Zukunft

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Ehe man sich versah, war es bereits zum Abend gekommen. Während die anderen Cru Mitglieder mit einem guten Gefühl zu Bett gingen, konnte Alea nicht schlafen. Sie blickte neben sich. Ihr Krieger war bereits leise am schnarchen und umklammerte sie von hinten. Obwohl Lennox ihr immer ein gutes Gefühl gegeben hatte, konnte er nicht ihre trüben Gedanken vertreiben.

Ich muss mir die Beine vertreten, dachte Alea frustriert und bemühte sich so leise wie möglich, aus der Decke hervor zu kriechen, natürlich funktionierte das nicht besonders gut.
"Was ist los?", hörte sie eine kratzige Stimme hinter sich. Wenn Lennox aufstand war seine Stimme noch tiefer als sonst.
"Ich kann nicht schlafen. Ich gehe kurz an Deck", erklärte Alea flüsternd und war gerade dabei sich vom Sofa zu entfernen. Noch im selben Augenblick griff Lennox nach ihrer Hand.
"Soll ich mitkommen?", wollte er wissen und rieb sich die Augen.
"Nein, schon gut. Leg dich wieder hin", murmelte sie ihm zu und legte seine Hand zurück zu ihm.
"Ich möchte gerade alleine sein", schob sie hinterher als sie sah, dass er nicht vor hatte, wieder einzuschlafen. Nach diesen Worten nickte Lennox ihr zu, drehte sich um und vergrub das Gesicht in eines der Kissen.

Alea schlich an Deck des Schiffs. Die Planken waren vom nächtlichen Unwetter immer noch nass, allerdings waren die Wolken bereits weitergezogen. Sie hielt sich an die Reling fest, wie an einem Anker im Sturm. Die Wellen waren immer noch unruhig, obwohl das Gewitter bereits vorbeigewesen war. Genauso fühlte Alea sich. Die Vision sollte ihr doch eigentlich verdeutlichen, dass alles gut werden würde, und trotzdem war sie aufgewühlt.

Zuerst spielte sie mit dem Gedanken, eine Runde schwimmen zu gehen. Doch ihr wurde schnell klar, dass dies vermutlich zu gefährlich war. Die Kombination aus Walen und Darkonern war keine gute Mischung, wenn nicht zumindest ein Oblivion dabei war. Aber wie sollte sie sonst Ruhe finden? Sie brauchte eine Vergewisserung, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Und das schleunigst! Da viel ihr eine Möglichkeit ein. Die selbe Möglickeit, die ihr diese Kopfschmerzen überhaupt verursacht hatte - der Silberumhang. Alea wollte sich eine weitere Vision ansehen. Immerhin hatten sie sich das Artefakt für genau diesen Zeck besorgt.

Nach einem Moment des Zögerns tappte sie die Stufen wieder hinunter. Alea erinnerte sich, dass Sammy den Umhang vorübergehend zu den Fusseln verstaut hatte. Das war vorerst nur als Übergangslösung gedacht, bis er ein sichereres Vertseck gefunden hatte. Mit dieser Erkenntnis machte Alea sich auf den Zehenspitzen zur Jungskajüte. Vor deren Türe hob sie die lose Planke an und erblickte Sammys bunte Sammlung. Zwischen seinen Dosen und Beuteln stach ihr der schimmernde Stoff des Umhangs gleich ins Auge. Sie zog diesen vorsichtig hervor und setzte sich auf den Boden.

Alea rang jedoch mit sich selbst, ihr Plan war riskant. Wollte sie wirklich noch mehr aus der Zukunft erfahren? Würde ihr der weitere Einblick im Kampf gegen Orion helfen? Vermutlich, hatte sie sich gedacht, während sie den Umhang anlegte.
Rückblickend fragte sie sich oft, ob die Geschehnisse von der heutigen Nacht, die morgigen Nächte beeinflusst hatten. Wäre es trotzdem zu den Ereignissen gekommen, gleichgültig, ob sie diese bereits vorhergesehen hatte, oder hätte ihre Geschichte doch noch ein anderes Ende genommen, wäre sie einfach wieder ins Bett gegangen? Die Frage war ebenso schwer zu beantworten, wie auch zu verdrängen, denn manchmal machte Alea sich Vorwürfe. Manchmal kam es ihr so vor, als hätte sie die kommenden Opfer verhindern können. Und dann fällt ihr wieder ein, dass unser Leben vom Schicksal geleitet wird. Ihr fällt ein, dass sie zwar Handlungsstränge verändern kann, das Ergebnis jedoch immer gleich bleibt. Nach diesem Gedanken besucht sie für gewöhnlich den Ort, an dem alles geschehen war.

Nach dem Umlegen des Umhangs passierte alles so furchtbar schnell. Vor Aleas innerem Auge spielte sich ein Film der Zukunft ab. Sie fand sich an einem fremden Ort wieder, um genauer zu sein, an einem besonders hohen Felsvorsprung auf einer Insel. Hinter ihr erstreckte sich eine riesige leere Fläche an glatten Pflasterboden, welcher zu der sonst ländlichen Gegend ganz und garnicht passte. Was vor ihr lag konnte sie nicht erkennen, denn der Blickwinkel war ausschließlich auf die Alpha Cru selbst gerichtet. Sie erkannte sich selbst in der Mitte der Gruppe. Zu ihrer linken standen Ben, Tess und Sammy. Rechts von Alea befanden sich Thea und Lennox. Sie bemerkte, dass alle furchtbar aufgeregt zu sein schienen. Sammy hatte nach Bens Hand gegriffen und drückte diese so fest, als versuchte er all seine Sorgen zu zerquetschen. Auch Tess hatte ein Flackern in ihren Augen, welche eine beunruhigende Wirkung auf Alea hatte. Was ging vor sich? Warum waren alle so angespannt?

Thea fuchtelte wie wild um sich herum und gebärdete so schnell, dass Alea nichts verstehen konnte. Lennox musste sie igrendwann am Arm packen und zu sich ziehen, weil sie auf etwas zu laufen zu wollen schien. Befanden sie sich etwa in Gefahr? In Alea bebte alles. Sie hatte ein furchtbar ungutes Gefühl. Lennox hatte seine typische Beschützerhaltung angenommen. Sein Kiefer war angespannt, er hatte sich aufrecht aufgetürmt und die Schultern zurückgeschoben. Er war so unglaublich fokussiert auf eine bestimmte Sache, dass es Alea fast schon Angst machte, zu ihm zu sehen. Inzwischen lief Thea rot an. Ihr Kopf wurde heiß vor Wut und sie versuchte einen weiteren Schritt nach vorne zu gehen. Augenblicklich streckten alle die Hände nach ihr aus. Anscheinend wollte nicht nur Lennox sie zurück halten. Ben stellte sich vor sie und gebärdete ihr ein paar beruhigende Worte zu. Dabei blickte er immer wieder hinter sich, als würde bei der kleinsten falschen Bewegung etwas schlimmes passieren. Thea ließ sich allerdings nicht beruhigen. Im Gegenteil, sie schien von Sekunde zu Sekunde wütender zu werden.

Irgendwann ergriff die Alea in der Vision das Wort. Sie nahm besänftigend die Hände in die Luft und sprach:
"Denken Sie doch mal vernünftig nach. Wir finden schon eine Lösung - das tun wir immer!" Sie blickte verzweifelt nach vorne und schien auf ein Wunder zu hoffen. Ihre Worte richteten allerdings nichts aus, denn die Situation wirkte kein bisschen entspannter. Sammy hatte sich derweil hinter Ben versteckt, welcher verzweifelt die Augenbrauen zusammenzog.
Und dann passierte etwas! Alle Crumitgleider zuckten erschrocken zusammen und zogen die Hände an die Brust. Tess schrie so hemmungslos und panisch auf, dass Alea ungewollt den Atem anhielt. Gleichzeitig erkannte sie, dass Sammy, der Sonnenschein der Gruppe, in Tränen ausbrach. Seine Augen schwollen rot an, während er an dem Shirt seines älteren Bruders zerrte. Ben zog ihn dicht an sich heran und schien ihn nicht mehr los lassen zu wollen. Alea hörte um sich herum Schreie und die Situation endete im Chaos. Ihr Puls raste - was war geschehen? Gleichzeitig riss sich Thea aufgebracht von Lennox los und ran auf die vermeindliche Gefahr zu. Alea folgte ihr in einem Tempo, als würde es um Leben und tot gehen - oder tat es das vielleicht?

Dann war die Vision vorbei.

Alea fand sich in der Gegenwart wieder und hielt sich aufgeschmissen die Brust. Sie spürte ihren rasenden Herzschlag und war mit einem mal dankbar, dass sie bereits saß. Was war nur geschehen? Was würde geschehen? Diese Fragen stellte sie sich selbst, während sie damit kämpfte, ruhig zu atmen. Das war allerdings garnicht so leicht. Sie traute sich kaum, auch nur einen Muskel zu bewegen und saß schließlich, steif vor Angst, mit dem Rücken zur Wand gelehnt auf den kalten Planken.

Durch den Silberumhang wirkte alles viel lebendiger, als bei den Silberfäden. Sie hatte buchstäblich die Schweißperlen ihrer Freunde spüren können. Sie erinnerte sich wieder an die Schreie, die ertönt waren. Sie klungen so verzweifelt und hilfesuchend, gleichzeitig aber auch voller Angst. Sie dachte an die sonst so tuffe Tess, die in ihren Augen pure Angst widerspiegelte, welche Alea den Magen umdrehte. Selbst Lennox machte den Eindruck, als gäbe es kein Entkommen. Genau er, ihr Krieger, der niemals aufgeben würde, sie zu beschützen. Genau er, sah so verzweifelt aus, dass die Erinnerung an ihn, Alea im Herzen schmerzte.

Die Cru befand sich ganz offenbar an einem neuen Ort. Sie würden also nochmal die Segel hissen. Wenn dem so war, mussten sie Orion zu jenem Zeitpunkt bereits geschnappt haben, ansonsten wäre es riskant gewesen nochmal in See zu stechen. Aber wer sollte abgesehen von Orion zu einer Gefahr werden? Sein Mann Jinx, oder jemand ganz anderes? Alea schnaufte laut und verstaute den Umhang wieder unter der losen Planke. Wieso hatte sie gedacht, ein weiterer Blick in die Zukunft würde ihre Probleme lösen? Nun war sie noch nervöser als zuvor.

Was hätte sie nicht alles gegeben, um eine Runde schwimmen gehen zu können. Allerdings waren das genug dumme Entscheidungen für einen abend gewesen. Alea fiel nichts besseres ein, als sich in die Jungenkajüte zu schleichen. Mit schweren Schritten latschte sie zu Sammys Bett, hob die Decke an und drückte sich an ihn. Sammy wurde kurz wach. Sobald er Alea erkannt hatte, drehte er sich zu ihr, nahm sie automatisch in den Arm und schlief wieder ein. Normalerweise schlich sich Sammy zu Alea ins Zimmer. In jener Nacht wollte aber sie aber sich an ihn kuscheln können, in der Hoffnung, dass seine natürliche Unbeschwertheit auf sie abfärben würde.

Alea drückte den Bandenjüngsten eng an sich, und spürte dass sie noch am ganzen Körper zitterte - ihre Augen flackerten in der Dunkelheit, ihre Nasenflügel bebten vor Nervosität und ihre Füße fühlten sich taub an. Sie schmiegte sich noch enger an Sammy, denn ihr war nicht klar, wann sie das nächste Mal eines der Crumitglieder im Arm halten können würde. Denn das unausweichliche würde geschehen, und erbrachte Opfer würden die Folge sein...

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⏰ Last updated: Jul 31, 2022 ⏰

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Alea Aquarius Band 7 (Fanfiction)Where stories live. Discover now