FREUNDE?

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Ich schnappte mir meinen Collegeblock und setzte mich damit und einem Klebestift und einer Schere an den Schreibtisch

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Ich schnappte mir meinen Collegeblock und setzte mich damit und einem Klebestift und einer Schere an den Schreibtisch. Vorsichtig trennte ich alle Seiten raus, auf die Luka auch nur irgendwie deren Stift angesetzt hatte, um dann mit der Schere jede kleine Zeichnung auszuschneiden. Ich schnitt die Ecken sauber ab und klebte dann alle kleinen Papierstückchen in mein Notizbuch. Ich wusste selbst nicht, wieso ich das tat, aber irgendwie wollte ich nicht, dass Lukas wunderschönen Zeichnungen einfach in meinem Collegeblock vergammelten. 

Ich bewunderte noch einmal jeden einzelnen Strich, den Luka gekonnt mit deren Bleistift aufs Papier gebracht hatte. Es sah so gekonnt aus. So, als würde dey nichts anderes machen als mit einem einfachen Bleistift und einem Blatt Papier Kunstwerke zu erschaffen. Ich bewunderte demm total dafür. 

Ich wurde von dem Nachrichtenton meines Handys aus den Gedanken gerissen. Sofort griff ich danach, in der Hoffnung, Luka hatte mir geschrieben. 

Hatte dey nicht. Es war Zarah. Trotzdem öffnete ich sofort WhatsApp, um ihre Nachricht zu lesen.

Hey Ashley

Autsch. Es war das zweite Wort, aber schon das versetzte irgendwie ein ungutes Gefühl in meine Magengegend. Ein Gefühl, das ich so schon kannte. Ein Gefühl, das ich jeden Tag erlebte, wenn jemand für mich weibliche Pronomen benutzte. Oder meinen Namen. So wie gerade. Ich konnte das Gefühl nicht genau beschreiben, aber es war ähnlich zu einem Schlag. Einem Schlag zurück in die Realität. Ein Schlag, der mir zeigte, dass ich ein Mädchen war. Dabei war ich keins. 

Dieser Schlag zeigte mir nur nochmal, was ich eh schon wusste: Dass ich ein Mädchenleben lebte. Ein Mädchenleben, wie ich es jeden Tag hasste. Und ich wusste selbst, dass ich etwas dagegen tun konnte. Aber trotzdem traute ich mich nicht. Trotzdem wusste ich nicht, was genau und besonders, wie ich es machen sollte. Ich konnte nicht gut auf Leute zugehen, besonders nicht, wenn ich sowas Privates von mir preisgeben musste. 

Ich schnaufte kurz und las dann Zarahs Nachricht weiter.

Ich wollte mich entschuldigen. Ich kann manchmal so eine Idiotin sein. Sorry, es tut mir echt leid. Wenn du sagst, dass du nicht auf Luka stehst, dann ist das auch so. Ich wollte dich nicht unter Druck setzten, zuzugeben, dass du auf dey (schreibt man das so?) stehst. Tut mir wirklich leid. Ich werde damit aufhören. Ich halte es einfach nicht aus, wenn wir streiten. Deine beste Freundin Zarah :)

Ich musste lächeln. Ich war froh, dass Zarah das endlich einsah und sich entschuldigte. Ich mochte es schließlich auch nicht, mit ihr zu streiten und war immer froh, wenn der Streit vorbei war und wir wieder Freunde waren. 

Ich klickte sofort auf das Nachrichtenfeld und begann, eine Antwortnachricht an meine beste Freundin zu verfassen.

Hey Zarah, danke für deine Nachricht. Mir tut es auch leid, dass ich so krass reagiert habe... Es hat halt einfach irgendwann genervt. Und das mit dey ist fast richtig XD man kann es gut mit er/ihm Pronomen vergleichen. Wenn du „er" schreibst, schreibst du stattdessen „dey". Wenn du „ihm" schreibst, schreibst du „demm". Wenn du „seine" schreibst, schreibst du „deren". Manchmal ist das komplizierter bei sie-Pronomen. Wenn du „Ich mag sie" sagen willst mit dey-Pronomen, wird daraus „Ich mag demm" nicht „Ich mag dey", bei er/ihm wäre es „Ich mag ihn", daher ist es also oft mit männlichen Pronomen leichter, auf die dey/demm Formen zu kommen. Aber cool, dass du das probierst :)
Ich hasse es auch, wenn wir uns streiten. Freunde?

Zarah las meine Nachricht sofort und begann kurze Zeit später, eine weitere Nachricht zu verschicken.

Ups, okay, ich werde versuchen, das zu lernen, aber gib mir bisschen Zeit. Ich habe, als Luka gefragt hat, gesagt, dass du sie als Pronomen benutzt. Ist das richtig so? Wenn nicht, dann tut es mir total leid, ich hätte dich das sagen lassen sollen...
Und klar, wir sind wieder Freunde, anders halte ich es nicht aus. Und... du musst die Frage nicht beantworten, aber würdest du sagen, du bist auch mit Luka befreundet? Also schon oder noch, keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, ihr versteht euch halt sehr gut, kann auch auf freundschaftlicher Basis sein.

Ich verdrehte kurz die Augen, weil Zarah sofort wieder darauf einging, aber weil ich wusste, dass sie es nicht böse meinte und extra freundlich formuliert hatte, beschloss ich, ihr zu antworten.
Aber was sagte ich zu Pronomen? Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? Aber was war die Wahrheit?

Dass es sich blöd anfühlte, sie zu sein? Dass ich es jedes Mal hasste? Dass es einfach falsch war? Aber wollte ich wirklich, dass Zarah es schon wusste? Ich war mir relativ sicher, dass sie gut reagieren würde, aber trotzdem hatte ich einfach Angst. Es war unnötig, es war dumm, aber ich hatte Angst. Aber das würde wahrscheinlich immer so sein. Egal, wem ich davon erzählte.

Ich begann wieder, rasend auf die Tasten meines Handys zu tippen, um wieder etwas an meine beste Freundin zurückzuschreiben.

Also wegen Pronomen... Ich bin mir gerade nicht so sicher, aber irgendwie passt sie/ihr nicht so wirklich zu mir... und über meinen Namen habe ich mir auch viele Gedanken gemacht. Denkst du, du kannst mich vielleicht zum Ausprobieren erstmal nur einfach „Ash" nennen und keine Pronomen benutzen? Also einfach immer Ash sagen statt Ashley oder sie. Das wäre echt cool.
Ich denke schon, dass ich mit Luka befreundet bin, aber ich weiß nicht, wie dey das sieht, weil wir uns ja noch nicht lange kennen, aber ich wünsche es mir schon, dass wir uns besser kennenlernen würden. Ich würde mich auch echt gerne mit demm treffen, aber ich würde mich eh nicht trauen zu fragen...

Sofort las Zarah die Nachricht und schrieb erneut zurück.

Okay, dann mache ich das so, Ash :) Und das mit dem Treffen ist doch ganz einfach, wir können uns erstmal zu dritt treffen und ich kann einfach Luka fragen, ob dey (Jetzt aber dey, oder? Ich hab so lange gerade nachgedacht XD) auch kann. Was meinst du?

Das klingt super! Und danke, Zarah <3

Gerne! <3 Hab dich lieb

Ich dich auch

Ich musste lächeln und schaltete mein Handy wieder aus. 

Vor mir lag noch immer das Notizheft mit den eingeklebten Zeichnungen von Luka. Sanft strich ich mit meinen Fingerkuppen über die Kanten, wo das karierte Papier aufhörte und auf die leeren Seiten meines Notizheftes stoß. Ich spürte genau den Übergang. Den Übergang von Lukas Schmetterlingszeichnung. Die war meine liebste. Ich fand es so unglaublich schön, wie der große Schmetterling aus den vielen Herzen herausstieg. Luka konnte echt so unglaublich gut malen. 

Aber waren wir jetzt Freunde? Das war immer noch eine Frage, die ich nicht wirklich gut beantworten konnte. Schon irgendwie, oder? Ich meine, wir kannten uns schon ein bisschen und verbrachten gerne Zeit miteinander. Das war doch schon Freundschaft und somit war Luka mein*e Freund*in. 

Oder?

Oder?

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