Kapitel 14 Nebenwetten

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Jiy trat auf den Balkon der Villa hinaus. Kalte Nachtluft schlug ihr entgegen und sorgte sofort dafür, dass ihr Atem als kleine Dampfwolke sichtbar wurde. Niemand wagte sich sonst hierher was ihr ermöglichte, den überfüllten Hallen kurz zu entkommen und das ständige Stimmengewirr der Versammlung  hinter sich zu lassen. Kellvian oder überhaupt irgendjemanden da drinnen zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit, dachte sie.

Nur noch einzelne Wortfetzten drangen durch die geöffneten Türen hinaus, ansonsten aber war es fast gespenstisch ruhig. Die Gejarn konnte nur schätzen, wie spät es war. Unten in den Gärten um die Villa leuchtete eine Unzahl von Laternen und dahinter schimmerten die Straßen und Gebäude Varas in der Dunkelheit. Kein einziger Stern und nicht einmal der Mond zeigten sich am Himmel. Nur ein durch nichts unterbrochener, schwarzer Samtteppich.

Jiy lehnte sich an das niedrige Holzgeländer, welches die Plattform umlief. Das war schon ein seltsamer Abend gewesen, dachte sie. Erst  Fenisin und Cyrus und dann hatte es wohl noch einen Zusammenstoß zwischen Lord Immerson und Eden gegeben, wenn sie das Gemurmel der Adeligen richtig verstanden hatte. Jiy konnte nur hoffen, das niemanden etwas passiert war. Alles schien mittlerweile zunehmend schneller zu passieren. Noch vor wenigen Wochen hatte alles so weit weg gewirkt. Die Versammlung genau so wie die Clans und jetzt waren sie mitten drin. Und wenn sie einen Fehler machten… wie viele konnten dadurch verletzt werden…

Jiy seufzte. Als ob du das nicht alles gewusst hättest, sagte sie sich und lehnte sich an das Geländer der Terrasse. Unter ihr glitzerten die vereinzelten Lichter in den Straßen Varas als wollten sie die fehlenden Sterne am Himmel ersetzen. Eine Weile stand die Gejarn so da und betrachtete den langsam zu Ruhe kommenden Ort. Vor einem halben Jahr war sie aus der Stadt geflohen, it dem Gefühl betrogen worden zu sein. Und nun kehrte sie zurück mit dem Gefühl der Angst, an dem aller Zuspruch Kellvians nichts ändern konnte. Wer waren diese Leute da drinnen den, das sie meinten über ihr  beider Leben so leichtfertig urteilen zu können? Mit einem Wort könnten sie alles zerstören.

Jiy drehte sich um, als sie Schritte auf dem Holzparkett hinter sich hörte.

Kellvian duckte sich, ein Silbertablett in der Hand unter dem schweren Wandteppich hindurch, der mittlerweile die Tür zum Außenbereich verhängte.  Ein schwaches Lächeln huschte über die Züge des Mannes

,,Ich hab was zu essen besorgt. Hungrig ?“

,, Und wie.“ , erklärte sie, konnte aber die besorgten Gedanken nach wie vor nicht abschütteln. ,, Ich habe gehört, was passiert ist…“

Kell nickte. ,, Ich glaube, das hat mittlerweile jeder. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Mit Andre werde ich fertig.“

Jiy war klar, dass er sie nur beruhigen wollte. Und auch, das es nicht funktionierte. Er stellte das Tablett auf dem Boden ab und sie ließen sich auf den Holzdielen nieder. Die Kälte störte keinen von ihnen. Es war nach wie vor besser, als sich weiter mit dem Adel Cantons herum zu schlagen.

,, Es ist…schön hier.“ , meinte Kellvian und ließ den Blick einen Moment über die Stadt schweifen. Mit einer Hand Schnitt er Käse und Brot in Streifen.

,, Vor allen Dingen Ruhig.“ ,erwiderte die Gejarn. ,, Das war ein seltsamer Abend oder ?

Kell lachte, aber es klang betrübt. ,, Und ob. Ich habe mir einen der mächtigsten Fürsten Cantons zum Feind gemacht. Und du ?“

Jiy schüttelte den Kopf. ,,Man kann dich ja auch keine Sekunde aus den Augen lassen, Kellvian Belfare.“ , erwiderte sie, ebenfalls lachend. Jiy griff nach einem Käsestück auf dem Tablett und besah es einen Moment skeptisch.

,, Die Gejarn kennen Käse oder ?“

,, Natürlich, aber normalerweise stellen die Clans das nur her, wenn nicht mehr genug Tiere zum schlachten verbleiben. Die meisten mögen es nicht aber…“ Jiy nahm einen bissen. ,, Schmeckt gar nicht so übel.“

Die Archonten der inneren Stadt (DKDFS 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt