16. Ezra

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Ezra versteifte sich bei meiner unbeschwerten Geste, versuchte aber nicht, sich aus meinem Griff zu entziehen. „Was hast du vor?" fragte er stattdessen unsicher und starrte mich aus großen hellbraunen Augen an. „Möchtest du heute mit mir bei den Tika frühstücken?" wollte ich, begeistert von meiner eigenen Idee, wissen. Ezra seufzte und zog eine gequälte Miene. „Ich will mich nicht zwischen dich und deinen Mate stellen, Avalon." erklärte er, da er anscheinend meinen Plan durchschaut hatte. Ich sah augenrollend zu ihm auf und lief langsam weiter zur Cafeteria. „Glaub mir, zwischen uns ist mehr als du. Er hat mich verraten. Zweimal. Und er würde mich jederzeit wieder betrügen. Es hat gute Gründe, dass ich unsere Verbindung trennen will." erklärte ich leicht aufgebracht und sah den Bibliothekar herausfordernd an. Vielleicht nicht die beste Art, sich Freunde zu machen.

Er lief widerwillig neben mir her, seufzte aber schließlich ergeben, als wir an der Cafeteria ankamen. „Eine Kleinigkeit werde ich wohl mit dir essen können, bevor ich zurück zur Bibliothek muss, aber ich bleibe nur, weil du mir so sympathisch bist." gab er nach und legte nach einem Moment des Zögerns einen Arm um meine Schultern. Überrascht sah ich zu ihm hoch und ließ mich von ihm mit in den schon ziemlich vollen Raum ziehen. Sein Duft nach Tannennadeln und Moschus umschlang mich, während der leichte Geruch der Bücher eher von seiner dunklen Kleidung ausging. Das war auch der Grund, warum ich die ganzen Blicke auf uns erst gar nicht bemerkte. „Und hat dir deine bisherige Recherche schon irgendwelche bahnbrechenden Erkenntnisse beschert?" glitt der Bibliothekar problemlos in einem entspannten Ton, in das nächste Thema. Bisher hatten wir noch gar nicht darüber geredet, doch ich fand es gut, dass er sich um ein Gespräch bemühte.

Wir holten uns etwas zum Essen und Kaffee und ich erzählte ihm unsicher von Lianas Tagebuch, das mich zwar etwas weitergebracht hatte, aber nicht wirklich hilfreich war. Da er die Bücher ja auch selbst gelesen hatte, musste ich nicht allzu konkret werden und konnte so vor neugierigen Ohren das eigentliche Thema unserer Unterhaltung verbergen. „Aber genug von diesem Thema. Was ist mit dir? Deine Antwort hat mich ziemlich erstaunt. Wie meintest du das, dass du rudellos bist?" wechselte ich allerdings das Thema, als wir am Tika-Tisch ankamen und ich mich setzte. Ezra blieb unsicher stehen und sah fragend zu Kristin, die ihn neugierig musterte. „Ich bin außerhalb eines Rudels geboren. Meine Eltern waren Einzelgänger und als ich alt genug war, schickten sie mich hier her, damit ich ein Rudel fand." erklärte er und setzte sich zögerlich, als die Beta-Anwärterin der Tika ihm aufmunternd zunickte. Das war wohl ihre Zustimmung, dass er hier sein durfte, obwohl er nicht zum Rudel gehörte.

„Ich wusste gar nicht, dass es noch Einzelgänger ohne Rudel gibt." mischte sich da plötzlich eine weibliche Stimme ein. Helin kam gerade mit ihrem Mate zu unserem Tisch geschlendert und warf mir einen Wir-reden-später-darüber-Blick zu. „Naja, es ist zwar nicht mehr so verbreitet, weil Werwölfe im Rudel stärker sind, aber es gibt noch einzelne Paare oder Verstoßene, die auf sich gestellt sind." erklärte Ezra sachlich und versuchte die leichte Röte auf seinen Wangen hinter seiner Kaffeetasse zu verstecken. Ihm war die Situation offensichtlich unangenehm. „Ezra, das ist Helin, meine beste Freundin." sagte ich schnell und nahm selbst einen großen Schluck aus meiner Tasse. „Du bist also der interessante Bibliothekar, der Lon bei ihrer Recherche hilft." kommentierte Helin grinsend und warf mir noch einen vielsagenden Blick zu. Das würde ich ihr später eindeutig erklären müssen.

Ezra schenkte mir sein warmes Lächeln, bevor er stolz antwortete. „Sie findet mich also interessant?" wollte er von meiner Freundin wissen und wirkte auf einmal etwas selbstbewusster als noch vor einer Sekunde. „Sie hat auf jeden Fall gesagt, dass sie neugierig auf dich ist. Und das muss schon was heißen. Avalon ist sonst die Eiskönigin schlecht hin. Ich bin übrigens Jace. Helins Mate." mischte sich jetzt auch noch der andere Blondschopf ein und hielt Ezra höflich eine Hand hin. Der Bibliothekar ergriff sie und wandte sich dann wieder seinem Frühstück und mir zu. „Und was ist mit dir? Irgendwelche nennenswerte Erzählungen aus deinem Leben, die ich kennen sollte?" wechselte er das Thema, ohne auf meine Neugierde einzugehen. Er war wirklich nicht eitel. Mir gefiel wie einfach er das Thema abtat. Wahrscheinlich. Ich war mir nicht ganz sicher. Tat er das vielleicht auch nur, weil es ihm peinlich war?

Wolves QueenWhere stories live. Discover now