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[antworten]

|hermine|

Hogsmeades Straßen waren wie leergefegt. Der raue Wind schlug alle, die keine wichtigen Besorgungen machen mussten, in die Flucht. Der kühle Regen der verhangenen Wolken sammelte sich in Pfützen, die die kleinen Lampen an den Fassaden der Läden widerspiegelten.
Der frühe Abend hatte Hermine einen angenehmen Feierabend geschenkt, den sie mit Besorgungen für den Haushalt und das Büro ausfüllte. Zuhause sitzen und zerdenken, was vor einigen Tagen in Draco's Wohnung geschehen war, hielt sie für wenig sinnvoll.

Eigentlich gab es nicht viel zu zerdenken.
Sex. Es war einfach nur Sex. Nichts verbindliches. Nur blöder, anstrengender, ausgelassener, angenehmer, beinahe atemberaubender Sex.
Scheiße, Hermine!, fuhr sie sich selbst an. Konnte ja nicht wahr sein, dass Draco Malfoy mit ein bisschen Bettgeplänkel ihre Gedanken eroberte.
Es. War. Bloß. Sex.

Hermine trat aus dem schützenden Vordach von Madame Malkins Geschäft und spürte augenblicklich das Nass des Himmels.
Der Mantel, den Hermine trug saugte die Tropfen förmlich auf und wurde unangenehm schwer auf ihren Schultern.
Ihr Blick brannte sich im Schaufenster von Schreiberlings Federladen fest, in welchem eine große, goldene Schreibfeder ausgestellt stand. Die Gravierung und die Verzierung ließ sie edel wirken und erklärte den unbezahlbaren Preis, der auf einem kleinen Kärtchen daneben stand.

Auf einmal hörte Hermine ein lautes Prasseln. Als würde jemand einen Regenmacher umdrehen, die Teile aus Plastik, die damals im Kindergarten das Spielzeug waren, das jedes Kind haben wollte, auch wenn es eigentlich nur ein billiges Stück giftiges Plastik war.
Auch ihr Mantel wurde von Sekunde zu Sekunde nicht mehr schwerer, weshalb Hermine nun einen Blick gen Himmel wagte.
Eine schwarze Wand zog sich über den Himmel, die es so dunkel werden ließ, dass die Brünette es eine Sekunde mit der Angst zu tun bekam.
Bis sie erkannte, dass das über ihrem Kopf ein gespannter Regenschirm war, und keine Unwetterfront.

In einer langsamen Bewegung drehte sie sich nun herum und blickte gegen eine weitere schwarze Wand aus Pullover und Mantel. Hermine neigte den Kopf etwas nach oben und blickte geradewegs in die zwei, nur allzu vertrauten, grauen Augen.
Unbehagen kam in ihr auf und sie versuchte es mit einem trockenen Schlucken zu ersticken. Vergebens.

"Fändest du einen Regenschirm nicht angebracht, Granger?", die vertraute Melodie seiner Stimme nahm ihr ein Stück der Unruhe ab, bis sie daran zurück dachte, welche Augenblicke sie miteinander geteilt hatten. Was sie zueinander gesagt hatten.

"Ich war ja nur schnell–", sie deutete vage hinter sich, "Besorgungen, naja.", die Unsicherheit in ihrer Stimme machte sie sauer. Auf sich selbst, und auf Draco, dass er diese Macht über sie hatte, nach nur einer bescheuert schönen Nacht.

"Passt in deinen Zeitplan ein Getränk?",
"Draco–",
"Granger.", er klang ungewöhnlich streng, "Es einfach zu ignorieren macht es nicht angenehmer. Bitte, ein Getränk mit mir und du kannst deinen süßen Hintern in einer Stunde schon wieder nach Hause bewegen.", ein leichtes Lächeln überflog Hermines Lippen.
"Meinen süßen Hintern?", langsam ließ sie sich vom Bordstein auf die mittlere Gasse sinken und schlenderte dann neben Draco unter dem Regenschirm in die Richtung des drei Besens.

"Süß ist noch ziemlich unschuldig ausgedrückt.", Dracos Lippen lächelten, das konnte Hermine hören ohne ihn anzusehen.
Je näher die beiden dem Pub kamen, desto voller wurde die Straße. Betrunkene hielten sich an Fassaden fest, Pärchen tranken ein Bier aus der Hand, ältere Hexen und Zauberer traten ihren alltäglichen Trinkgang an.

Etwas zehn Meter vor dem Eingang strauchelte ein Betrunkener auf Hermine und Draco zu.
Er trug einen braunen Mantel, der nicht vom Regen durchtränkt war, sondern von Schnaps. Als er einen großen Schritt nach vorn tat, streckte er seine Hand aus und startete einen Versuch, sich an Hermines Schultern aufrecht zu halten.
Ein Ruck riss die Brünette beiseite und nur eine Sekunde später atmete Hermine das herbe Aftershave ein, welches sie nur zu gut kannte. Ihre Nase drückte an Dracos Brust und seine Hand hielt sie so fest umklammert, dass sie seine Fingerkuppen durch den Mantel spüren konnte.

"Verzieh dich, Penner.", zischte er und schob Hermine einige Schritte weiter. Dann ließ er von ihr ab und drückte sie an ihren Schultern von sich, um sie beäugen zu können.
"Alles okay?",
"Nur erschrocken.", flüsterte Hermine und rückte ihren feuchten Mantel zurecht. Draco nickte steif und deutete ihr mit einem Arm gen Pub, weiterzugehen.

Madam Rosmerta beseelte die zwei mit einem breiten Lächeln und begann schon ihre Getränke vorzubereiten, bevor sie am Tresen ankamen.
"Dass man euch beide nochmal zusammen erlebt.. Wunder gibt es doch.", Hermine fuhr sich unwohl über den Unterarm.
"Niemanden wundert es so sehr, wie mich.", murmelte Draco. Hermine warf ihm einen Blick zu und erwartete ein schelmisches Lächeln. Doch da war nichts. Draco's Miene war leer, kein Ausdruck.

Madam Rosmerta schob ein Butterbier und einen Feuerwhisky über die Theke. Draco ergriff beide und ging schnellen Schrittes an einen Tisch, der in einer Nische stand. Hermine setzte sich zu ihm auf die gegenüberliegende Bank und schaute starr auf ihr Butterbier hinab.
Was sollte sie sagen? Was gab es zu sagen? War es nötig etwas zu sagen?
Es war bloß Sex. Nichts weiter. Leute hatten andauernd Sex, One Night Stands.
Aber wieso fühlte es sich dann nicht nach einem an? Irgendetwas drückte sich gegen ihre Rippen, von innen, wenn Hermine an die Küsse dachte, die Berührungen, die dreckigen Spielchen, den Morgen danach.
Da war so viel mehr gewesen als Sex.

"Granger.",
"Hm?", sie schreckte hoch und stieß dabei an ihr Butterbier, welches gefährlich wankte und nur mit Glück rechtzeitig von ihren zitternden Händen eingefangen wurde.
"Zieh' den Stock aus deinem Arsch.", empört über diese flapsige Wortwahl trat Hermine, etwas kräftiger als nötig, gegen Dracos Schienbein. Der blonde Mann jaulte auf, grinste jedoch diabolisch. "Dass du auf Schmerzen stehst musst du mir nicht mehr sagen.", rot. Sie spürte es. Sie wurde rot.

"Hat sich Weaslebee nochmal gemeldet?", überrascht, über den plötzlichen Themenwechsel, schaut sie auf in die grauen Augen. Für einen Moment befürchtet sie, nie wieder wegschauen zu können.
"Nein. Ich glaube, den Abend hatte er anders geplant.",
"Dann haben wir ja alles richtig gemacht.", das Grinsen auf Dracos Lippen verunsicherte Hermine.
"Haben wir das?", sie trank einen Schluck und drehte den Krug anschließend zwischen ihren Fingerkuppen, "Ich meine.. Haben wir das wirklich?",
"Weiß ich nicht.", er verstand den eigentlichen Inhalt der Frage. "Manchmal ist es besser, einfach nicht nachzufragen.",
"Richtig.", erwiderte Hermine, doch eigentlich sah sie das anders.

Sie wollte nachfragen. Sie wollte Antworten bekommen. Gewissheit haben.
Doch vielleicht hatte Draco recht.
Vielleicht lag ja ein gewisser Reiz in der Ungewissheit, welchen sie bisher nie zu spüren bekommen hatte. Denn Hermine Granger hatte immer Antworten. Auf alles.
Nur jetzt, wo Draco Malfoy in ihrem Leben eine Rolle spielte, hatte sie keine mehr.
Und etwas daran gefiel ihr, war neu.
Und etwas anderes daran machte ihr Angst.

what do i say to you? | dramioneWhere stories live. Discover now