Kapitel 11

78 6 0
                                    


HELLO!
Ich bin zurück und hoffe, euch geht es allen gut.

Ich führte sie zu meinem Wagen, auch wenn ich noch immer kein allzu gutes Gefühl bei der Sache hatte. Schweigend stieg sie ein und schnallte sich an. Ich tat es ihr gleich und spürte dabei ihren Blick auf mir. Es erinnerte mich am meine zweite Begegnung mit Elenor. Sie hatte mich im Büro ihrer Tante dabei erwischt, wie ich herumgeschnüffelt hatte. Damals war ich abgeneigt von ihr gewesen. Und das nur wegen ihres Vaters, dem sie kein bisschen ähnelte. Und wenig später konnte ich nicht aufhören, an sie zu denken. Das war Elenors Gabe. Sie zog jeden sofort in ihren Bann, egal ob sie es wollte oder nicht. Sie hatte mich sogar all meine Wut vergessen lassen, an Tagen, an denen ich alles hätte zusammenschlagen können, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie war mein Ruhepol und das Mädchen, das ich liebte. Vorher hatte ich mir nicht erlaubt diesen Gedanken fertig zu denken, geschweige denn ihn auszusprechen.

"Sie lieben sie, oder?" Überrascht blickte ich sie an. Sie war ziemlich direkt dafür, dass wir uns erst seit ein paar Minuten kannten.
"Ja, das tue ich." War meine Antwort und dabei blieb ich auch. Ich wollte nicht mehr sagen. "Es tut mir leid."

"Es gibt nichts, was Ihnen leid tun müsste", erläuterte ich und fuhr los. Ich hatte gelernt, dass nicht jedes Familienmitglied wie das andere war. Ich war nicht wie mein Vater und Elenor ähnelte ihrem noch weniger. Wir waren nicht dafür verantwortlich, was sie taten und wir würden es auch niemals sein.
Die Fahrt über blieben wir ruhig, doch aus den Augen ließ ich sie nicht.
Zu oft war ich schon verarscht worden. Ich würde nicht zulassen, dass es noch einmal geschah.

"Hier! Da vorne ist." Tatsächlich, der schrille Ton des Navis verriet, wir hatten unser Ziel erreicht. Und warum war ich so aufgeregt? Elenor würde nicht hier sein. Es sei denn sie hatte sie hier ... nein, das konnte nicht sein. So würde es nicht sein.

Der alte Jeep war dreckig von Matsch und Regen. Die junge Frau folgte mir zum Wagen. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie sehr langsam ging. So, als hätte sie Schmerzen.
"Alles okay?", fragte ich, versuchte mich aber nicht davon ablenken zu lassen, wie verdächtig zögernd sie mit den Schultern zuckte. "Ich habe mich gestern verletzt. Aber nicht schlimm."

Sie log mich an. Es war nicht schwer zu erkennen. Doch solange nicht im nächsten Moment Männer aus der Dunkelheit sprangen, würde ich nicht gleich anfangen sie bekämpfen, als ob sie der größte Feind wäre.

Ich lief rückwärts, in kleinen Schritten.
"Was ist?" Ich zuckte mit den Schultern. "Was soll sein?" Ich öffnete die Tür des Jeeps, denn sie war nicht verschlossen. Und es wunderte mich kein bisschen.

"Könnten Sie für mich hinten nachsehen?" Ich wollte sie auf keinen Fall aus dem Blickfeld lassen, während ich nach etwas Verdächtigem Ausschau hielt. Nach was genau, wusste ich selbst nicht.

Die zierliche Frau kletterte auf den Rücksitz und schaute sich um.
"Hier ist nichts", sagte sie und wollte wieder aussteigen, als sie sich doch wieder umdrehte.

Dann jedoch, griff sie zwischen die Sitze und zog ein Ledergebundenes Buch hervor. Es sah genauso aus, wie die anderen beiden. Das war verdächtig. Drei Notizbücher. Ein Mann. Seltsam.

Sie reichte es mir. Wenige Seiten waren locker und fielen hinaus. Es war die gleiche Handschrift, ganz sicher. Doch vorne stand nicht der Name des Mannes, dessen Auto wir gerade durchsuchten. Es war Todd Wesleys Name.

Es war sein Buch.

Elenor

Ich war immer noch in diesem Keller, mit Gittern an den Fenstern und kalter Luft. Die Kälte hielt mich wach, auch wenn ich nicht einschlafen wollte. Und ich konnte diese Müdigkeit nicht gebrauchen, wenn ich hier rauswollte.

Noch weniger wollte ich jedoch einschlafen und nichts davon mitbekommen, was hier geschah. Ich konnte hören, wie immer wieder die Tür geöffnet wurde, schwere Schritte über den kalten Boden huschten und der Blick eines Mannes unangenehm lange auf mir lag.

Sie überprüften, ob ich noch da war. Doch eine Möglichkeit hier rauszukommen sah ich auch nicht. Es war die Angst vor ihrem Boss. Ich wusste es. Wenn dieser Mann selbst ihnen Angst machte, was hatte ich dann zu befürchten? Ich wollte es mir nicht ausmalen und ich war zu müde, um weiter darüber nachzudenken.

Eine Weile später wurde die Tür erneut geöffnet. Hatte ich doch geschlafen? Ich wusste es nicht mehr. "Du bist wach?" Es war wieder der gruselige Mann, der auffällig angespannt auf mich hinzukam. Die Sonne war aufgegangen und erhellte den Raum.

Der Kerl kam mir jetzt, bei hellem Licht, noch viel mächtiger vor. Er sank vor mir auf die Knie und nahm mein Gesicht in seine Hände. Sie waren rau und kalt.
"Ich habe deinen ersten Auftrag. Und er wird dir gefallen." Er hatte ein beängstigendes Grinsen aufgelegt. Unberechenbar. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Und ich wollte es auch nicht wissen.

Evan. Ich konnte nur an ihn denken. Ich wollte aus diesem Alptraum erwachen und niemals wieder daran denken.

Er umgriff meinen Arm und zog mich nach oben. Sein Griff war so fest, dass es schmerzte und ich ihn böse anfauchte. Sein bedrohlicher Blick, mit dem er mich danach versuchte zu töten, gab mir zu verstehen, dass ich mich zu benehmen hatte.

Aber ich würde ihm sicherlich keinen Kuss auf die Wange geben und so tun, als würde er nicht etwas planen, das mich sicherlich nur in Schwierigkeiten brachte.

Ich musste an meine Familie denken. An meine Tante, die bestimmt krank vor Sorge war. Hatte Evan ihr Bescheid gegeben? Er musste es wohl tun.

Ich durfte nicht aufgeben. Für sie musste ich durchhalten.

"Wir bringen dich jetzt zum Boss." Wie bitte? Ich hatte gedacht, er wäre der Boss. Gab es noch jemanden, der bedrohlicher aussehen konnte? Ich bezweifelte es.

Ich konnte sein amüsiertes Grinsen spüren. Es war wie in sein Gesicht tätowiert. Sie versuchten nicht, mir die Augen zu verbinden. Ein schlechtes Zeichen. Ich hatte alles gesehen. Den langen Flur, der so kahl war wie ein unbewohntes Haus. Nicht ein einziges Möbelstück.

Er zerrte mich weiter in einen dunklen Raum, der wohl schon seit Wochen keinen Lichtstrahl mehr gesehen hatte. Doch auch dort blieben wir nicht stehen. Erst einige Räume weiter, die mindestens genauso leerstehend waren, klopfte er an eine Tür.

"Herein." Eine raue Stimme ertönte. Der Mann hinter mir trat ein und zog mich mit sich. Erst wehrte ich mich, verstand dann jedoch, dass es nichts bringen würde. Und dann blieb mein Herz für einen Moment stehen.

Der große Mann erhob sich. Sein Körper war gehüllt in einen dunklen Anzug. Er sah mich an, als wäre ich sein größter Feind, und ich konnte verstehen warum

Es war Rodrigo, und ich kannte ihn schon seit ich klein war.





Rescue - Für die Stimme in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt