51. Kapitel

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Zitat:

Setze dir ein Ziel und tue jeden Tag etwas dafür - und sei es nur, dass du dir dein Ziel wieder vor Augen führst - so wirst du es erreichen.

~ Jürgen Nitsche

- Jess' POV -

Nur kurze Zeit später waren wir beim Eingang des Friedhofs angekommen. Es war ein ungewohntes Gefühl nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Die Wolken waren in einem dunklen Grau gefärbt und der Wind wehte wie verrückt, als Laura und ich langsam zu dem Grab meines Vaters marschierten. Die Stimmung war angespannt und niemand sprach etwas, als ich zu dem Grabstein ging und mich daneben hinkniete. Langsam und mit einer sanften Bewegung fuhr ich seinen Namen nach.

David Collins 11.09.1968 - 24.06.2014

In nur ein paar Tagen hätte er Geburtstag gehabt. Natürlich wusste ich das auch schon vor meinen Besuch, doch es hier nochmal zu lesen, versetzte mir erneut einen Stich im Herzen. Es tat weh. Denn ich würde dieses Jahr wieder meinen Geburtstag feiern können, doch mein Dad nicht.

Wieso war das Leben in so vielen Situationen so verdammt unfair? Er hatte es verdient zu leben. Er hatte es verdient alt zu werden und vor allem hatte er es verdient glücklich zu sein. Wieso also war ihm dieses Schicksal vorbestimmt worden?

Ich merkte wie immer mehr Kraft aus meinen Muskeln wich, während ich meine Hand wieder von dem eiskalten Grabstein löste. „Wieso... wieso...?", murmelte ich zwischen hektischen Atemzügen, während ich versuchte nicht zu weinen, was mir leider nicht gelang. Mein ganzer Körper verkrampfte sich und ich fiel aus meiner knienden Position nun ganz zu Boden, weil meine Knie nachgaben. Ich machte mich so klein, wie ich nur konnte, während ich merkte, dass Laura sich neben mich hockte und einen Arm um mich legte. „Wieso... wieso nur...?", murmelte ich weiterhin leise und versteckte mein Gesicht im Kragen meines Pullis.

Er hatte es nicht verdient. Warum war ich zu meinem letzten Geburtstag so egoistisch gewesen? Wieso hatte ich gemeint, dass er unbedingt so früh wie möglich daheim sein hätte müssen? Wahrscheinlich hätte sich Dad sonst nicht so sehr von der Arbeit nach Hause beeilt und wäre jetzt noch hier. Bei mir.

Ich merkte wie ich am ganzen Körper zu zittern und ich laut zu schluchzen begann. Laura redete weiterhin auf mich ein und zog mich so fest an sich, wie es ihr nur möglich war.

Nach einiger Zeit merkte ich wie meine Sicht wieder klarer wurde und meine Tränen langsam, aber sicher zu trocknen begannen. Durch die Wärme, die von Laura ausging konnte ich mich geborgen fühlen und endlich wieder zur Ruhe kommen. Ich merkte, dass ich nicht mehr zitterte und die Gänsehaut von meinem Körper wich. Laura strich mir noch einmal über meinen Oberarm, bevor sie mich mit sich nach oben zog. Als wir wieder auf den Beinen waren, drückte sie mich noch ein letztes Mal an sich, bevor sie sich wieder ein wenig löste und mich an den Schultern ein kleines Stückchen von sich wegdrückte, um mich anzusehen. Dann wischte sie mir über meine Wange, um die getrockneten Tränen zu beseitigen und wisperte mir immer wieder beruhigende Worte zu. „Alles wird gut werden."

„Und wie?", meinte ich sofort mit aufgebrachter Stimme und riss mich von ihr los. „Es wird nie wieder wie früher sein. Als er noch da war."

„Ich kann mir vorstellen, wie sich das anfühlt, doch es kann so nicht weitergehen. Dein Vater hatte ein wunderschönes Leben mit einer tollen Tochter an seiner Seite."

Er hatte ein gutes Leben, da hatte sie auf jeden Fall recht. Doch ich war ihm sicher nicht immer die einfachste und beste Tochter gewesen. „Mach dir ja keine Vorwürfe. In jeder Familie kommen Streitereien vor. Das ist normal."

Ich warf noch einen kurzen Blick über meine Schulter, um das Grab anzusehen. Dann griff ich sanft nach Lauras Hand, umschloss sie mit meiner und begann mir einen Weg durch die Gräber zu bahnen. Außerhalb des Friedhofs angekommen, holte ich erst mal tief Luft und atmete diese nur einen Moment später wieder aus. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass sich der Druck auf meinen Brustkorb nicht gebessert hätte und ich mich kein klein wenig erleichtert fühlte.

Langsam und ohne viel zu reden, machten Laura und ich uns auf den Weg zu ihr nach Hause.

Dort angekommen, wickelte sie mich zuerst in eine Decke und lies mich auf ihrem Bett Platz nehmen. Sie musste am Weg hier her bemerkt haben, dass ich praktisch die ganze Zeit wegen der eisigen Kälte meine Arme um mich geschlungen hatte. Sie war dabei sich neben mich zu setzten, als wir ein Klopfen an ihrer Zimmertür vernahmen. „Herein"; meinte sie, bevor sie endgültig neben mir Platz nahm. Lauras Mum betrat den Raum und musterte mich mit einem traurigen Lächeln und zusammengepressten Lippen.

„Du siehst ziemlich mitgekommen aus", sagte sie leise und kam auf mich zu. Bei mir angekommen, strich sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und setzte sich zu uns auf Lauras Bett.

„Du weißt ja, dass ich schon länger Käufer für das Haus, in dem dein Vater und du gelebt haben, suche. Und heute habe ich jemanden gefunden. Es ist eine kleine Familie mit zwei Kindern. Sie haben großes Interesse gezeigt und gemeint, dass ich mich bis übermorgen bei ihnen melden soll und ihnen mitteilen soll, ob das Angebot noch steht."

Wow. Das kam unerwartet. Ich hatte mit vielem gerechnet, doch damit nicht. Ich senkte also meinen Blick und musterte verdutzt meine Finger.

„Du kannst mir bis übermorgen Bescheid geben. Dann hast du Zeit nachzudenken. Und wenn du willst, dann können wir morgen nochmal bei dem Haus vorbeischauen. Okay?"

Ich nickte kurz und deutete ihr an, dass das in Ordnung sei.

„Dann lass ich euch mal alleine. Und wenn ihr Hunger habt, dann bestellt euch was zu essen. Ich habe Geld am Küchentisch liegen lassen. Hab euch lieb", meinte Lauras Mom noch, bevor sie den Raum verließ.

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A/N:

OMG LEUTE! Platz 10 bei Jugendliteratur! Wow!

Question:

Stellt euch vor ihr hättet drei Wünsche frei. Welche wären das?

Melli ♡

Melli ♡

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New Stepbrother - or more?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt