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Prolog

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„Ich weiß Bescheid", erklärte sie triumphierend und mein Versuch, sie genervt beiseite zu schieben, scheiterte kläglich. Stattdessen bildete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht.

„Ach ja?", gab ich mit hochgezogener Augenbraue zurück und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. Es war nicht auszuschließen, dass sie die Unterhaltung tatsächlich belauscht hatte, aber mein Motto lautete schon immer ‚Abstreiten, bis es nicht mehr geht' und ich sah keinen Grund, nun etwas daran zu ändern.

„Keine Sorge, ich schweige wie ein Grab", erwiderte sie nur knapp und legte ihren Zeigefinger symbolisch über ihre Lippen. Zusätzlich unterstrich sie ihre Aussage mit einem verschwörerischen Augenzwinkern. Eigentlich hätte mich die Tatsache beunruhigen müssen, denn es war offensichtlich, dass man ihr nicht trauen konnte. Bisher hatte mich ihr hübsches Aussehen über gewisse Charaktereigenschaften hinwegsehen lassen, aber in letzter Zeit strapazierte sie immer häufiger meine Geduld.

„Mach dich nicht lächerlich, okay?", antwortete ich so neutral wie möglich, denn ich würde ihr keinesfalls die Bestätigung geben, die sie hören wollte. Wenn sie tatsächlich alles mitangehört hatte, konnte mich das in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, aber bisher war ich immer mit allem durchgekommen. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Glücklicherweise konnte ich mich anschließend der Situation entziehen, indem ich sie vor meinem anstehenden Footballtraining nach Hause fuhr. Als ich den Wagen vor dem elektrischen Sicherheitstor zum Stehen brachte, umschloss sie mein Gesicht mit ihren Händen und versuchte, mich näher an sie zu ziehen. Als ich meinen Kopf jedoch ablehnend in die entgegengesetzte Richtung drehte, verließ sie eingeschnappt das Fahrzeug und ließ die Autotür mit einem lauten Knall zuschlagen.

Sie erwartete, dass ich ihr hinterherlief – das, was sie gewohnt war. Aber sie vergaß, dass ich solche Spielchen lange nicht mehr mitspielte. Stattdessen startete ich erneut den Motor und lenkte meinen Wagen zurück auf die Straße, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

****

„Wo warst du heute mit deinen Gedanken, Bro?", meldete sich mein Kumpel Brian hinter mir, woraufhin ich ihn fragend im Rückspiegel fixierte. Das Footballtraining war mir heute tatsächlich schwerer gefallen als üblich, aber trotzdem konnte ich zufrieden mit meiner Leistung sein.

„Coach Davis war kurz davor zu verzweifeln", stimmte Cole lachend vom Beifahrersitz mit ein, was ich jedoch nur mit einem abschätzigen Kopfschütteln quittierte. Ich durfte auf keinen Fall zulassen, dass mich die ganze Angelegenheit zu sehr beschäftigte.

„Das heute waren mindestens 98 Prozent, beim nächsten Training bin ich wieder mit hundert Prozent dabei", versprach ich den beiden und setzte ein siegessicheres Grinsen auf. Coach Davis war für seine cholerischen Ausbrüche bekannt, aber normalerweise bekamen ausschließlich die anderen Spieler seine Stimmungsschwankungen zu spüren.

„Ich dachte wirklich kurz, er bekommt wegen dir einen Herzinfarkt. Immerhin bist du doch sein Liebling." Brian hatte sich zwischen den Sitzen nach vorne gebeugt und mir einen freundschaftlichen Boxschlag auf den Oberarm verpasst, während er und Cole noch immer ausgelassen über Couch Davis' Ansage an mich lachten.

Nachdem ich beide abgesetzt hatte, fuhr ich noch eine Weile ziellos durch die Straßen von Richmond. Es musste doch möglich sein, irgendwie den Kopf freizubekommen, oder? Die Tatsache, dass mein Smartphone ununterbrochen in der Trainingstasche vibrierte, gestaltete die Angelegenheit jedoch schwieriger als gedacht. Kurzerhand drehte ich die Musik lauter auf, um das Geräusch ignorieren zu können.

Mit fortschreitender Fahrzeit schaffte ich es dann tatsächlich, die ganze Angelegenheit in den Hintergrund rücken zu lassen, bis ich wieder meine volle Selbstsicherheit zurückerlangte. Vollkommen relaxt lenkte ich den Wagen schließlich auf den Parkplatz vor meinem Haus und verweilte dort noch einen Moment, bevor ich die Autotür öffnete und das Fahrzeug verließ.

Eilig umrundete ich den Wagen, um meine Sporttasche aus dem Kofferraum zu nehmen und anschließend die Stufen zu unserer Haustür hochzujoggen. Ich war vollkommen verschwitzt und trug noch immer die Trainingskleidung, da ich aufgrund der angespannten Stimmung auf eine Dusche in der Umkleide verzichtet hatte.

Ungeduldig steckte ich den Schlüssel in das Schloss und hoffte, dass mich niemand im Inneren erwartete. Als ich in den Flur trat, stellte ich erleichtert fest, tatsächlich alleine zu sein. Zielstrebig steuerte ich daraufhin das Badezimmer an und entledigte mich meiner Kleidung, um mich endlich frisch machen zu können.

Mit einer schnellen Handbewegung betätigte ich den Wasserhahn und platzierte mich unter dem großzügigen Wasserstrahl. Das kühle Wasser beruhigte meine beanspruchten Muskeln und ich schloss für einen Augenblick meine Augen.

„Es läuft alles nach Plan", sprach ich leise zu mir selbst, während ich aus der Dusche stieg und mir ein Handtuch aus dem gegenüberliegendem Regal griff. Normalerweise gab es nichts, was mich aus der Bahn werfen konnte aber die Tatsache, dass sie nun Bescheid wusste, stresste mich doch mehr, als ich mir eingestehen wollte.

Nur mit einem Handtuch bekleidet begab ich mich in mein Zimmer, wo ich mir etwas überzog und mich anschließend erschöpft auf die Couch fallen ließ. Ich nutzte die Zeit, um endlich die Nachrichten auf meinem Telefon zu checken. Wie erwartet waren etliche Nachrichten von ihr eingegangen, aber ich hatte wirklich keinen Bock, sofort zu antworten. Gestresst von ihrer penetranten Art, sperrte ich den Bildschirm und schmiss das Smartphone achtlos neben mich.

Anscheinend hatte sie sofort die blauen Haken bemerkt, welche ihr signalisierten, dass ihr Mitteilungen gelesen worden waren, denn es dauerte nicht lange, bis mein Handy erneut zu vibrieren begann.

„Ja?", nahm ich schließlich das Telefonat entgegen und lauschte angestrengt ihren hysterischen Anschuldigungen. So konnte es definitiv nicht weitergehen und ihr schien mittlerweile ebenfalls zu dämmern, dass mich ihre Art einfach nur noch nervte. „Hör zu", unterbrach ich sie und kündigte an, was schon längst überfällig war, „wir müssen dringend reden. So kann das mit uns nicht weiterlaufen."

Ihr war natürlich sofort klar, in welche Richtung das angekündigte Gespräch laufen würde, aber ihre Reaktion darauf fiel anders aus, als von mir erwartet. Ihre Worte hallten in meinen Ohren nach und ich beendete das Telefonat abrupt, ohne zu wissen, was nun auf mich zukommen würde.

Ich ließ meinen Kopf nach hinten auf die Lehne des Sofas fallen, während ich mir mit einer Hand angespannt durch die Haare fuhr.

„Fuck!", war alles, was ich noch zwischen meinen Lippen hervorpressen konnte.

(In)Visible - How To Survive Senior High SchoolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt