7 ▪ Erinnerung und Schneewittchen

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Als ich das letzte Mal den Amulett-Express meiner Unterweltbekanntschaft in Anspruch nahm, war er nicht so aufregend gewesen. Kein Kino, kein Zwischenstopp, keine Snacks. Diesmal gibt es alles inklusive, abgesehen von den Snacks. Nicht, dass das schlimm sei. Ohne jemandem etwas vorzuwerfen, auf die ranzigen Nachos der Totenheime kann ich verzichten.

Flimmernde Silhouetten und ferne Klänge schmücken mein düsteres Sichtfeld, als hätte ich in eine Lampe gestarrt und daraufhin die Augen geschlossen. Leuchtende Dreiecke vermischen sich mit Baileys Umrissen, Madisons Kichern rauscht durch meinen Kopf hindurch. Ich kann nicht einordnen, was ich da beobachte, aber es ist auf jeden Fall voller blinkender Farben und abenteuerlich, wie das Musikvideo von Seven Nation Army.

Die von stechenden Lichtern durchzogene Dunkelheit wuchert in dichten Nebel über. Ich spüre, wie mein Leib Gestalt annimmt und es mir erlaubt, die Lider zu öffnen. Allerdings bin ich nicht zuhause. Eine gewaltige Kuppel spannt sich über den Saal, in welchem ich mich befinde. Ich steckte bis zu den Waden in einer wabernden Nebelsuppe, die sogar die hohen Wände emporkraxelt.
Niemand hält sich in dieser verunstalteten Version der Lobby auf, bis auf einen gewissen Geist. Señora Ludwig schwebt lächelnd vor der Tafel, dort, wo Madison herumgelungert hatte, als ich sie kennenlernte.

,,Sei gegrüßt. Ich habe dich erwartet", zwitschert sie.
Mein Herz beginnt zu rasen wie bei einem Sprint. Sicherlich ist ihr das Begebnis in der Villa nicht durch die Lappen gegangen. Ist Señora Ludwigs Freundlichkeit diesmal wirklich gefälscht, der Köder für eine dreckige Falle? Ist die Teleportation schief gelaufen?
Ich will Abstand zwischen uns bringen, aber meine Glieder regen sich bloß schwerfällig, als wäre das kondensierte Wasser unter mir Morast. Ich komme mir durchscheinend und surreal vor, als sei ich selbst ein Gespenst.

,,Lass die Panik, ich hege keinen Groll gegen dich", beruhigt mich Señora Ludwig. Ich bin kein Experte darin, Lügen aus Aussagen zu filtern, aber bei ihr strotzt jede Silbe vor Ehrlichkeit. So ist sie einfach. ,,Madison hat mir von deinem Gelöbnis berichtet. Was du für uns tust, ist unübertrefflich gnädig. In meinen vielen Jahren überraschen mich eben immer noch Wunder".
Ludwig streckt die Arme aus, als wöllte sie es Pokale regnen lassen. ,,Deshalb habe ich dich abgefangen. Um Lebewohl zu sagen".
Dass ich mal für jemanden unübertrefflich gnädig bin, muss in mein persönliches Guinness-Buch der Rekorde, denke ich und wiege mich in der Erleichterung, dass Adriane sich doch nicht an mir rächen will.

Madison kann fast so hämisch drauf sein wie Miguel. In unserem Nachleben würde ich auf jeden Fall mit ihm in die Totenheime von San Francisco wandern, eine Operation Valentinstag 2.0 organisieren und die beiden miteinander verkuppeln. Denn als das dämonische Mädchen mir die Hand auf die Schulter gelegt hatte, stellte ich mich final darauf ein, dass ich das Morgengrauen nicht mehr erleben würde. Parallel hatte ich meine schlotternden Knie gezwungen, mich nicht im Stich zu lassen. So ergab sich, dass eine wackere Einstellung, gepaart mit Verzweiflungstaten, zu den verrücktesten Kompromisse führten- und ich noch am Leben war.

,,Das ist... zuvorkommend". Ich hebe die rechte Hand, um mir wie ein Milchbubi aus der Parfüm-Werbung an die gerötete Wange zu fassen. Bevor ich mir das Gesicht damit zerkratze, fällt mir auf, dass ich eine schneeweiße Rose zwischen den Fingern halte. Ihre Dornen verhaken sich im Saum meines Ärmels, wodurch meine Gedanken absurderweise zum Häkeln von Voodoopuppen abschweifen.
,,Eine hübsche Blume, die du da hast", bemerkt die Anwesende.
,,Ich bin mir nicht sicher, wieso die hier ist. Vielleicht habe ich sie unbeabsichtigg mitgenommen". Ich halte inne. ,,Nimm du sie. Als Abschiedsgeschenk".
,,Dem sei so", gurrt Señora Ludwig.

Sie bleibt an Ort und Stelle, denn zu mir zu fliegen, könnte mich verschrecken. Das weiß sie. Stattdessen wate ich zu ihr, Schritt für Schritt, bis es Adriane möglich ist, mir die Blume aus der Hand zu pflücken. Sie lässt sie durch ihre vom Alter gegerbten Finger gleiten. ,,Wie entzückend! Woher erhält man solche Prachtstücke?"
,,Im Garten meiner Großeltern wachsen die. Das ist Schneewittchen, eine Strauchrose".
,,Höre ich da den Botaniker in dir?"
Ich lache, was nach dem ganzen Schock eine befremdliche Reaktion ist. ,,Übertreiben Sie nicht".

,,Also, ich darf sie wirklich behalten?", fragt Señora Ludwig.
Ich mustere die Feinheiten des gedornten Stängels und der zarten, rosaweißen Blüte ein letztes Mal. Sie sind tellerartig geformt wie der Unterrock der Magd und von feinen Rillen durchzogen wie der seidene Stoff ihres Kleides. Ich entscheide: ,,Ja. Sie gehört euch".
Ihr freudiges Strahlen verdoppelt sich. ,,Du schmeichelst mich. Wenn wir es mit Liebe pflegen, können wir uns für immer an dich erinnern!" Señora Ludwig saugt den Duft der Blume ein, als entdecke sie die Welt gerade erst.

Hier könnte ein zynischer Kommentar stehen, aber zugegebenermaßen nimmt eine angenehme Wärme meinen Brustkorb ein, die ich nicht herunterspielen kann. Es ist, als wäre die Gutmütigkeit der Geisterdame klarer geworden, sodass ich sie ehrlich genießen kann und keine Zweifel hegen muss, ob die Alte noch alle Latten am Zaun hat.
,,Das weiß ich zu schätzen".

Erinnerung- unser Anker in dieser Welt, wenn wir ins Gras beißen und unsere Knochen unter der Erde zerbröseln wie Papier. Ein eigenartiges Elixier, dessen Wert die Wiederauferstandenen früher erkannt hatten als ich; weil es das einzige war, welches sie noch an diese Welt band.
Und ein Verlangen, das wie jedes andere eine Schneise der Verwüstung mit sich führt, wenn es das einzige ist, das einen antreibt.

Meine Erinnerung an diese Tour würde niemals ermatten. Über Reisighäufen in der Wohnung einer Voodoopuppe, schleimige Zombies und unerschütterte Ghul-Ninjas könnte ich noch im Schaukelstuhl schmunzeln. Selbst ohne Versprechen wäre es so. Für Madison hatte es die Erfüllung eines ewigen Wunsches bedeutet, dass ich ihr geschworen hatte, sie niemals in meinem Gedächtnis verblassen zu lassen, und für mich die Billigung meiner Heimkehr. Ihr Arm mit der Kettensäge erschlaffte. ,,Ich gestehe das ungern, aber Bailey hat recht: Du bist etwas Besonderes".

Nach genügend Albträumen schien selbst am wolkenverhangensten Himmel irgendwann die Sonne.

Die flackernde Frau weicht mit einem Nicken zurück. ,,Lebe wohl, Connor. Und vielen Dank".
Señora Ludwig hebt die Rose, um sie sich in das blonde Haar zu flechten. Während ihre Grübchen erregt schimmern wie hunderte zu Streuseln zerkleinerte Opale, verschlingt mich der Nebel.

So endet es mit rund 12

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So endet es mit rund 12.000 Wörtern und einer zufriedenen Ashley. Ich hoffe, dass sich der ein oder andere hierfür begeistern konnte, denn Meinungen sind gerne gesehen. Ihr dürft auch Witze erzählen oder so was.

Habt einen schönen Tag!

When a nightmare saves the sun 🌙जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें