Kapitel 4

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„Lynn! Lynn! Darf ich vorstellen? Das ist Willy Wonka!"
Ich wusste nicht wo ich zuerst hinschauen sollte.
Auf das riesige Loch in unserem Dach? Den fliegenden Glasfahrstuhl? Zu Grandpa Josef, der voller Stolz verkündete, dass Charlie den besonderen Preis gewonnen hatte? Zu Charlie, der mir gleich als erstes um den Hals fiel und schon völlig durcheinander von singenden Umpa-was-auch-immer redete? Oder zu dem Fremden, der offensichtlich Willy Wonka sein musste und der mich für einen Moment nicht weniger entgeistert anstarrte als ich ihn.
„Dies sind dann wohl deine -" Für einen kurzen Moment war ich mir nicht sicher, ob der Mann sich verschluckt hatte oder sich jede Sekunde übergeben würde.
„Eltern?", half ihm Mr Bucket auf die Sprünge.
Mr Wonka schien erleichtert das Wort nicht aussprechen zu müssen und antwortete mit einem abgeneigten „Ja, das."
Grandpa Josef erinnerte noch einmal daran, dass Charlie irgendwas gewonnen hätte, woraufhin der Fremde anfing die Schränke unseres Hauses zu durchforsten.
„Nicht nur irgendein irgendwas. Das meiste etwas von irgendwas, das je irgendein etwas gewesen ist. Ich vermache diesem kleinen Jungen meine gesamte Fabrik."
„Sie scherzen", sagte ich perplex und konnte nicht glauben, was er soeben gesagt hatte.
„Nein, es stimmt", erwiderte er und begann von seinem halbjährlichen Haarschnitt zu erzählen, der ihn wegen eines grauen Haares dazu veranlasste einen Erben für seine Fabrik zu finden.
Ich fragte mich, wo dieser Mann ein graues Haar haben sollte, er sah in meinen Augen noch so jung aus. Knappe 30 vielleicht. Aber mit seinem Friseur würde ich gerne mal ein Wörtchen reden.
„Darum also die goldenen Eintrittskarten", riss mich Charlie schließlich aus meinen Gedanken.
Willy Wonka erklärte weiter, allerdings hörte ich nur mit halbem Ohr hin, da meine Aufmerksamkeit nun auf den fliegenden Fahrstuhl gefallen war. Er war aus Glas, wie konnte er den Sturz durch das Dach unbeschadet wegstecken? Und wie war es möglich, dass er fliegen und so viel Gewicht tragen konnte? Wie ließ sich das Teil überhaupt steuern?
Ich sah, dass Mr Wonka meinem Blick folgte und sich ein triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht abzeichnete, als wüsste er genau, was in meinem Kopf vor sich ging. Was wohl aber auch keine große Kunst darstellte. Charlie meinte schon immer, man könnte mir jeden meiner Gedanken direkt im Gesicht ablesen.
Erst nachdem, Charlie fragte, ob unsere Familie mit in die Schokoladenfabrik ziehen dürfte, wandte er seinen Blick wieder ab.
„Oh mein lieber Junge, natürlich geht das nicht. Du kannst keine Schokoladenfabrik leiten, während dir eine Familie an den Hacken hängt. Ist nichts persönliches."
„Ist schon gut", sagte Großvater George und fügte ein leises, aber dennoch nicht zu überhörendes „Trottel" hinzu.
„Ein Chocolatier muss frei und allein sein", fuhr Mr Wonka fort. „Er muss seine Träume leben und auf die Konsequenzen pfeifen. Sieh mich an. Ich hatte nie eine Familie und bin ein einziger Erfolg."
Ich schaute von Charlie zu Willy Wonka und überlegte, was ich an seiner Stelle tun würde.
Ein seltsames Gefühl beschlich mich, denn auf der einen Seite verstand ich Mr Wonka und kannte das Gefühl niemanden zu haben. Es kann ein schönes Gefühl sein frei zu sein. Man macht sich weniger Gedanken, ob das was man tut richtig oder falsch ist, sondern lernt aus seinen Erfahrungen. Aber gleichzeitig konnte es auch sehr einsam sein. Und obwohl ich oft das Gefühl hatte noch immer alleine zu sein, würde ich für nichts um alles der Welt die Buckets verlassen wollen.
Umso weniger überraschte es mich, dass Charlie sein Angebot ablehnte.
Auch wenn er Charlie bat, noch einmal darüber nachzudenken, Charlie schüttelte nur den Kopf und erklärte, dass er das nicht bräuchte, und das erste Mal an diesem Abend, sah ich so etwas wie Traurigkeit in Willys Gesicht.
Damit ging er zurück in seinen Fahrstuhl, verabschiedete sich und verschwand schließlich auf demselben Weg, auf dem er gekommen war.

 Damit ging er zurück in seinen Fahrstuhl, verabschiedete sich und verschwand schließlich auf demselben Weg, auf dem er gekommen war

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My Life With Willy WonkaWhere stories live. Discover now