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[aufräumen]

|draco|

Je länger Hermine ihn anstarrte, desto ungeduldiger wurde er. "Granger,", sie schaute ihn nicht an, "nimm jetzt dieses hässliche Bild und wirf es weg. Dir jeden Tag einen Menschen anzuschauen, den es nicht mehr für dich gibt, macht krank."

Nun richtete sie doch ihren Kopf auf und tat einen langsamen Schritt auf die Fensterbank zu. Draco blieb still, um sie nicht in ihrem frisch angeregten Denkprozess zu stören.
Langsam umgriff ihre Hand den Rahmen. Sie starrte das Bild an und Draco sah ihr an, wie sehr sie sich nach diesen Zeiten sehnte.
Mit einer kaum bemerkbaren Bewegung hatte er einen Schritt auf sie zu gemacht und sprach nun direkt über ihre Schulter.

"Sobald du das erste weggeschmissen hast, ist der Rest ganz leicht.", als Hermine noch nicht reagierte, ließ er seine Stimme etwas aufhellen. "Wirf es ruhig nach mir, mit all deinem Zorn. Das zählt heute Abend auch als Überwältigung."

Das ließ sich Hermine nicht zwei Mal sagen. Mit einem Hieb, den selbst Draco nicht hatte kommen sehen, feuerte sie den Bilderrahmen an Dracos Brust. Ein Keuchen entfloh ihm, ehe er es in den Müllbeutel fallen ließ und dies mit einem selbstgefälligen Lächeln kommentierte.

Hermine begann nun ein Bild nach dem anderen abzunehmen. Viele starrte sie noch eine Weile an, ehe sie schwungvoll ausholte und sie Draco an die Brust warf.
Das Wohnzimmer leerte sich. Hermine hatte so zahllos viele Bilder aufgestellt, dass sie damit das Louvre hätte füllen können.

"Kann ich das hier nicht–", als Hermine in das Kopfschütteln von Draco aufsah seufzte sie schwer.
"Das tut wirklich weh.", kommentierte sie, als sie den letzten Rahmen, auf dem sie auf Weasleys Schoß saß, im Müllsack versenkte.
"Ich weiß.", Draco brachte kaum mehr als ein Flüstern hervor.

"Komm mit, ich habe noch Klamotten von ihm.", Draco folgte der, scheinbar doch motivierten Gryffindor, in ihr Schlafzimmer. Der Wandschrank sah etwas altersträge aus. Doch von innen hätte er natürlich auch eine Mode Boutique sein können, so aufgeräumt und sortiert war er.

Als sie einen Pullover hervorzog und ihn Draco entgegen warf, der noch immer im Türrahmen stand, fasste dieser den dunkelblauen Pullover bloß mit dem Daumen und Zeigefinger an. "Unglaublich was dieser Mann anzieht.",
"Ich mochte den Pulli.", murrte eine Stimme aus den Tiefen eines Klamottenhaufens.
"Verwundert bin ich nicht.", schnaubte Draco vornehm und stellte den Müllsack nun ab, da es doch langsam auf die Arme ging.

Nach einer weiteren Viertelstunde hatte sie es vollbracht. Der Müllsack war bis zum Anschlag gefüllt und Hermine hatte ihn eigenständig in die Tonne gebracht. Das war, laut Draco, ein wichtiger Teil des ganzen Prozesses.
Vielleicht aber auch die Faulheit, die sich in ihm ausbreitete, je später die Stunde wurde.
Als sie wieder durch die Tür hineinkam, hatte Draco ihren Kühlschrank durchforstet und saß nun am Küchentisch vor zwei Gläsern und einem Wein.

"Abschlussritual.", warf er lässig ein, als er ihren ungläubigen und doch amüsierten Gesichtsausdruck sah.

|hermine|

Wiederwillig setzte sich Hermine ihm gegenüber und ließ sich einschenken. Während Malfoy die Flasche über ihrem Glas senkte, nahm sie sich die Zeit und betrachtete ihn.

Blonde Strähnen fielen ihm in die Stirn, wie er sich nun leicht vorgebeugt hatte. Die grauen Augen starr auf das Glas gerichtet. Sein Pullover war tatsächlich ein lässiger Pullover mit weißem Kragen, was eine sehr elegante und doch lässige Note addierte.
So wie sie ihn ansah, musste sie sich eingestehen, dass Draco Malfoy wohl tatsächlich kein unattraktiver Mann war.

Eigentlich war es nie ein Geheimnis. Das hatte sie damals schon unter den peinigenden Blicken von Ginny ausgesprochen; «zu dem ist er nicht mal hässlich, und das kotzt mich mehr an als irgendwen sonst», hatte sie damals im fünften Schuljahr zu ihrer Freundin gesagt.

Mittlerweile hatte sich der breitschultrige, jedoch ansonsten schlanke Mann zurück gelehnt und sein Glas angehoben. Hermine tat es ihm gleich und stieß mit ihm an, was ihr in Anbetracht zu ihrer letzten Unternehmung sehr seltsam vorkam.

"Ich stoße mit Draco Malfoy darauf an, dass ich meinen Freund weggeschmissen habe.", brach es aus Hermine heraus ohne, dass sie sich nochmal Gedanken über die Entgegnung Malfoys machen konnte.

"Und ich komme dafür vermutlich in die Hölle.",
"Kommst du eh. Das hat hiermit nichts zu tun.", das Grinsen auf Hermines Gesicht sollte ihm ein Gefühl von Ironie vermitteln, und dass sie es eigentlich nicht Ernst meinte, wenn sie auch doch schon ab und an ernsthaft dran gedacht hatte.

"Vermutlich.",
"Malfoy!", fauchte die Brünette über ihren Glasrand. "Du kommst nicht in die Hölle, weil du in Erwartungen hinein geboren wurdest. Vielleicht eher, weil du ein Arschloch bist."

"Ich komme in die Hölle, weil es mich sechs Jahre gebraucht hat, bis ich den Wendepunkt erfahren habe.", einen Moment schaute er Hermine an, um wohl eine Reaktion von ihr abgingen zu können.
Doch Hermine blieb still sitzen.

"Wann war dieser Punkt?", die Frage schwirrte ihr tatsächlich schon länger im Kopf herum. Dass Draco Malfoy nicht Alles aus freien Stücken getan hatte, war spätestens nach seinem Prozess klar. Eigentlich aber auch schon lange vorher. Und diese eine Frage, wann er es denn gemerkt hätte, kribbelte ihr schon seit geraumer Zeit auf den Lippen.

Mit dem Blick in seinem Weinglas, welches er leicht im Kreis schwenkte, verzog Malfoy das Gesicht zu einer trostlosen Miene. "Ich weiß nicht.. dass etwas falsch läuft habe ich schon im fünften Schuljahr bemerkt, wenn nicht sogar schon im vierten, als der dun–", er schaute, erschrocken über sich selbst, auf.
"Ist schon okay.", nickte Hermine leicht lächelnd ab.
Draco fuhr fort.
"als Voldemort Cedric Diggory getötet hatte. Das war so unerwartet und plötzlich. Dazu war ich erst fünfzehn. Aber der eigentliche Moment, in welchem ich mich tatsächlich gegen Alles auflehnen wollte, war ein einsamer Moment. Nicht einsam, weil Niemand bei mir war. Sondern, weil Niemand bei mir war, der mich verstand, auch wenn ich es gewohnt war; das war damals besonders einsam.", er machte eine Kunstpause, die sich für Hermine fast wie eine Denkpause anfühlte. "Das war einige Minuten nach Dumbledores Tod. Wir waren in der Großen Halle, haben quasi alles zerstört was uns im Weg war. Und während Bella neben mir auf den Tischen tanzte, und mir die Glassplitter der Fenster um die Ohren rauschten, bekam ich Angst. Weil alles, was ich in meinem Leben getan hatte, falsch gewesen war."

Die schreckhaft ehrliche Antwort verschlug Hermine für einen Moment die Sprache, ehe sie sich für aufmunternde Worte entschied.
"Du hast nicht alles falsch gemacht. Du hast sogar etwas sehr hilfreiches getan.", Malfoy schaute sie fragend an, "Mit dem Zettel, meine ich. Im zweiten Schuljahr.", Malfoy nickte nun.

"Ich weiß nicht mal, wieso ich das getan habe.",
"Aber du hast es getan. Und mehr hinterfragt man nicht."

what do i say to you? | dramioneWhere stories live. Discover now