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Und was ist ein Revolvermann, wenn er wegrennt?
*
Lilli
Als wir im Lager ankommen, werden wir freudig begrüßt. Leon fällt seinem Bruder in die Arme. „Weißt du noch, als ich dir immer gesagt habe, du wärst du Pest?", fragt er Leon. Leon nickt. „Vergiss das. Sie ist die wahre Pest.", sagt Marlon und deutet auf mich. Das nehme ich einfach mal so hin.

Wir setzen uns in einen Kreis, nur Markus fehlt. Ich schaue mich um, kann ihn aber nicht entdecken. „Wie hat sie es eigentlich geschafft euch umzustimmen?", fragt Leon interessiert. Ich wende mich wieder den wilden Kerlen zu. „Sie hat Steine übers Wasser flitschen lassen.", sagt Maxi grinsend. Leon zieht seine Augenbraue in die Höhe, bis er versteht. Kurz danach blickt er wieder verwirrt. „Woher weißt du davon?", fragt er nun mich. „Ich bin wohl besser im zuhören, als im reden.", sage ich knapp und lächle Vanessa zu. „Dass du dich daran erinnern kannst.", sagt sie verblüfft. Ich zucke mit meinen Achseln, „Ich vergesse nicht so schnell."

Dann wurde dieses Thema wieder auf Seite gestellt und sich den wichtigen Themen gewidmet. Wie sollen sie in weniger als drei Wochen, die Tiger besiegen? Sie diskutieren über verschiedene Strategien. Dass Marlon und Horizon schon einmal gegen Jonah gespielt haben, ist nur eine kleine Hilfe. Er hat allein gegen sie gespielt und nicht in einem Team. Auch wenn Hoffnung besteht, sehen die wilden Kerle keine große Chance. „Und wenn wir verlieren, was machen wir dann?", fragt Marlon. Leon blickt zu Boden. „Das weiß ich nicht.", sagt er. Und dann ist die Stimmung wieder hinüber.

Es wird langsam dunkel und es wird allmählich Zeit für mich zu gehen. Ich kann nicht noch eine Nacht von zuhause wegbleiben. Meine Eltern malen sich jetzt schon wahrscheinlich aus, wie ihre fünfzehnjährige Tochter mit einem positiven Schwangerschaftstest nach Hause kommt. Aber irgendwas lässt mich sitzen bleiben. Als ich durch die Runde schaue, sind alle still und schauen bedrückt zu Boden. Selbst Maxis gute Laune ist verschwunden. „Ich will nicht, dass die wilden Kerle nicht mehr existieren.", sagt Joschka. Ich seufze und stehe auf. „Dann kämpft.", rufe ich ihnen zu. Sie alle blicken auf. Ich fühle mich ein wenig, wie in der Schule. Es ist als würde man ein Referat halten.
„Ihr habt gesagt, dass es die wilden Kerle bald nicht mehr geben wird. Egal ob ihr verliert oder kneift.", als ich das sage, stöhnen sie alle auf. „Das hilft uns nicht.", sagt Nerv. „Achja? Und was ist ein Revolvermann, wenn er wegrennt?", frage ich ihn. „Dann ist er kein Revolvermann.", sagt er und auf seinem Gesicht erscheint ein kleines Lächeln. „Und was noch viel schlimmer ist, dann ist er nie einer gewesen!", ruft nun auch Maxi aus. Auch er lächelt wieder und seine Hochs und Tiefs geben mir zu bedenken. Dieser Junge hat ganz schöne Stimmungsschwankungen. „Davon habe ich dir nie erzählt.", meint Vanessa, als sie auf mich Zutritt.
„Ich habe gerade nur an Billy the Kid gedacht.", sage ich verwirrt und die anderen beginnen zu lachen.

„Ich muss dann jetzt auch gehen.", verabschiede ich mich und winke allen zu. „Bis morgen?", fragt mich Vanessa und ich nicke. Irgendwer muss die Leute hier ja bei Stimmung halten. Ich drehe mich weg und gehe los. Dann tritt Markus neben mich. Verwirrt sehe ich ihn an. „Wenn ich nicht dafür sorge, dass du sicher nach Hause kommst, bin ich der Schuldige!", sagt er lachend. Ich überdrehe belustigt meine Augen, aber ich sage nichts dazu. Ich wüsste nicht was. Also laufen wir schweigend neben einander her. Markus begleitet mich bis zu Haustür und wartet noch, bis ich drin bin. „Tschüss Markus.", verabschiede ich mich. Markus lächelt mich schief an und nickt. Dann geht er.

Drinnen ist alles dunkel. Ich mache noch einen kurzen Abstecher in die Küche, wo ich mir noch schnell ein Brot schmiere. Als ich nach oben gehe, höre ich das leise Schnarchen meines Vaters. Die beiden schlafen, was bedeutet, dass ich zumindest heute Abend meine Ruhe bekomme.
Seufzend lasse ich mich auf meine Matratze fallen und esse mein Brot auf. Dann mache ich mich auch schon fertig zu schlafen. Der Tag heute hat mich fertig gemacht. Ich habe die letzten zwei Tage geredet und bin gerannt. Zwei Dinge, die ich in den letzen Jahren nicht gemacht habe und ich kann nicht sagen, was ich anstrengender gefunden habe.

Ich liege noch eine Zeit lang wach und denke über den heutigen Tag nach und über die kommenden Tage. Ja, das hier ist die Hölle, da bin ich mir noch immer sicher, aber vielleicht ist die Hölle doch nicht so schlimm, wie ich angenommen habe.

*
Ich kenne mich mit Billy the Kid nicht aus und weiß auch nicht, ob in den Filmen jemals so oder so ein ähnlicher Satz mit dem Revolvermann gefallen ist. Ich möchte lediglich so viele Erinnerungen an dwk wie nur irgendmöglich wieder erwecken. Falls es also nur von Nerv so kam, dann tut es mir Leid:)

if love could speakWo Geschichten leben. Entdecke jetzt