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Ich antworte nicht, sondern schaue ihn nur entnervt an. Das kann ich am besten.
*
Lilli
Am nächsten Morgen wache ich vor meinen Eltern auf. Ich will nicht wieder fahren, bevor sie mich gesehen haben. Das würde meine Lage nur noch mehr verschlimmern. Also mache ich Frühstück. Vielleicht kann ich sie damit ein wenig beruhigen.

Ich brate gerade das letze Ei an, als meine Mutter in die Küche kommt. „Hmm hier riecht es aber gut.", sagt sie und ich spüre ich Lächeln. Ja, Mama ist einfach zu bestechen, aber mein Vater ist da anders. Ich decke den Tisch und deute meiner Mutter sich hinzusetzen. Als ich gerade die Eier auf den Tisch stelle, kommt Papa in die Küche. Er schnuppert und lächelt zufrieden. „So könnte ich jeden Tag aufwachen!", sagt er zufrieden. Wir setzen uns und jeder nimmt sich was zu Essen. „Markus ist wirklich sehr freundlich.", sagt Mama und nimmt sich ein weiteres Ei. Sie legt es auf ihr Brot und lächelt mir zu. „Vielleicht haben wir ein wenig überreagiert, mit dem Psychologen. Aber du musst uns verstehen, Lilli. Seitdem Vanessa nicht mehr bei dir ist, bist du so einsam. Wir würden uns einfach wünschen, dass du mit uns reden würdest.", sagt sie noch. Ich schlucke. Beide sehen mich erwartungsvoll an, aber an ihren Augen erkenne ich, dass sie keine großen Hoffnung haben. Nicht mal meine Mutter.

Ich habe mit den wilden Kerlen geredet und die bezeichne ich selbst nicht mal als Freunde. Und sie sind meine Eltern. Das schlechte Gewissen plagt mich. Es ist ihnen gegenüber unfair, dass ich mit den wilden Kerlen rede, aber nicht mit ihnen. Gut, vielleicht bin ich auch schon die ganzen letzten Jahre unfair gewesen, weil ich nicht mit ihnen geredet habe. Ja, vielleicht schon mein ganzes Leben. Ich seufze und schaue auf meinen Teller. Ich will ihnen antworten, aber dann klingelt es schon an der Tür. Papa steht auf und geht hin. Als er wieder kommt, schmunzelt er leicht. Hinter ihm kommt Markus rein und lächelt mich an. „Guten Morgen.", wünscht ihn meine Mutter. „Guten Morgen.", grüßt Markus sie und mich. Etwas verwirrt sehe ich ihn an. „Komme ich ungelegen?", fragt er, als er meinen Blick aufnimmt. Ich nicke, „Ein bisschen."

Und dann bricht das Chaos aus. Mein Vater verschluckt sich am Ei und meine Mutter schlägt ihn auf den Rücken. Ich bin kurz davor einen Krankenwagen zu rufen, als das Gesicht meines Vaters sich rot verfärbt. In meinen Gedanken gehe ich schon das Gespräch durch. ,Guten Morgen. Ich bräuchte einen RTW, mein Vater stirbt gerade, weil ich geredet habe.'
Aber mein Vater bekommt sich wieder ein. „Du sprichst.", sagt er verdattert und sieht verwirrt zwischen mir, Markus, meiner Mutter und wieder zu mir. „Verdammte Axt. Wir hätten schon viel früher umziehen sollen.", sagt er und stützt seine Stirn mit seiner Hand. „Um Gottes Willen!", meine Mutter umarmt stürmisch Markus, der nur verwirrt darstellt und es sich über sich ergehen lässt. Ich stütze meinen Kopf nun ebenfalls auf meiner Hand ab. Warum um alles der Welt muss Mama jetzt so peinlich sein?

„Du sprichst.", wiederholt Papa und schüttelt mit den Kopf. Ich stehe auf und stütze mich auf den Tisch ab. „Ja und jetzt müssen wir los!", sage ich schnell und ziehe Markus an seiner Hand in den Flur. „Warte. Wir wollten heute Möbel kaufen!", ruft Mama mir hinterher. „Ich vertraue euch voll und ganz. Nur bitte nichts Pinkes!", rufe ich zurück und schließe schnell die Tür. Ich ziehe Markus noch bis um die Ecke, bevor ich seine Hand loslasse. „Es tut mir so leid!", sage ich peinlich berührt. Markus grinst nur und läuft vor. „War doch witzig!", sagt er und zieht sich seinen Helm auf, den er über das Lenkrad seines Motorrades gehängt hat. Mir hält er den zweiten hin. „Ja, sehr witzig.", murmel ich und steige hinter ihn auf.

Markus fährt los und auf der Fahrt höre ich ihn wieder seufzen. Aber statt zum Lager zu fahren, fährt er durch die Straßen, über eine kleine Brücke, zu dem so genannten Teufelstopf. Das Motorrad stellt er an den Rand, während ich mich umschaue. „Unser Stadion!", sagt Markus stolz und stellt sich neben mich. Ich war einmal in einem Stadion gewesen, weil Vanessa mich gezwungen hat und das hier sieht anders aus. Nicht unbedingt schlechter, aber eben halt anders. Aber den Gedanken behalte ich für mich.

Markus erklärt mir alles. Von dem Beginn der wilden Kerle, dem Bau von dem Teufelstopf, zu irgendeinem Gonzales. Er erzählt mir die ganze Geschichte der wilden Kerle und ich höre ihm gern zu. Auch wenn ich nicht ganz an diese Vampir Geschichte glaube.

Dann kommen die anderen. Auch sie stellen ihre Motorräder ab. „Da seid ihr ja endlich.", sagt Markus. „Es tut uns ja leid, aber Nerv hat wieder verschlafen.", meint Maxi und grinst. Nerv schaut genervt zu Maxi. „Und gewaschen hat er sich auch nicht!", sagt Joschka lachend. Auch ich muss lächeln, als Nerv genervt nach Luft schnappt. „Der Witz ist langsam ausgelutscht.", sagt er genervt. „Wer sagt den, dass es ein Witz war?", lacht Maxi.

Dann trainieren sie wieder und ich habe heute das Glück, dass ich mich auf einen Stuhl setzen kann. Ich hätte nicht noch einen Tag überlebt, in dem ich durch den Wald rennen muss. Ich kann mich entspannt zurück lehnen, während die Kerle verschiedene Formationen einnehmen und verschiedene Taktiken durchgehen. Alles in allem ist es sehr entspannt. Solange keiner der Jungs einen Ball auf mich schießt, bin ich am Rand des Feldes wohl am sichersten.

Dann hören wir Motorgeräusche. Ein Jeep fährt durch das Tor des Teufeltopfes und reißt dabei einige Balken des Zaunes zu Boden. Begleitet wird der Jeep von drei Motorrädern. Jonah steigt aus und schaut belustigt zu den wilden Kerlen. Als er mich erblickt, ändert sich sein Blick. Er wirkt selbstsicher und selbstverliebt, als er auf mich zukommt. Ich halte ihn im Auge, aber stehe nicht auf. Nichtmal, als er genau vor mir steht, mich arrogant anlächelt und mich dann umrundet. Er bleibt links von mir stehen und heftet seinen Blick auf mich. Ich schaue kurz zu den anderen. Sie kommen näher, werden aber von Jonah's Leuten auf Abstand gehalten. Ich grabe meine Finger in das alte Holz des Stuhles, als ich wieder zu Jonah blicke. Ich gebe nicht gerne zu, wenn ich Angst habe und so auch heute. Ich erwidere seinem Blick und verziehe keine Miene, auch wenn ich am liebsten wegschauen würde.

Irgendwas ist komisch. Ich fühle mich auf eine komische Art zu ihm hingezogen und auf der anderen Seite finde ich ihn widerlich. „So eine Schande.", sagt er plötzlich, ohne seinen Blick abzuwenden. Dann lacht er, „Ich dachte, du hättest nichts mit denen zu tun?"
Ich antworte nicht, sondern schaue ihn nur entnervt an. Das kann ich am besten. „Zu Schade. Du hättest gut zu uns gepasst, Lilli.", sagt er und dann bröckelt meine Fassade. Woher um alles in der Welt kennt der da meinen Namen? Verwirrt sehe ich ihn an und damit hat er unsere stilles Blickduel gewonnen.

„Aber du hast noch die Chance. Komm mit mir. Komm zu den Gewinnern. Du bist doch eine Gewinnerin, oder?", er spricht lauter, damit alle es hören. Er glaubt, er würde den anderen eine auswischen. Aber da hat er die Rechnung ohne mich gemacht!
„Nur über meine Leiche!", zische ich. Geschockt sieht er zu mir. Er wirkt nicht so, als wäre er es gewohnt, dass man zu ihm nein sagt. Und so ändert sich seine Stimmung. Anscheinend habe ich sein Ego verletzt. Jetzt lache ich siegessicher.

Jonah dreht sich um. „Wir fahren. Und wir sehen uns in 18 Tagen in dem Käfig. Direkt hinter den Schneebergen.", ruft er noch. Dann steigt er ins Auto und sie alle fahren wieder.

„Nur über meine Leiche!", äfft mich Klette lachend nach. „Ich hätte dich nicht für so taff gehalten.", gibt Marry lachend zu. Und auch die anderen Stimmen in das Lachen mit ein. Ja, selbst ich lache. Und das war auch der Moment, in dem ich realisiert habe, dass ich vielleicht doch Freunde in ihnen gefunden habe.
*
Am selben Tag als ich dieses Kapitel geschrieben habe, habe ich danach sogar einen Krankenwagen gerufen...

if love could speakWhere stories live. Discover now