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Schon seit einer halben Stunde saß ich unten in der Küche und sah meinem kleinen Bruder dabei zu, wie er seine frisch gekochten Nudeln in sich hinein schaufelte. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen als der kleine Junge kauend von seinem Teller aufsah und mich anschaute.

"Schmeckts?", ein eifriges Nicken kam als Antwort. "Fast so wie bei Mama!", schmatzte der Kleine vor mir. Er nannte die neue Freundin von unserem Vater immer Mama, kannte seine eigentliche Mutter nicht ein mal wirklich. "Na dann ist ja gut", ich grinste ihn so glaubwürdig wie es eben möglich war an und stützte mich auf die Theke vor mir. "Ich hab dich lieb kleiner" flüsterte ich und beobachtete ihn weiter.

Er stockte, sprang auf und schlang die Arme um meine Taille. Ein Kichern entfloh meiner Kehle als er mich fest drückte und sich an mich kuschelte. Ich drückte ihm nen Kuss auf den Kopf und legte eine Hand auf sein helles Haar, ich wollte nicht mit ihm gehen...

"Können wir raus gehen? Ich bin noch gar nicht müde" hörte ich Jonnys gedämpfte Stimme an meiner Brust, ich überlegte. "Ich kann mich aber nicht verwandeln wegen der Ohren lang ziehen Aktion" sah ich auf den Jüngeren herunter der sein Kinn gegen meine Brust lehnte "aber du kannst trotzdem mit mir spielen"

Er grinste mich mit seinen großen, weißen Zähnen an und ich gab mit nem kleinen Schnauben nach, mahnend hob ich die Augenbrauen "wir bleiben im Garten klar?"

Er sprang vor mir auf und ab, und da war er auch schon in Richtung Wohnzimmer verschwunden. Jonny hatte sich recht früh verwandelt, das erste Mal mit neun, hatte aber noch zu kurze Beine um im Rudel mit halten zu können, weshalb er an Vollmond immer zu Hause bleiben musste. Langsam folgte ich der Spur aus Klamotten und sah dann zu dem kleinen gescheckten Wolf welcher seiner eigenen Rute nach jagte.

Klein hieß so viel wie ein Meter zwanzig auf Höhe der Schulter. Langsam ging ich auf ihn zu und piekste in seine ungeschützte Seite, er sah mich erschrocken an und sprang zurück. Ein kurzes Auflachen entfuhr mir und ich vergaß für einen Moment, dass oben in meinem Zimmer noch jemand stand und wahrscheinlich wartete.

Ich rangelte mit meinem kleinen Bruder herum, versuchte ihn irgend wie müde zu bekommen. Die Luft war kühl und klar, der Mond beleuchtete die feuchte Wiese und ich spürte das weiche Gras unter meinen Füßen. Angenehm und sanft kitzelte es zwischen meinen Zehen.

Das hin und her rennen mit dem Vierbeiner vor mir ließ meinen Körper langsam warm werden, der kühle Wind wurde zu einer angenehmen Abwechslung. Ich begann zu lachen als mein Bruder weg rutschte und über den Boden rollte, verdattert lag er im Gras und sah mich an.

"Ich muss ja gar nichts machen damit du fliegst" erneut lachte ich auf, dann wurden mir die Beine weg gezogen und ich kam quietschend auf dem Boden auf. Der junge Wolf neben mir begann mein Gesicht ab zu lecken welches ich angeekelt verzog. "Jonny hör... lass... IGH!"

Schnell sprang ich von ihm weg und sah ihn tadelnd an, er gähnte und streckte sich. *Müde?* er knurrte, ich grinste. "Hopp zieh dich an und dann ab ins Bett", damit drehte ich um und ging zurück ins Wohnzimmer, blieb aber wie angewurzelt stehen, als im Türrahmen die Gestalt des Fremden zu erkennen war, welcher von dem sanften Licht beleuchtet wurde. Wenn diese Kälte nicht durchgängig in seinen Augen stehen würde, welche mich gerade von oben bis unten ansahen, könnte man ihn als hübsch bezeichnen. Doch seine Art und Weise machte das Äußere ohne Vorwarnung komplett zur Nichte.

In diesem Kurs hatte er so anders gewirkt, aber das war wohl offensichtliche Einbildung gewesen.

"Alles okay?" Wieder die müde Stimme hinter mir, ich sah über die Schulter zu meinem Bruder welcher gerade in seine Hose geschlüpft war und sich das T-Shirt schnell über zog. "Ja alles gut, mach dir nicht so viele Gedanken.", ein recht mattes Lächeln zierte meine Lippen. Als ich wieder nach vorne sah, war der Türrahmen leer.

"Komm ich bringe dich ins Bett", ich schob Jonny vor und in Richtung seines Zimmers. Zum Glück schien er durch das Spielen vergessen zu haben, dass er eigentlich bei mir oben schlafen wollte. Ich machte das Licht in seinem weiß gestrichenen Zimmer an und führte ihn zu dem hölzernen Einzelbett welches gleich unter seinem Fenster an der Wand gegenüber stand.

Er legte sich hin und ich setzte mich an sein Bett, die schwarz bezogene Decke unter die Nase gezogen atmete der kleine Junge durch und schloss müde die blauen Kulleraugen. Ich sah zu der kleinen Narbe an seiner Wange und versank einen Moment lang in Erinnerungen.

Als er endlich eingeschlafen war klippste ich das Licht wieder aus und küsste leicht seine Stirn, hörte direkt hinter mir ein leises Knurren und verdrehte die Augen. "Er ist mein Bruder und ich gehöre nicht dir, also hör auf dich so auf zu führen" zischte ich ihn an und schob ihn heraus aus dem Zimmer meines schlafenden Bruders.

"Du gehörst mir und das wirst du auch noch einsehen", ein erneutes Knurren welches mir die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, ich schnaubte nur trotzig. "Einem Typen der eifersüchtig auf meinen Bruder ist, mir nicht ein mal seinen Namen sagt, in mein Haus einbricht und es in nicht ein mal einer Stunde geschafft hat, dass meine Wölfin nicht mehr spricht?! Wo von träumst du bitte nachts."

Kurz war er still, sah mich einfach nur mit angespannten Kiefer an. "Mir ist scheiß egal was mein Vater dir versprochen hat, ich bleibe hier." Meine stimme war erstaunlich ruhig, was vermutlich an meiner eigenen Müdigkeit lag.

"Raelynn.", seine Stimme war monoton und kalt. "Was?" Ich schnaubte und sah ihn wieder an. "Mein Name ist Raelynn."

Ironisch lachend schüttelte ich den Kopf und ging an ihm vorbei in Richtung Wendeltreppe. "Na dann Raelynn. Von mir aus schlaf in deinem Auto aber verschwinde aus meinem zu Hause." Damit schliff ich mich selber hoch in mein Zimmer und ließ mich in die Kissen meines Bettes fallen.

Sein Geruch lag noch immer in der Luft und drehte mir den Magen um. Ich drehte mich zur Fensterfront und sah zum Mond welcher die Welt gerade beleuchtete. Mein Körper fühlte sich so unfassbar schwer an, ich spürte jeden einzelnen Herzschlag in jeder meiner Adern und das Bild vor meinen Augen verschwamm ohne, dass ich es überhaupt noch wahr nehmen konnte.

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1070 Wörter

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt