so schrill, dass ich Elenor wortlos mit mir zog, ohne auf die verwirrten Blicke meiner Schwester und Thea zu achten.

„Ich sehe doch, dass irgendetwas nicht stimmt. Hast du mir etwas über den gestrigen Tag verschwiegen?“ Beinahe zu hastig schüttelte sie den Kopf. „Nein, es ist nur…“ Sie atmete tief aus. „Ich kann noch immer nicht fassen, wirklich hier zu sein. Jede Sekunde fühlt sich so an, als würde das Schöne in der nächsten vorrübergehen. Ich schätze, ich bin noch nicht ganz angekommen.“ Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und wippte leicht vor und zurück.

Ich nahm einen großen Schritt in ihre Richtung und sie reckte das Kinn in die Höhe um mir in die Augen sehen zu können. „Ich werde nicht zulassen, dass das Schöne vorbeigeht und auch nicht, dass dir irgendetwas zustößt, Elenor. Du kannst jetzt ankommen. Denn wenn du nicht möchtest, musst du nie wieder gehen“, erklärte ich mit fester Stimme, fasste an ihre Wange und küsste sie.

In der Nacht waren unsere Körper eng aneinandergeschmiegt. Das bedeutet jedoch auch, dass ich es jedes Mal spürte, wenn sich Elenor unruhig hin und her bewegte.

Irgendwann war ich kurz weggenickt und als ich die Augen öffnete, war die linke Betthälfte zwar noch warm, allerdings leer. Ich vernahm leises Rascheln von unten und dann wurde die Tür leise zugeschlagen. Ich stand auf und lief zum Fenster. Die Alarmglocken in meinem Kopf waren wieder so schrill, dass sich meine Fäuste ganz von selbst zu Fäusten ballten und sich bereit für einen Kampf machten.

Im hellen Schein der Straßenlaternen konnte ich sehen, wie eine weibliche Silhouette rasch auf die Straße zulief und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es Elenor war, die gerade vor meinem Haus und somit auch vor mir flüchtete.

Im nächsten Moment war ich die Treppe hinuntergeilt. Ich war darauf trainiert worden, bei jeder Kleinigkeit jedes Detail zu erkennen. Glaubte sie wirklich, sie könnte einfach gehen, ohne dass ich es mitbekam?

Oberkörperfrei – nur die Schuhe hatte ich angezogen – traute ich mich in die, zugegeben, Eiseskälte, bedacht darauf, Elenor nicht wissen zu lassen, dass ich ihr auf den Fersen war. Ich wollte herausfinden, warum sie mitten in der Nacht verschwand.

 

Rescue - Für die Stimme in der DunkelheitHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin