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[mal mehr, mal weniger]

|hermine|

Die Sonne neigte sich dem Horizont. Die Lampen am Straßenrand sprangen nach und nach an und Hermine saß auf ihrem Sofa. Neben ihr Ginny.

"Ich verstehe dich nicht.", seufzend griff Ginny nach einer Kürbispastete. "Ich dachte, du wärst klug genug um zu wissen, wer Draco Malfoy wirklich ist."

"Wir alle waren zu blind um zu wissen, wer Draco Malfoy wirklich ist. Er ist gar nicht so schlimm, ehrlich.", selbst für Hermine klangen diese Worte fremd. Etwas Nettes über Draco Malfoy sagen; das hatte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen können.

"Er war derjenige, der nach mir sah als Ron alles kaputt gemacht hat.", Hermine versuchte einen Hauch von Einsehen auf Ginnys Gesicht entdecken zu können. Doch sie tat sich recht schwer damit.

"Ich kann ja verstehen, dass er charmant war und dass dir sein Ron-Vernichtungs-Prozedere gefallen hat, aber–",
"Aber was? Es war nett. Das kannst du nicht leugnen."

"Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dahinter kein Haken sein sollte. Was will er dabei für sich herausschlagen?",
"Eine Freundschaft?",
"Mach dich nicht lächerlich.", keifte Ginny nun belustigt, "Keine Frau dieses Planeten würde eine Freundschaft mit einem Mann wie Malfoy aushalten.", Hermine sah sie fragend an. Ginnys Grinsen schien nicht zu der eben getroffenen Aussage zu passen. "Dafür ist er zu charmant, Granger.", belustigt über die Benutzung von Hermines Nachnamen stieß Ginny ihre Freundin an die Schulter.

"Welche Frau könnte einem Mann wie Draco Malfoy schon widerstehen, hm?" Ob Ginny es nur sagte, um Hermine zu ärgern wusste sie nicht. Doch dass sie zweifelsfrei recht haben musste, konnte Hermine ahnen.

•••

Gringotts hatte seit einer halben Stunde geschlossen, was Hermine als genug Zeit empfand um den Nachhauseweg zu absolvieren. Noch bevor sie appariert war, hatte sie einen Blick in den Spiegel geworfen ohne genau zu wissen, wieso überhaupt.

Dracos Wohnung lag in einer Gegend, die Hermine noch nie betreten hatte. Was sie wusste war, dass Bellatrix Lestrange hier ihre Jugend verbracht hatte. Eine etwas ausgemergelte Straße mit appariergeschützten Häusern.

Und auch wenn Hermine Malfoys Hausnummer durch das Ministerium herausbekommen hatte, tat sie sich schwer damit Hausnummern zu entdecken. Manche hingen oben am Schornstein, praktischer für Eulen. Manche waren verzaubert und klarten erst auf, als man genau davor stand.
Malfoys Hausnummer, die 61, war mit einem Zauber an die Haustür gebracht und fragte sie, zu wem sie wollte.

"Draco Malfoy.", sagte Hermine ruhig. Die Nummer schien Malfoy oben Bescheid zu geben, jedenfalls murmelte sie in sich hinein, was Hermine nicht verstand.

"Er fragt, wer du bist.",
"Was hältst du von der Idee, mich zu Siezen?",
"Was hältst du von der Idee, mir zu sagen wer du bist?", augenrollend warf Hermine einen Blick über ihre Schulter um sicherzugehen, dass niemand sie sah.

"Hermine Granger.", das Gemurmel ging erneut los und nach einer gefühlten Ewigkeit ertönte die weibliche Stimme erneut.
"Ausnahmsweise.", die Tür öffnete sich und Hermine trat in das Treppenhaus.

Anders als die Hausfassade war es hell und beleuchtet. Die Fußmatten von Malfoys Nachbarn schnappten nach ihr oder rollten sich ein, um einem klar zu machen, wie wenig willkommen sie war.

Malfoys Fußmatte blieb still liegen und zog ihr beim Auftreten automatisch die Heels aus. Malfoy stand ein Stück weiter im Raum.

Der «Raum» war so gesehen die gesamte Wohnung. Man trat ein und stand sofort in der offenen Küche zur linken, dem Esszimmer (ein Esstisch mit 6 Stühlen direkt hinter der Kücheninsel) und dem Wohnzimmer. Die Couch stand mit dem Rücken zur Tür und zeigte zu einer großen Leinwand. Wäre Tageslicht, sähe die Wohnung aus wie aus einem Prospekt. Malfoy schien sich an ein striktes Schema aus grau, schwarz, Silber und beige Tönen zu halten.
Langsam trat Hermine ein und nun fiel ihr erst auf, was Draco anhatte.

Seine Haare waren etwas wirr, als wäre er gerade aus der Dusche gekommen. Er trug einen Hoodie, was ein seltener Anblick war, in einem eleganten dunkelgrün. Ihn in einer grauen Jogginghose zu sehen war so ungewöhnlich, dass die Brünette einen Moment brauchte um sich selbst zu glauben, dass das vor ihr Draco Malfoy war.

"Was verschafft mir die Ehre?", seine Stimme riss sie etwas unsanft aus ihren Gedanken. Er hielt einen Pfannenwender in der Hand, den er nun hin und her schwingen ließ.

"Du hattest einen stressigen Arbeitstag. Also,", selbstbewusst ging Hermine Richtung der Küche und ließ sich dann an der Kücheninsel auf einen der Hocker fallen, "heute bin ich dran.", mit einer einfachen Handbewegung hatte Hermine eine Flasche Feuerwhiskey erscheinen lassen.

Auf Malfoys Gesicht war so etwas wie Unbehagen zu sehen. Hermine zwang sich zu einem schiefen Lächeln, doch fühlte sich augenblicklich etwas unsicherer.
"Komm schon, Malfoy. Immerhin hab ich dich doch schon mit den Gelhaaren gesehen.", sie deutete auf seine Klamotten.

Was Malfoy scheinbar für einen unzumutbaren Auftritt empfand, sah Hermine als ziemlich attraktiv an. Und dafür hätte sie sich gerne selbst verflucht. Aber endlich mal, nach elf Jahren, strahlte Malfoy etwas aus, das einen nicht an Arroganz und Unberechenbarkeit erinnerte, sondern an Gemütlichkeit und Ruhe.

"Nun,", er kam zu ihr und stellte sich an den Herd, an welchem er offenbar schwer beschäftigt war. "Ich war eh gerade beim Kochen. Ob ich ein Omelette mehr mache oder nicht, macht dann auch keinen Unterschied.",
"Gut.", Hermine stand auf und öffnete willkürlich einen der Küchenschränke.

"Wo hast du Gläser?",
"Hab keine.", seine Stimme war so gleichgültig, dass Hermine einen Moment überlegen musste, ob es ein Scherz war. Malfoy schien ihren Gesichtsausdruck bemerkt zu haben. Schulterzuckend wendete er das gutriechende Omelette in der Pfanne.
"Die Gläser hatte Astoria gekauft, als sie zu mir gezogen ist. Und wie meinen restlichen halben Haushalt, hat sie auch die Gläser mitgenommen."

Hermine musste sich ein Lachen verkneifen, bis ihr auffiel wie taktlos und frech dieses Verhalten war. "Was hat sie noch mitgenommen?",
"Handtücher, Teppiche, Pflanzen, Gardinen, einige Bücher.. und ihre Tampons.", das fügte er so einfach hinzu, als wäre er kein Mann.
Vielleicht konnte er es aber auch genau deshalb so gedankenlos sagen, weil er ein richtiger Mann war.

"Gehörte das denn alles ihr?",
"Ich spüre selten den Drang, mir Tampons einzuführen.", er drehte sich mit einem dreckigen Grinsen zu Hermine, die herzlich lachend den Kopf in den Nacken legte.
Draco drehte sich zufrieden zum Herd zurück. "Nicht alles gehörte ihr. Meine Wohnung sieht seitdem um einiges anders aus. Wenn eine Frau hier lebt, dann sieht man das auch. Jetzt sieht es nicht anders aus, als bevor sie hier war."

Hermine setzte sich wieder an die Kücheninsel und drehte die Flasche unruhig zwischen ihren Fingern. "Vermisst du Astoria?",
Malfoy stoppte einen Moment in der Bewegung. Dann legte er das erste Omelette auf einen Teller.
Immerhin die hatte er behalten dürfen.

"Mal mehr, mal weniger.",
"Heißt?",
"Schau,", Malfoy schob ihr das Omelette zu und griff Besteck aus einer Schublade. "Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und keine Kerzen brennen und kein Duft von frisch gewaschenen Haaren in der Wohnung schwebt, dann ja. Aber wenn ich dann unterwegs bin und mich nicht alle halbe Stunde jemand erreichen will, dann bin ich froh darüber.", Hermine schob sich die Gabel in den Mund und nickte leicht.

"Vielleicht vermisse ich auch eher die Dinge, die mit einer Frau in der Wohnung einhergehen. Ihre Stimme vermisse ich jedenfalls nicht.", ein Schmunzeln flog über seine Lippen, was er jedoch zeitnah bemerkte und es wieder verschwinden ließ.

Hermines Augen tasteten sich durch die Wohnung. Tatsächlich sah sie Kerzen auf der Fensterbank und dem gläsernen Sofatisch. Mit einer scheinbar unbemerkten Handbewegung flüsterte sie "Incendio.". Sofort flackerten die Kerzen auf.

Malfoy drehte sich langsam vom Herd herum und musterte Hermine, die ihm ein freundliches Lächeln entgegnete.
"Ein Punkt von der Liste ist gestrichen."

what do i say to you? | dramioneWhere stories live. Discover now