23 Kapitel

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"June!" Rief ich erleichtert, als ich sie durch eines der verdreckten Fenster sah.
Sie sprang auf.
"Emily! Ich bin so froh, dass du hier bist!" Sie öffnete die Tür und fiel mir um den Hals.
"Komm doch rein. Ist ein bisschen gemütlicher als in diesen Tunneln. Ich hab mich schon gefragt, ob überhaupt jemand kommen würde um mich zu retten..." Ich stutze. Die Tür war gar nicht verschlossen?
"Wieso bist nicht schon längst geflohen?" Fragte ich und deutete auf die geöffnete Tür.
"Ich hätte hier zwar raus gekonnt, aber nie den Ausgang gefunden. Vermutlich wäre ich Ewigkeiten in diesem Keller herum geirrt, nur aus Glück hätte ich rausgefunden. Allerdings hätte es mir nicht gerade viel gebracht, da meine Entführer die Tür bewachen und überall im Haus sind. Emily, weißt du was, es sind Geister. Meine Entführer sind Geister." Sie sah mich besorgt an. "Nicht Gespenster-Geister sonder die Bändiger-Geister." Erklärte sie mir aufgeregt.
Stimmt ja. June hatte keine Ahnung, dass ich selbst ein Geist war und, dass ich nur zu gut wusste, wer ihre Entführer waren.
"Das wäre übrigens ein weiterer Grund, wieso ich hier nicht raus wollte, die hätten mich doch sofort zu Staub gemacht oder was die sonst noch können. Ich kann froh sein, dass ich noch lebe."
Ich trat in das Zimmer ein. Es hatte weiße, trockene Wände, an der einen Seite stand ein Bett und daneben ein kleiner Tisch. Es war angenehm warm und als June die Tür schloss, hörte man auch das stetige Tropfen nicht mehr.
"Ähm, June?" Fragte ich und sie sah auf.
"Wie bist du eigentlich an ihnen vorbei gekommen?" Fragte June mich stattdessen.
"Ja...also...ich, äh, bin selber ein Geist. " Ich sah sie besorgt an. Wie würde sie reagieren? Vermutlich nicht gerade begeistert. Was wenn sie mich hassen würde? Oder wenn sie totale Angst vor mir hätte?
Sie riss die Augen auf.
"Du...bist ein Geist??" Fragte sie mich irritiert und murmelte:
"Das erklärt einiges." Sie machte keine Anstalten schreiend weg zulaufen oder so etwas in der Art, was mich beruhigte und mir wieder Mut gab.
"Ja, deshalb konnte ich auch an...äh deinen Entführern vorbeikommen." Fast hätte ich Elija erwähnt, doch soweit war ich dann doch noch nicht. Ich würde ihr später von ihm erzählen.
"Erzähl mir alles. Also alles, was passiert ist, nachdem ich weg war und wie du hier her gekommen bist und so." Sie sah mich erwartungsvoll an und setzte sich auf das Bett, ich neben sie. Also fing ich an, alles genau wiederzugeben, davon, dass ich kurz nach ihrem Verschwinden mit jemandem, Betonung auf jemanden. Dass Derek ein Geist war, würde sie auch noch nicht jetzt von mir erfahren, zu der magischen Insel gefahren bin, bis zu diesen gruseligen Tunneln, in denen ich bis grade noch umher girrt war und in denen wir uns noch immer befanden. June hörte mir gespannt zu und unterbrach mich kein einziges Mal.
Ein paar Sachen, in denen Derek vorkam, ließ ich einfach weg, wie zum Beispiel als wir zusammen im Meer schwimmen waren...
"Klingt aufregend." Sagte June als ich geendet hatte.
"Ja, glaub mir, das war es auch. Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. " ich strahlte sie an.
"Jetzt müssen wir nur noch gucken, wie wir hier wieder raus kommen. Ich hab mal gehört, Geister könnten ihre Sinne schweifen lassen. Stimmt das?" Fragte June und ich nickte.
"So etwas in der Art, ja. " antwortete ich.
"Versuch doch, so den Ausgang zu finden."
"Ein Versuch währe es wert." Stimmte ich ihr zu, das könnte klappen.
Also schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Tunnel, doch nichts passierte.
Anstatt nun die Tunnel vor meinem inneren Auge zu sehen, hörte ich neben mir noch immer June leise atmen und das Rascheln der Bettdecke, als sie sich anders hinsetzte.
Ich versuchte es erneut, doch es funktionierte immer noch nicht. Irgendetwas blockierte meine Sinne, das spürte ich ganz deutlich, doch ich kam nicht dagegen an.
Frustriert öffnete ich wieder die Augen.
"Und?" Fragte June.
"Es klappt nicht. Irgendetwas blockiert mich." Erwiderte ich und schnaubte. Was sollten wir jetzt machen? Wir würden hier nie rauskommen, wenn ich das nicht schaffte.
"Oh, Emily. Was du da sagst..." Sie dachte kurz nach. "Ja, als sie mich hier herbrachten, haben sie irgendetwas geredet von 'die Sinne der Auserwählten funktionieren hier unten nicht' oder so etwas in der Art. Vielleicht meinten sie damit, dass man hier unten nicht bändigen kann oder so etwas."
"Ja, das kann sein.  Allerdings würde sich das glaub ich eher nur auf die Geister beziehen. Zum einen wegen 'Auserwählte' und zum anderen, ganz am Anfang der Tunnel habe ich eine Feuerkugel gemacht."
Eine Weile saßen wir schweigend neben einander auf dem Bett, in unseren Gedanken versunken.
Schließlich meinte June.
"Wir sollten wenigstens versuchen, hier heraus zu kommen. Ich meine, groß was zu verlieren haben wir ja nicht. Wir können, falls wir uns verlaufen, eine Spur hier her zurück legen. "
"Wenn du meinst. " Stimmte ich wenig überzeugt zu. Ich hatte wenig Lust wieder zurück in diese feuchten, dreckigen Tunnel zurückzukehren.
"Aber an was für eine Spur dachtest du? Hast du hier irgendetwas, was man in diesen Tunneln verteilen kann, so, dass man es auch wieder findet?"
"Ach Emily, ich dachte doch nicht an so eine Spur." Sie grinste mich an.
"Noch nie von einer 'magischen Spur' gehört?" Ihr Grinsen wurde breiter, als ich verneinte.
"Also, eine magische Spur ist eine Spur, die man zurückverfolgen kann, der Unterschied ist, dass diese Spur nur für den jenigen sichtbar ist, der sie auch legt."
"Und wie legt man so eine Spur?"
"In meinem Fall wäre das, weil ich ja eine Feuerbändigerin bin, eine unsichtbare Feuerspur. Überall, wo ich hintrete erscheinen nur für mich sichtbare, leuchtende 'Fußabdrücke'. Verstehst du?"
Ich starrte sie an.
"Jetzt guck nicht so. Das funktioniert mit Sicherheit." Während Junes gute Laune immer besser wurde, sank meine immer tiefer.
"Dann los, wenn du so genau weißt, wie das geht." Sagte ich angenervt. Sie warf mir einen gekränkten Blick zu, ich hatte grober geklungen, als ich eigentlich beabsichtigt hatte.
" Tut mir leid." Murmelte ich und öffnete die Tür, während June ihre ganzen Sachen in eine Tasche stopfte.
Ich hatte keine Ahnung, wie sie während ihrer Entführung noch die Zeit gehabt hatte, ihre wichtigsten Dinge in eine Tasche zu packen und mit zunehmen, doch ich fragte nicht nach.
Ich wollte hier endlich raus, irgendwie deprimierte mich dieser Raum. Außerdem, je schneller wir los gingen, desto schneller würden wir auch wieder draußen sein und zurück zur Insel fliegen.
"Okay, wir können los." Sagte June, schaltete die Deckenlampe aus und schloss die Tür hinter uns, dann liefen wir los.
Schon nach wenigen Minuten fing ich an zu frieren und ich zog meine Jacke fester um mich.
"Meine Entführer haben irgendwas von einem Ring gefaselt, den sie ihrem Herrn bringen wollen. Weißt du, was sie meinten?" Fragte June, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander her liefen. Ihre Worte hallten in den Tunneln unheimlich nach.
"Äh..." Ich zögerte. Sollte ich ihr schon von Elija und dem Ring erzählen? Was, wenn June, nur deswegen, weil sie von Elija wusste, schon wieder in Gefahr kam? Andererseits musste ich es June irgendwann erzählen. Selbst wenn nicht, sie würde es irgendwann erfahren, so etwas kam immer raus und man konnte nichts dagegen tun.
Sie wäre mit Sicherheit sauer.
"Nein. Keine Ahnung, was die meinten. Was glaubst du wohl, was Cassie, Elsa und Yette gerade machen? Meinst du, sie sind in der Schule?" Wechselte ich schnell das Thema, bevor June noch weiter nachfragen konnte.
"Ich denk mal. Bald fangen ja auch die Weihnachtsfeier an." Antwortete June wehmütig. Offenbar vermisste sie den Alltag. Verständlich. Wer war auch gerne in einem Zimmer irgendwo tief unten in einem Keller eingesperrt?
"Stimmt ja, Weihnachtsferien." Ferien. Normalerweise freute ich mich, wie jeder andere auf die Ferien, vor allem an Weihnachten, aber diesmal bekam ich bei dem Gedanken daran nach Hause zu fahren nur Bauchschmerzen. Wo würde ich meine Ferien verbringen? Zuhause bei meinen Eltern oder auf der Insel, bei meinen anderen Eltern? Wo war eigentlich mein richtiges zu Hause? Spontan würde ich sagen, da, wo ich aufgewachsen war, also in der 'normalen Menschenwelt' allerdings...
"Ich wette, Derek kann es kaum erwarten dich wieder zusehen. Der macht sich bestimmt schon Sorgen, wo du so lange steckst." Unterbrach June meine Gedanken mit einem breiten Grinsen.
Ich erstarrte. Derek. Nein, er hatte mich nicht vermisst, schließlich war er keine zehn Minuten von mir entfernt gewesen und wusste genau, warum ich nicht zur Schule ging.
"Äh..." Krächzte ich. Wenn June jetzt noch weiter von Derek redet...
"Ob David sich Sorgen um mich macht?" Murmelte June vor sich hin.
"Was?" Fragte ich sie laut.
"Ach..Äh nichts, nichts." Sie wurde rot.
"June?!" Nun grinste ich.
"Wer ist David?" Mein Grinsen wurde immer breiter.
"Ach...äh...das ist nur einer aus dem Hockeyteam." Stotterte June verlegen.
"'Nur'? Du stehst auf ihn?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
"Nein." Erwiderte June etwas zu schnell und etwas zu laut.
"Ich dacht schon." Sagte ich gespielt empört und unterdrückte ein kichern.
"Er macht sich bestimmt große Sorgen um dich, so wie alle in der Schule. Schließlich wurdest du entführt." Ich grinste immer noch.
Ich wusste zwar nicht, wer dieser David war, aber dass er, wie June eben gesagt hatte, in der Schulmannschaft spielte zeigte schon mal, dass er gar nicht so schlimm sein konnte...
Ein Geräusch ließ uns aufhorchen. Wir erstarrten beide.
"Em, Was war das?" Flüsterte June dicht neben mir.
"Keine Ahnung, waren bestimmt nur unsere Schritte, die widerhallen." Flüsterte ich angespannt zurück.
Aufmerksam sah ich mich um, konnte jedoch nichts erkennen. Eine unheimliche Stille erfüllte den Keller und Angst kroch in mir hoch.
"Lass uns weiter gehen." Ich wollte gerade einen Schritt nach vorne machen, als uns auf einmal eine viel zu helle Fackel direkt ins Gesicht leuchtete.
"Wen haben wir denn da?"
Wir schrieen auf und ich packte Junes Hand.
Der Mann lachte laut.
"Ihr braucht keine Angst zu haben." Und da erkannte ich, wer das war. Ihn hätte ich ganz sicher nicht erwartet.
Am liebsten wäre ich Jayson um den Hals gefallen, so erleichtert war ich. June neben mir stand immer noch wie versteinert da, der Schreck ins Gesicht geschrieben.
"Du hast uns total erschreckt, Jayson." Rief ich vorwurfsvoll. Und unterdrückte einen erleichterten Seufzer.
"Das hab ich bemerkt." Seine Augen leuchteten belustigt auf.
"Aber Emily." Sein Blick wurde wieder Ernst.
"Was machst du hier? Du wolltest doch im Flugzeug bleiben. Nun sah er mich vorwurfsvoll an.
"Tja...also...naja... Ich konnte ja nicht tatenlos zusehen, wie ihr gegen Elija kämpft." Ich zog entschuldigend die Schultern hoch.
"Keine Sorge. Elija ist gar nicht da. " erwidert Jayson.
"Wer ist Elija?" Fragte June verwirrt, aus ihrer Starre erwacht. Sie sah Jayson misstrauisch an.
"Oh, ja. Also, Jayson, das ist June, June, das ist Jayson, der, mit dem ich hier her geflogen bin."
"Hallo June. Schön zu sehen, dass es dir gut geht. " Er lächelte sie freundlich an.
Eigentlich hätte ich dich ja da raus geholt, wäre Emily," er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, " im Flugzeug geblieben. Aber so können wir endlich hier hinaus. Derek wartet am Ausgang auf uns. " Erklärte er ihr freundlich.
"Derek? Wieso Derek?" Fragte June nun vollkommen verwirrt.
Jayson warf mir einen fragenden Blick zu.
"Äh...Derek ist auch ein Geist." Sagte ich verlegen. War ja klar, dass June das herausfinden würde. Ich hatte einfach nicht daran gedacht, dass er auch mitgekommen war.
"Was?! Echt jetzt? Kommt nur noch, dass Ms Chandel deine Mutter ist oder so etwas. Wieso hast du mir das nicht eben schon erzählt?" Sie sah mich vorwurfsvoll an.
"Naja, also mit Ms Chandel liegst du gar nicht so falsch. Sie ist meine Mutter." June riss die Augen auf und brachte nur ein " Oh." heraus.
"Und gesagt habe ich nichts, weil eigentlich dachte ich, dass Derek es dir selber sagen sollte. Ist ja seine Sache. "
June schnaubte.
"Dann könnt ihr mir auch sicher erklären wer Elija ist?"
Ich warf Jayson einen hilfesuchenden Blick zu und er nickte mir kurz zu, dann erzählte er June die Kurzfassung. Also von den Versammlungen und, dass er Junes Entführung geplant hatte, um den Ring zu bekommen.
"Davon wusstest du also auch, sogar das mit dem Ring? Ich hab dich doch eben erst danach gefragt." Rief June aufgebracht an mich gewandt.
"Äh...ja."
"Und warum hast du mir dann nichts erzählt? Und sag jetzt bitte nicht, dass ist die Sache des Ringes und, dass er es mir selber sagen soll." Sie sah mich säuerlich an.
"Tschuldigung."murmelte ich verlegen.
"Das könnt ihr nachher klären, jetzt müssen wir los. " Unterbrach uns Jayson.
Ich stimmte ihm erleichtert zu.
"Weißt du denn, wo der Ausgang ist?" Fragte ich ihn, da ich keine Ahnung mehr hatte, wo wir uns befanden.
"Der offizielle Ausgang ist hier gleich um die Ecke, allerdings ist es nicht gerade ratsam, da hinaus zu gehen. Ich weiß zwar nicht, wie lange ihr schon hier unten seid und wann du, Emily, gekommen bist, aber sie wussten, dass wir kommen würden. Auch wenn wir früher los geflogen sind, wussten sie Bescheid, wann wir kommen würden. Sie haben uns nach fünf Minuten überwältigt und haben alle gefangen genommen, um sie Elija zu übergeben. Wir hatten keine Chance. Nur Derek und ich konnten fliehen. Nun liegt alles an uns. Sie haben auch den König und die Königin."

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