★11.Kapitel★

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Minhos Sicht:

Dienstag Nachmittag.
Ich bin unfassbar müde und trotzdem stehe ich neben Jisung vor dem Tanzstudio.
Wie er es geschafft hat mich mit zu schleppen, weiß ich selbst nicht mehr, aber nun stehe ich hier und beiße mir aufgeregt auf die Lippe. Meine Mom hat uns her gebracht, damit ich nicht mit dem Bus fahren muss, aber selbst die Menschen die an uns vorbei laufen, machen mich irre. Am liebsten würde ich schreien oder weg rennen. Ganz egal.. Hauptsache wieder irgendwo hin wo ich nicht zwischen so vielen Menschen bin.
Jisung hält meine Hand und zieht mich dann mit ins Haus, während ich aufpassen muss nicht mit den Menschen die uns entgegen kommen in Kontakt zu kommen. Ich glaube ich drehe gleich durch und dann halten mich alle für komplett gestört.
"Jisung." flüstere ich und atme immer schneller. Ich hätte zu Hause bleiben sollen.
Ich will nach Hause.
Ich kann das nicht. Scheiße.
Als ob er mich gehört hätte, bleibt er stehen und dreht sich zu mir um.
"Wir haben es gleich geschafft, okay? Dann sind wir mit drei oder vier anderen alleine in einem großen Raum."
Ich nicke schwach und tatsächlich waren wir keine drei Minuten später in einem großen Tanzraum.
Wie lange war ich schon nicht mehr in einem gewesen?
Viel zu lange. Das letzte mal mit meinem besten Freund.
Jisung lässt meine Hand los, geht zu der Musikanlage und verbindet es mit seinem Handy. Kurz darauf ertönt Musik durch den Raum.
"Wo bleiben die anderen?"
Verwirrt sehe ich den braunhaarigen an, der mich leicht angrinst.
"Sie kommen etwas später. Ich wollte erstmal das wir alleine sind, damit du nicht gleich sofort mit meinen Chaoten attackiert wirst. Sie sind ziemlich... ziemlich eigen."
"Mit dir komme ich ja auch klar."
"Du Arschloch!" lacht er und bewirft mich mit seiner Jacke.
Dieses Lachen wird wirklich noch mein Lieblingsgeräusch.
"Aber danke."
Ich lege seine Jacke auf eine Bank und sehe ihm zu, wie er anfängt zur Musik zu tanzen.
Ich beobachte ihm die ganze Zeit, das ich nicht mal mitbekomme, wie ein paar Leute in den Raum kommen. Erst als jemand:"Jisung mein Schatz!" ruft und dieser erschrocken über seine Füße  stolpert und auf dem Boden plumst.
"Hyunjin mein Ehemann!" lacht Jisung, weswegen ich zusammen zucke.
"Du hast Minho wirklich hier her bekommen?" fragt Felix, weswegen dieser grinsend nickt und aufsteht.
"Ich bin halt echt toll. Naja, eigentlich habe ich ihn quasi gezwungen, aber ja."
Der Blondschopf grinst mich an.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal ob er mich mag oder mich nur akzeptiert, weil Jisung mich mag. Was ich immer noch nicht wirklich verstehen kann.
"Minho."
Ich zucke heftig zusammen und balle die Hände in Fäuste.
Langsam sehe ich hoch und schlucke.
Wird dieser Raum immer enger? Ich glaube ich bekomme keine Luft. Panisch ziehe ich meinen Hoodie etwas weg von meinem Körper, doch es wird immer schlimmer.
Jeongin sieht mich einfach nur an und lächelt schwach, was es nicht besser macht. Ich muss hier raus. Aber wenn ich jetzt raus renne, sind da überall Menschen.
Ich hasse Jisung dafür. Wieso hat er das gemacht?
Okay..er kann nichts dafür, aber er weiß wie ich auf Menschen reagiere.
Ich spüre nur wie Jisung die Arme um mich legt, was es etwas besser macht.
Wie macht dieser Junge das nur?
Das macht mir nur Angst.
"Minho...lausch meiner Stimme." flüstert er, greift in meine Hoodie Tasche, zu meinem Handy und Kopfhörer, während er mit mir redet.
Kurz darauf höre ich meine Musik in meinem Ohr und entspanne mich langsam. Vor allem mit Jisungs Geruch.
Die anderen drei sitzen nur vor uns auf dem Boden und beobachten uns stumm.
Jeongin sitzt vor mir.
Und Hyunjin.
Die zwei sind mit Felix und Jisung befreundet.
Naja..
Irgendwie passt es ja.
Es sind alles Idioten.
Langsam drücke ich Jisung von mir weg, stelle die Musik aus, setze mich auf dem Boden und ziehe die Beine an mich.
"Ihr kennt euch?" fragt nun Felix in die Stille und zeigt zwischen uns hin und her.
"Ja..Wir waren beste Freunde, bis er uns von sich gestoßen und nicht mehr aufgetaucht ist."
Die Wut und Trauer ist richtig aus Jeongins Stimme raus zu hören.
Sie würden es doch eh nicht verstehen, wenn ich es versuche zu erklären. Ich kapiere es ja nicht mal selbst.
Jisung greift nach meiner Hand, nachdem er sich neben mich gesetzt hat.
"Gehst du mir etwa fremd?" fragt Hyunjin schmollend.
"Natürlich mein Schatz. Minho ist einfach so viel besser als du." So trocken wie Jisung das sagt, bringt es Felix zum lachen, auch Jeongin lächelte etwas, als ich kurz zu beiden sehe, ehe ich wieder zu Hyunjin sehe.
Gespielt geschockt hält sich Hyunjin an die Brust und lässt sich nach hinten fallen.
"Mein Ehemann betrügt mich einfach! Ich fasse es nicht. Mein Herz ist in tausend zerbrochen. Ich sterbe."
Felix lacht immer mehr und hält sich am Bauch fest.
Es sind immer noch Chaoten.
"Nein jetzt mal ernsthaft. Läuft da was zwischen euch?" fragt Jeongin, als Hyunjin sich wieder ordentlich hingesetzt hat und Jisung ärgert, was andersherum nicht anders ist. Sie mobben sich gegenseitig.
Da haben sich zwei gefunden.
"Nein." sage ich und sehe auf Jisung und meine Hände die ineinander verschränkt sind. In den letzten Tagen ist das irgendwie unser Ding geworden? Keine Ahnung.
Er beruhigt mich und das hat er schon bemerkt.
"Minho, sag Hyunjin, dass ich toll bin!"
Sofort sehe ich zu Jisung. "Hab ich was verpasst? Seid wann bist du toll?"
Hyunjin prustet los, weswegen Jisung bockig seine Wangen auf plustert. Somit sieht er noch mehr aus wie ein Eichhörnchen.
Ein süßes Eichhörnchen.
Felix fängt nun auch wieder an zu lachen und lehnt sich an Hyunjin.
"Ich bin toll! Ihr kapiert das nur nicht, weil ihr alle blind und behindert seid!"
Ich lächle kurz.
"Schätzchen, du weißt das wir dich lieben. Auch wenn du unterbelichtet und nicht sonderlich toll bist."
Hyunjin drückt ihm ein Kuss auf die Wange. Jisung verzieht das Gesicht und wischt sich über die Wange. "Lass deine Bazillen und Dummheit bei dir. Ich will deswegen nicht angesteckt werden!"
Da haben sich wirklich zwei gefunden...
Ich sehe zu Jeongin der mich beobachtet.
"Erkläre es mir."
Sofort umgreife ich Jisungs Hand fester. So wirklich bemerke ich dies aber erst, als er kurz auf schreit.
Sofort lasse ich ihn los und stecke meine Hände in meine Hoodie Tasche.
"Ich glaube so wirklich kann er dir das nicht erklären, I.N. Das ist kompliziert und ehrlich gesagt, versteht man eine psychische Krankheit nicht immer..aber nur weil man es nicht versteht, heißt es nicht das sie nicht existiert. Bei Minho ist es etwas komplizierter." sagt Felix, weswegen der blauhaarige zu ihm sieht und dann wieder zu mir.
"Ich weiß ja, dass du schon immer eigen warst, aber das hat mich nie gestört, schließlich bist du mein bester Freund gewesen, aber plötzlich hast du mich weg gestoßen. Ich habe dich in so vielen Zeiten gebraucht...Minho, ich habe dich vermisst. Jeden einzelnen Tag und jetzt sitzt du hier vor mir und bist immer noch Minho, aber irgendwie auch total anders...Und weißt du was das schlimmste ist? Du hast mich tatsächlich mit Hyunjin alleine gelassen! Mit dieser verdammten Dramaqueen."
"Du Arschloch!"
Hyunjin wirft sich auf ihn, weswegen Felix weg rutscht um Hyunjins Beine nicht ins Gesicht zu bekommen.
Solche Idioten..
"Möchtest du nach Hause?" fragt Jisung. Jedoch schüttle ich nur den Kopf und lehne mich dann gegen die Wand.
"Lasst uns tanzen!"
Jeongin schubst Hyunjin von sich und springt auf, was Jisung und Hyunjin ihm gleich tun.
Felix dagegen setzt sich neben mich und beobachtet die drei lächelnd.
"Du machst Fortschritte." sagt er plötzlich, als die drei nach endloser Diskussion, endlich tanzen.
"Irgendwie schon."
"Jisung schafft es wirklich immer und immer wieder.."
Ich sehe zu ihm. "Wie geht's dir?"
"Ich habe das Gefühl bei jeder Chemo immer und immer wieder zu sterben, weil es einfach nur scheiße weh tut... Hätte ich diesen Deal mit Jisung nicht, oder diesen mit Jeongin, dann hätte ich schon längst aufgegeben."
"Welchen Deal mit Jeongin?"
Den mit Jisung weiß ich ja..aber das mit dem Schlumpf interessiert mich schon.
"Wenn ich gesund bin, wollen wir auf ein Date gehen...Naja, es war mein Vorschlag. Würde ich jetzt schon mit ihm zusammen kommen, würde mein Tod, ihn komplett runterziehen."
"Und was ist wenn du stirbst? Du wirst es bereuen, es nicht eingegangen zu sein, Felix. Du wirst es bereuen und Jeongin genauso.. außerdem sagtest du selbst, dass die Ärzte zuversichtlich sind."
"Das habe ich nur gesagt, damit es Jisung nicht noch mehr runterzieht. Minho, ich werde wahrscheinlich sterben, wenn es in nächster Zeit nicht besser wird und..."
Er stoppt und sieht zu den dreien.
"Sie sind das wichtigste in meinem Leben. Mit meiner Familie. Ich kann ihnen doch nicht sagen, dass es bei mir immer weiter bergab geht.." flüstert er, weswegen ich mir auf die Lippe beiße.
"Wieso erzählst du mir das?"
"Weil ich will das du ihnen hilfst, wenn ich wirklich sterben werde."
Da ich ja auch unglaublich gut mit meinem eigenen Leben klar komme. Wie soll ich dann Jisung und Jeongin oder Hyunjin helfen? Ich meine...Ich kriege ja nicht mal mein Leben auf die Reihe.
"Sag das nicht Felix. Du schaffst das schon. Du bist stark und hast einen guten Willen zum Leben."
Felix grinst kurz. "Ach findest du? Weißt du eigentlich wie oft ich heulend im Bett liege, weil ich nicht mehr kann? Weil alles höllisch weh tut und ich einfach nicht mehr will? Ich will das alles so oft nicht mehr. Aber dann.."
"Aber dann denkst du an die Jungs und an deine Familie und machst weiter, aus liebe und Lebenswillen." unterbreche ich ihn und beobachte dabei Jisung wie er versucht Hyunjin ein Bein zu stellen.
"Minho?"
Ich sehe wieder zu Felix. Ich weiß was er will.
"K-Kann...also...Ich.."
"Ich weiß nicht wie lange ich das ertrage, ohne eine Panikattacke zu bekommen, also beeile dich."
Kurz darauf schlingt er seine Arme um mich und drückt sein Gesicht in meine Halsbeuge.. Wie lange er das wohl schon für sich behalten hat? Er will niemanden Angst und weitere Sorgen bereiten, was seine Krankheit angeht, die ihm wohl immer und immer mehr zu schaffen macht.
Ich kralle meine Hände in meine Oberschenkel. Ich möchte ihm Halt geben, weswegen ich versuche nicht sofort in Panik zu verfallen. Was einfacher gesagt als getan ist.
"Ey Jisung! Deine Affäre geht selbst fremd."
Sofort sieht Jisung zu uns und lächelt. "Soll er ruhig machen. Felix und ich teilen eh alles."
"Ich kann Jisung das nicht sagen, Minho..Ich kann ihm nicht sagen, dass meine Chance das zu überleben immer schlechter wird.." haucht Felix in meine Halsbeuge.
"Ist schon okay. Ich behalte es für mich..Wenn du möchtest, kann ich dich auch mal mit zur Chemotherapie oder zum Arzt begleiten."
"Würdest du das überhaupt ertragen? Da sind ziemlich viele Menschen und so.."
Auch wieder wahr..
"Wahrscheinlich werde ich eine Panikattacke erleiden, aber egal."
Felix lacht.
"Sollte ich mir Sorgen machen, dass du mich durch Felix ersetzt?"
Jisung setzt sich vor uns.
"Solltest du. Felix ist viel erträglicher als du."
Empört schnappt er nach Luft und hält sich an der Brust fest.
"Lee Minho, du hast mir somit grade das Herz gebrochen. Ich hoffe das weißt du."
"Ja."
Hyunjin und Jeongin fangen an zu lachen.
Ich wollte niemals wieder Menschen in mein Leben lassen. Und jetzt?
Jetzt habe ich Jisung und Felix schon viel zu sehr in mein Herz geschlossen...Dazu noch Jeongin und Hyunjin.
Ich habe Angst davor einen großen Fehler gemacht zu haben..Angst unglaublich stark verletzt zu werden...Angst einen von ihnen zu verlieren.
Ich drücke Felix von mir, als es mir zu viel wurde. Diese Gedanken und Ängste machen mich fertig.
Ich muss hier weg.
Schnell stehe ich auf und verlasse den Raum ohne was zu sagen. Schnell schreibe ich meiner Mom eine Nachricht, die zum Glück kurz darauf da war und ich ins Auto steigen kann.
"Schatz?"
"Ich kann das nicht Mom. Ich kann sie nicht in mein Leben lassen. Es geht einfach nicht. Es würde nur schlimm enden und..."
Ich kralle meine Finger wieder in meine Oberschenkel um mich unter Kontrolle zu bringen.
"Engel...ich glaube das ist schon zu spät."
"Dann muss ich sie wieder von mir stoßen. Ich kann das einfach nicht. Ich werde es niemals können. Es...Es geht einfach nicht. Diese Gedanken und Ängste machen es nur schlimmer, sobald ich..."
"Minho, jeder hat Angst davor. Ja man verliert immer mal wieder jemanden, aber man wächst daraus und wird stärker! Wenn du jedes mal vor einer Freundschaft oder sonst was weg rennst, dann wird es nicht besser. Nein du machst das alles nur schlimmer, kapierst du das denn nicht endlich? Du brauchst Freunde und du hast endlich wieder welche, die dich akzeptieren und dir helfen wollen! Dann nimm es auch endlich an und lass dir helfen, verdammte scheiße!"
Sie wurde immer lauter, weswegen ich mich immer weiter in den Sitz sinken lasse.
Dann ist es ruhig zwischen uns, während sie nach Hause fährt.
"Wusstest du es?" frage ich leise.
"Was?"
"Das Dad gegangen ist, weil er sterben würde? Das er es mich nicht erleben lassen wollte? Wusstest du das?"
Nun wird sie blass.
Sie wusste es also.
"War er alleine als er starb?"
"Ich war bei ihm. Es war am fünfzehnten Mai...du warst grade in der zweiten Klasse, als er starb." sagt sie und schluckt.
Wenigstens war er nicht alleine...
Ich steige aus, als sie vor unserem Haus parkt, öffne die Tür und renne dann hoch in mein Zimmer um mich dort ein zu sperren. Ich brauche Ruhe um damit erstmal klar zu kommen.

Cause I like you (boyxboy)Where stories live. Discover now