Schutzengel

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"Warum muss ich auch fahren? Ihr wolltet herkommen, nicht ich!"
Gerade versuchte Subaru mich dazu zu bringen, mich auf dem Snowboard zu halten.
Es war nicht so, dass ich nicht fahren konnte, mir war einfach nur kalt und meine Beine zitterten so schlimm, dass ich mich generell schon kaum auf den Beinen halten konnte, auch ohne, dass meine beiden Füße eingerastet zwischen den Halterungen des Snowboards waren.
Meine Haut juckte vor Kälte und mich schüttelte es jedesmal, wenn der Wind aufkam.
Und das Frieren verdankte ich allein Subaru, der wohl wollte, dass ich mir den Tod holte, warum sonst hatte er eine so dünne Kleiderwahl für mich getroffen?
Rolle hin oder her, sich für das perfekte Schauspiel zu tarnen hatte seine Grenzen und meine war es, mir eine Lungenentzündung dafür zu holen.
Ich hielt mich wie ein Klammeraffe an Subaru fest, als dieser versuchte mich mit Schwung den Berg hinunter zu stoßen.
>>Warum muss ich so ein dummes einfältiges Huhn spielen?<<
Obwohl ich Snowboard fahren konnte, musste ich dummerweise so tun, als bräuchte ich besondere Unterstützung.
Meine Finger rutschten ab und ich sauste, allein, ein Stück den Hang hinunter.
Furuya stand mir ausgerechnet mitten im Weg und er machte keine Anstalten beiseite zu gehen. Dann tat er, was ich schon von ihm erwartet hatte, anstatt mir auszuweichen packte er mich und wurde von mir mitgezogen, da er, so wie ich, auf einem Snowboard stand.
Es passte einfach zu ihm, jemandem einfach so zu helfen, anstatt denjenigen auflaufen zu lassen.
>>Wenn du wüsstest, wie sehr ich diese Eigenschaft an dir schätze!<<
Er konnte niemanden im Stich lassen. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd hielt er sich an meinen Schultern fest, während ich verzweifelt versuchte ihn abzuschütteln, obwohl ich mich selbst vorhin noch so verzweifelt an Subaru festhielt.

"Idiot, let go off me!", schrie ich gegen den aufkommenden Fahrtwind und riss an seinen Armen, die sich partout nicht von mir lösen wollten.
"Come on! It would be funny!", rief er mir auf Englisch zu, ließ mich dann aber doch los, als wir drohten in eine Gruppe Skifahrer zu brettern.
Ich strauchelte, konnte aber an den Leuten vorbeisteuern, ohne mich lang zu legen oder jemand Fremdes mitzureißen. Furuya fuhr parallel zu mir die Piste hinab, an den Bäumen vorbei, die wir ansteuerten.
"Such a fool...", schnaubte ich und ging in die Hocke, um schneller zu werden. Bald fuhren wir dicht hintereinander, ich, immer schneller werdend, konnte kaum noch das Snowboard kontrollieren.
Ich versuchte zu bremsen, indem ich die Rückseite des Boards nach vorne zog und senkrecht fuhr, doch die Geschwindigkeit war zu groß.
Eins führte zum anderen und ich, die keine Kontrolle mehr hatte, zog Furuya aus Reflex mich irgendwo festzuhalten, mit mir, als ich über eine Anhöhe schlitterte und mich im Flug befand.
Wir knallten schmerzhaft zusammen und kollidierten mit einer dicken Tanne und wurden dazu noch von einer Ladung Schnee bedeckt.
Ich war noch ganz benommen von dem Sturz und sah bloß Sterne, doch Furuya lachte sich bereits einen Ast ab, während er sich aus dem Schnee grub.
Hinter uns kamen unsere Freunde an, die besorgt vor uns stehen blieben.
"Seid ihr in Ordnung?", fragte Ran besorgt. Furuya warf mir einen kurzen Blick zu und nickte, obwohl ich noch am Boden war.
>>Ob das Subarus Absicht war? Rei vom Berg zu reißen, aus dem Umkreis der anderen...<<
"Und was ist mit Ihnen?", hakte die Braunhaarige nach. Ächzend winkte ich ab und stand mit zitternden Beinen auf.
Ein Glück, sie erkannte mich offensichtlich nicht.
Glücklicherweise kam Camel an meine Seite und stützte mich, als meine Beine unter mir nachgaben.
"You're okay?"
"I'm okay. Nur der Schreck."
Er nickte, ließ mich aber nicht los, auch nicht als ich Anstalten machte ihn weg zu stoßen. Wie konnte jemand wie er nur so fürsorglich gegenüber seinen Kollegen sein? Damit kam ich einfach nicht zurecht!
"I should go back. You can stay." Widerwillig lies mich mein vermeintlicher Freund los, nachdem er einen prüfenden Blick in Subarus Richtung geworfen hatte.
Als ich bereits dachte, meinem Freund entkommen zu sein, hörte ich seine knisternden Schritte im Schnee.
Furuya lief mir nach, niemand meiner Gruppe hielt ihn auf. Was dachten die sich nur? Das er mich nicht erkennen würde? Sie unterschätzten die schwarze Organisation und besonders meinen Freund von der Sicherheitspolizei selbst!
"You are from America?", fragte er hinter mir her joggend. Warum nur musste er ausgerechnet jetzt so aufdringlich sein und meine Tarnung gefährden?
Wobei mir diese relativ egal war, doch die Mission schien Subaru ziemlich viel zu bedeuten.
Als ich ihm nicht antwortete quasselte Rei einfach weiter.
"Why doesn't your friend accompany you? He's your friend, isn't he?"
"Ich brauche keinen Babysitter", sagte ich in gehobenem japanisch und mit verstellter Stimme. Er legte mir lächelnd einen Arm um die Schulter, als wir außer Sichtweite unserer Freunde waren. "Arisu, denkst du ich bin blöd?"
"Manchmal schon", raunte ich bissig und schlug seinen Arm weg.
"Du solltest aufpassen. Es gibt einen Grund, warum ich hier bin", sagte er.
Mehr wollte er mir nicht sagen, aber ich vermutete, dass er wie immer zu meinem Schutz hier war. Doch woher wusste er bloß, dass wir hier waren?
Ich vergaß, dass er der beste in seinem Jahrgang war. Selbst ich unterschätzte ihn oft, dabei wusste ich nur zu gut, wie talentiert mein Freund war.
Erfahren hatte er wohl, dass wir kommen würden, weil unser Informant unvorsichtig war und Beweise diesbezüglich zurückgelassen hat. Niemand aus der Organisation war so unvorsichtig, es konnte sich nur um eine Falle handeln.

Als Rei sich endlich zurück zog, wartete ich geduldig im Ski Hotel auf die anderen, hatte mich derweil umgezogen. Ich trug einen übergroßen beigen Hoodie, in dem ich zwar fast versank, aber ich fühlte mich wohl. Er war lang genug, dass ich keine Hose mehr darunter tragen musste. Ich wollte Subaru nicht verärgern, oder den Plan missachten, also setzte ich mich aufsässig in das Café.
Ich war gelangweilt, mir blieb nichts anderes übrig als ein Buch zu lesen, während ich wartete.
Leider war das Buch, eines was in der Bar auf meinem Tisch lag. Mein langweiliger Vorgänger hatte es wohl hier vergessen und mir ein Buch über Pflanzen da gelassen hat. Mein Plan war es eigentlich nicht, in naher Zukunft mit dem gärtnern anzufangen, so war ich Recht erleichtert, als mich jemand von der Seite ansprach, bis ich sah, wer diese Person eigentlich war.
"Warten Sie auf ihre Begleitung?", fragte mich ein Mann hinter mir. Gelangweilt drehte ich mich um, überschlug meine Beine und ließ meinen Absatzsschuh auf meinen Zehenspitzen baumeln.
"Ich wurde wohl sitzengelassen", erklärte ich unberührt, als ich den von Subaru beschriebenen Informanten erkannte. Er war wohl ein Frauenaufreißer, sonst hätte er sich mir nur genähert, wenn er wusste wer ich war. Allerdings war er kein Aufreißer, der mit einer Frau nach Hause ging. Dieser Mann war so nervös, dass er allein schon vor Nervosität schwitzte, weil er dieselbe Luft wie ich atmete.
Ich wusste nur zugut, dass die Organisation in mir nur eine Ermittlerin sah. Das ich mit Gin verwandt bin, hätte dieser niemals selbst zugegeben. So dürfte mein Plausch mit diesem Zitteraal also kein Problem für unsere Mission darstellen.
"Mit Freuden leiste ich Ihnen Gesellschaft. Sie können ja schlecht alleine hier sitzen bleiben."
Der Mann lächelte süffisant und setzte sich neben mich, ohne dass ich ihm zustimmte. Eher unabsichtlich streifte mein Fuß sein Bein, als ich mich lediglich wegdrehen wollte. Er sah es wohl als Einladung. Seine Hand legte sich auf mein Knie, noch konnte ich ruhig einigermaßen entspannt tun. Mir war nichtsdestotrotz unwohl, diese schwitzige Hand auf meiner kalten Haut zu spüren. Ich wollte sie abschütteln, aber ich durfte ihn nicht verärgern. Er musste noch etwas hierbleiben.
"Ihr Freund sollte besser aufpassen, sonst stehlt Sie ihm jemand", er kicherte, dachte wohl das er auf mich anziehend wirkte. Ich lächelte müde und setzte beide Füße auf dem Boden ab, als seine Hand drohte unter meinen Pullover zu rutschen.
"Wissen Sie Ich lasse mich nicht auf jeden ein" , grinste ich zurück und stand in einer geschmeidigen Bewegung auf. Wie hypnotisiert verfolgte er jede meiner Bewegungen. Ein Gefühl, bei dem ich mich am liebsten übergeben hätte. Seine Aufmerksamkeit war die letzte, die ich gewinnen wollte.
"Meine Begleitung scheint wohl nicht mehr zu kommen. Warum leisten Sie mir nicht beim Essen Gesellschaft?", fragte ich, glücklicherweise ohne mich dabei zu übergeben und ich schaffte es sogar noch zu lächeln.
Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen und folgte mir wie ein treuer Hund in den Speisesaal. Auf dem Weg dorthin liefen wir an Subaru und Jodie vorbei, doch ich tat so, als würde ich die beiden nicht kennen. Camel war sicher schon auf dem Weg in das Zimmer unseres Informanten.
"Bestellen Sie schon mal? Ich gehe mich nur schnell frisch machen. Es dauert nicht lange", log ich gekonnt und lächelte kokett, während ich bereits auf dem Weg zu den Toiletten war.
Ich holte mein Handy heraus und tippte ziemlich schnell eine Nachricht an Subaru und Camel.
<<Ich halte ihn hin, lange kann ich das nicht. Beeilt euch.>>
Kaum war die Nachricht versendet worden, verließ ich den Waschraum wieder, doch von dem Mann war keine Spur zu sehen.
Ich ging zurück ins Café, jedoch waren weder Jodie noch Subaru anwesend. Ich wählte Subarus Nummer, wurde aber nach dem vierten Klingeln weggedrückt.
Mein schlimmes Bauchgefühl führte mich zu den Schlafzimmern.

Undercover ( Detektiv Conan FF) Where stories live. Discover now