Teil 11 Timothy

20 3 2
                                    

Etwas warmes strahlte auf mein Gesicht. Wiederwillig wachte ich auf, nur um geblendet zu werden. Die Sonne strahlte mir direkt ins Gesicht, ihrem Stand nach zu urteilen war es kurz nach Mittag. Ich drehte mich um, und stellte fest daß es zu hell war um nochmal einzuschlafen. Ich rollte mich aus dem Bett und versuchte Motivation zusammenzukratzen um vom Boden aufzustehen. Nach einer Weile wurde mir das dann aber doch zu hart und ich stand auf und zog mich an. Auf der Suche nach etwas zu Essen schlich ich in die Küche um, statt Lebensmitteln, eine von Jonathan geschriebene Einkaufsliste mit Geld vorzufinden. Ich nahm den Zettel und versuchte die krakeligen Buchstaben die soetwas wie Worte ergeben sollen zu entziffern. Ich hatte den Meister schon oft auf seine krakelige Handschrift angesprochen aber er hat jedesmal nur geantwortet, dass er eben sein halbes Leben lang so etwas feines wie Buchstaben nicht Mal sehen konnte, es für einen Erwachsenen verdammt schwierig ist lesen und schreiben zu lernen und er außerdem in einem Land mit Schriftzeichen aufgewachsen ist und ihm Buchstaben völlig fremd waren.
Nach dem ich die Worte auf einem anderen Zettel nachgemalt habe und sie dann auch richtig lesen konnte steckte ich das Geld ein und schlich mich aus dem Haus. Als erstes Kaufte ich mir was zum Frühstück. Mit leerem Magen geht bei mir nichts. Jonathan mochte es nicht woanders Essen zu kaufen weil er selbst es, meist günstiger, viel besser konnte. Ich machte mir nichts draus. Im Supermarkt stellte ich dann fest dass auf der Liste Dinge standen die ich noch nie zuvor gehört hatte. Was zum Teufel ist eine Avocado? Hatte ich das Wort vielleicht doch falsch abgeschrieben? Aber was sollte es sonst sein? Ich stand noch eine Weile ratlos herum als mich ein Mädchen, ihre Kleidung ließ vermuten dass sie hier arbeitete, mich ansprach.
"Kann ich dir helfen?" Sie war wirklich hübsch. Ihre Augen hatten ein wunderschönes türkis, grün und ihre braunen Haare hingen ihr über die Schulter.
"Ähm ja. Kennst du das Wort Avocado?"
Sie sah mich überrascht an. Dann kicherte sie.
"Ja"
"Kannst du mir auch sagen was das ist?"
"Klar. Sieh Mal.", sie nahm mich am Arm und führte mich zur Obst und Gemüse Abteilung.
Dann griff sie nach einer violetten Birne.
"Das ist eine Avocado." Sie reichte sie mir.
"Wow danke ..."
"Lou. Du bist wirklich leicht zu begeistern oder?"
"Ich erfreue mich eben an den kleinen Sachen im Leben."
"Verstehe. Wie kannst du Avocados kaufen gehen ohne zu wissen was das ist?"
"Na ja. Ich hab die Liste von meinem Meister. Er hat mich einkaufen geschickt."
"Dein Meister?"
"Ja. Weisst du, ohne ihn würde ich immernoch auf der Straße leben, wenn ich nicht schon verhungert wäre, und außerdem bringt er mir kochen bei damit ich bald als Koch arbeiten und endlich Geld verdienen kann um auf eigenen Beinen zu stehen."
"Ach so. Na dann, freut mich dass ich dir helfen konnte. Viel Glück noch"
Damit ging sie wieder ihrer Arbeit nach. Als ich dann am Abend wieder im Bett lag, stand für mich eine Sache fest. Ich musste sie Wiedersehen.
Beim Kochen war ich in der Nacht ein wenig unkonzentrierter. Ich musste bei den Zutaten andauernd an sie denken. Zwar machte ich keine direkten Fehler aber meine Unkonzentriertheit entging dem aufmerksamen Meister trotzdem nicht.
"Beschäftigt dich etwas Junge?"
Ich erschrak. Unsicher schielte ich zu ihm. Sollte ich es ihm erzählen? Über soetwas haben wir noch nie gesprochen.
"Wenn dich etwas beschäftigt kannst du es mir sagen. Es ist nicht gut etwas in sich hineinzufressen. Du kannst mit mir über alles reden." Ich nickte und überlegte kurz wie ich anfangen sollte.
"Hast du eigentlich Frau oder Kinder?", fragte ich ihn. Für einen kurzen Moment entglitten ihm seine Gesichtszüge und er sah mich überrascht an. Dann räusperte er sich.
"Ähem. Nein. Nein ich interessiere mich nicht für Frauen." Er sah aus als wäre es ihm unangenehm das zu sagen und er sah mich auch nicht direkt an. Erst begriff ich nicht warum er so reagierte, dann machte es Klick.
"Bist du schwul?"
Er nickte nur und sah mich immernoch nicht an. Auch hier dauerte es kurz bis ich erkannte warum es ihm unangenehm war das zuzugeben. Es kam mir zwar vor wie ein anderes Leben aber ich erinnerte mich an den Geschichtsunterricht in der 10. Klasse und daran dass es für Leute wie ihn vor dem 21. Jh. extrem schwierig und in manchen Ländern sogar Lebensgefährlich war sich zu outen. Jetzt im 22. Jh. störte das niemanden mehr und keiner sah einen Unterschied darin Homo oder Hetero zu sein.
"Hast du dann einen Freund oder Mann?"
Jetzt huschten seine Augen wieder zu mir. Ich konnte Erleichterung in seinem Blick erkennen und der Meister fing sich wieder. Er setzte auch wieder den gewohnten desinteressierten und gelangweilten Blick auf.
"Ich interessiere mich auch nicht für Beziehungen."
"Hattest du schon Mal welche?"
"Eine ja. Aber das hat ein ziemlich übles Ende genommen."
"Verstehe..."
"Warum stellst du mir denn auf einmal diese Fragen?"
"Na ja.", ich wurde jetzt selbst etwas verlegen, "Ich hab heute ein sehr nettes und hübsches Mädchen getroffen. Und na ja, ich weiß auch nicht, ich muss ständig an sie denken."
"Ah. Wie alt ist sie denn ungefähr?"
"Na ja so Teenager eben. 16/17 wenn ich mich nicht irre."
"Du bist 25."
"Ja aber ich verhalte mich nicht so und sehe nicht so aus. Sie muss es ja nicht erfahren."
"Stimmt auch wieder." Jonathan seufzte.
"Was genau möchtest du jetzt von mir?"
Ich zuckte mit den Schultern.
Jonathan hatte mit Frauen nichts am Hut und hatte auch nur eine Beziehung mit schlimmen Ende gehabt. Helfen könnte er mir also eher nicht.
Ein paar Tage später war ich wieder im Supermarkt. Ich suchte nach Lou und als ich sie fand, verwickelte ich sie in ein Gespräch. Doch da sie eigentlich arbeiten musste verabredeten wir uns für die Zeit wenn sie Feierabend hatte. Da es inzwischen schon ziemlich früh dunkel wurde viel ihr Schichtende in den Zeitraum in dem Jonathan munter wurde und zur Arbeit ging. Der Zeitraum in dem ich normalerweise schlief.
Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht dass der Meister das mitbekam also konnte ich erst später zum Supermarkt kommen. Doch Lou hatte auf mich gewartet.
"Na du kommst ja spät, Tim."
"Tim?"
"Die Abkürzung für Timothy. Ist das doof?"
Sie lächelte mich schüchtern an.
"Äh nein, nein natürlich nicht.", ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf.
"Dann ist ja gut. Komm lass uns gehen. Ich wollte nach der Arbeit ein paar Freunde treffen. Willst du mit?"
"Klar, warum nicht? Umso mehr desto besser."
"Das sag ich auch immer.", begeistert strahlte sie mich an. Dann gingen wir los.

TimothyWhere stories live. Discover now