Jagd der Nebelflüsterer - Der...

Par MorganKingsman

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B A N D I I - Jagd der Nebelflüsterer "Wie wäre es damit: Wir löschen deine Erinnerungen und gleichzeitig al... Plus

Vorwarnung
1- "Ich sehe ihre Wunden. Die Narben, die sonst niemand sieht."
1- "Dumm und naiv, schon vergessen?"
2- "Ihr seid frei! Außer du, natürlich."
3- "Aber warum?"
3- "Was haben Sie vor?"
4- "Für die Dramatik."
4- "Ich mag dich nicht."
4- "Hörst du das auch?"
4- "Bitte."
5- "Wirklif?"
6- "Ich habe BITTE gesagt."
6- "Grins nicht so zufrieden. Ich bin immer noch wütend auf dich."
6- "Amila bringt wundervolle Nachrichten!"
7- "Wie beruhigend."
7- "Calean, nicht!"
7- "Verschwindet aus ihrem Kopf!"
8- "Lassen Sie Gwinn gehen."

8- "Wie eine Falle"

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Par MorganKingsman

"[...] die versagten Anträge auf Urlaub oder Ausflüge, werden hiermit wieder in Betracht gezogen. Der Schulalltag soll unverändert fortfahren und die Anforderungen für einen solchen Antrag bleiben bestehen. Wurde bis zu dem Zeitpunkt der Rücknahme, ein solcher Antrag bereits gewährt, sollen sich die betroffenen Schüler und Schülerinnen mit der Administration in Verbindung setzen. [...]"

- Auszug aus einem geklauten Aushang vom schwarzen Brett in Primwood Hall.

✥✥✥

          „Er hat seine Meinung geändert!" Naim sprang die Treppen des Haupthauses herunter, zwei Stufen auf einmal nehmend. In ihrer Hand wedelte sie einen Zettel wie eine Siegesfahne durch die Luft.

Die Schimmelstute an Sidras Hand scheute von ihr fort, doch eine beruhigende Geste ihrer Besitzerin hielt sie zurück.
„Wer hat was erlaubt?", fuhr Sidra ihrer Freundin an, Ungeduld ein stetiger Begleiter ihrer Worte in diesen Tagen.

Auch Garcy drehte den Kopf. Sie saß auf Mazes Lieblingsfass, nahe dem verriegelten Eingang zu dem Gehöft und hatte Sidras Erklärungen zu dem Tier gelauscht.

Es würde noch eine Weile dauern, bevor Sidra sie gefahrlos auf ein Pferd setzen konnte, aber Wissen schadete niemandem. Vielleicht würde Maze bis dahin auch zurückgekehrt sein und diesen Teil übernehmen. Oder Calean. Oder ihretwegen sogar Gwinn. Obwohl Sidra nicht sagen konnte, dass Gwinn bisher sonderlich viel für die Bildung ihrer Schwester getan hatte.

„Sir Kenrik. Nachdem es zuletzt keine Angriffe der Vogelfänger mehr gab, hat er die Ausflüge wieder... ent-strichen." Keuchend blieb Naim neben ihnen stehen, das breiteste Grinsen auf ihren Lippen, das Sidra jemals gesehen hatte.

„Ent-strichen ist kein Wort", informierte sie das Mädchen knapp und nahm ihr den Zettel aus der Hand. Wenn es ihnen erlaubt sein sollte die Hauptstadt zu sehen, würde Naim an ihrem Vokabular arbeiten müssen. Und an ihrer Kleidung. Selbst Garcy sah mehr nach einer Dame aus als diese dreckigen Lederhosen.

Hastig überflog sie die Zeilen. Naim hatte recht.
Ein Funke Hoffnung erwärmte ihr Gesicht und Sidra gab den Zettel an Garcy weiter.
„Ich werde mit Sir Kenrik sprechen, dass ich nicht alleine gehen möchte", zufrieden strich sie ihren Rock glatt und richtete sich ein Stückchen weiter auf, „Ihr werdet die schönsten Gebäude in diesem Land sehen. Und das beste Essen genießen, bis ihr zu verwöhnt seid, um jemals hierher zurückzukehren."

Begeistert griff Naim nach Garcys Hand und zog sie von der Tonne in einen wilden Reigen, der Sidras Schimmelstute erneut erschreckte. Doch ihre Besitzerin lächelte. Das waren die ersten guten Nachrichten über den gesamten Winter. Sobald sie dort war, würde sie mit den richtigen Leuten sprechen, um an ihr Familienerbe zu kommen.

„Wir werden tanzen! In riesigen Hallen! Und in weicheren Betten schlafen, ohne uns das Zimmer mir zehn anderen Mädchen teilen zu müssen!", rief Naim Garcy zu und hob sie über ihren Kopf. Etwas, das bei Garcys Größe ein wenig übermütig gewesen war, denn sie hielt weder das Gleichgewicht noch die Kraft und fiel stattdessen lachend rückwärts in den Schnee.

Es war das erste Mal, dass Sidra Garcy kichern hörte, als sie Schnee in ihren Händen zu einer Kugel formte und diese nach Naim warf. In den schwachen Strahlen der Wintersonne glitzerte der Moment in den Farben der Eiskristalle.

„Darf ich stören?"

Sidra unterdrückte ein Seufzen. Und schon war der Moment wieder zerstört.
„Hast du nicht irgendeinen Unterricht, für den du zu spät kommst?"

Der Ausdruck des braunhaarigen Mädchens flackerte nicht einen Lidschlag lang. Stattdessen richtete sie ihre braunen Augen auf Garcy.
„Sir Kenrik fragt nach dir. Und bittet Naim ihre ohnehin schlechten Noten nicht durch Unterrichtschwänzen zu verschlimmern."

„Was hast du wieder ausgeheckt?" Drohend machte Sidra einen Schritt auf das kleinere Mädchen zu.

Wie ein Vogel legte Amila den Kopf schief.
„Du darfst natürlich mitkommen- seit du dich ja ohnehin in der Mutterrolle für Garcy siehst."

Darauf konnte sie Gift nehmen. Dass sie mitkommen würde. Nicht das mit der Mutterrolle.
Mit einem Schnauben drückte sie Naim die Stute in die Hand und marschierte an Amila vorbei, Garcy dicht auf ihren Fersen.

Das Mädchen holte sie ein, bevor sie das Büro des Schulleiters erreichten. Vorsichtig nahm sie Sidras Hand und sandte eine Reihe panischer Bilder durch ihren Geist, die Sidras Kehle austrockneten.
„Es macht keinen Unterschied, was sie vorhat. Wir haben bisher all ihre Pläne vereitelt. Sie wird auch dieses Mal nicht durchkommen."

Amila lachte, als sie um Sidra herum an die Tür klopfte. Aber Garcy drückte noch einmal Sidras Hand und schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln, ehe ein ‚Herein!' von innen erschallte.

Im Büro erwarteten Sidra all die Erinnerungen an die hundert Male, die sie mit Maze hierher zitiert worden war. Manchmal, weil sie gemeinsam den Unterricht verpasst hatten. Oft, weil Maze sie vor Sir Kenrik verteidigen musste, weil sie ein anderes Kind zum Weinen gebracht hatte. Und ganz selten, weil Maze nicht alleine gehen wollte.
Vielleicht sollte sie nicht den Ausflug machen. Vielleicht war es intelligenter hier auf ihn zu warten. Zwischen den Bücherstapeln war sein Lächeln präsenter als Sir Kenrik selbst, der bei ihrem Eintreten eine Schriftrolle weglegte.

„Ah, Garcy, sehr gut. Ich habe eine großartige Aufgabe für dich." Sidra ignorierte er schmerzhaft, wie er sich von seinem Stuhl erhob und seinen Schreibtisch umrundete.
„Erinnerst du dich an den Gesandten der Rebellen?"

Sidra schluckte unwillkürlich. Sein Gesicht- seine Leiche- beides besuchte jeden ihrer Träume. Sie hatten die Leichen immer noch nicht im Brunnen gefunden. Und sie fürchtete den Tag, an dem sie es tun würden.

Neben ihr nickte Garcy mechanisch, die Finger in ihre Hand gekrallt.

„Sehr gut! Sehr gut!", lobte Sir Kenrik und ging vor ihr in die Knie, „Er hat mir einen Brief geschrieben."

Sidras Kopf fuhr mit einem derartigen Ruck zu Amila herum, dass es sogar dem Schulleiter nicht verborgen blieb, doch er ignorierte ihre Reaktion um seiner Erklärung Willen.
„Er schreibt, er ist in Rosenstein, der Schule nicht weit von hier, und bräuchte deine und Amilas Gabe, um ein paar der Schüler dort zu testen. Danach würde er euch gerne beide zu den Rebellen bringen. Wie klingt das für dich?"

„Wie eine Falle", antwortete Sidra an Garcys Stelle, die Arme fest vor ihrer Brust verschränkt.
Dachte Amila ernsthaft, sie würde Garcy mit ihr aus der Schule lassen?
„Hat er auch zufällig geschrieben, warum er mitten in der Nacht von Primwood Hall abgehauen ist, ohne bei uns die versprochenen Auswahlproben für die Rebellen zu halten?"

Nur widerwillig hob Sir Kenrik den Kopf, um Sidra ins Gesicht zu sehen.
„Das hat er nicht." Die Anstrengung hinter seiner Selbstkontrolle war deutlich hörbar.
„Aber ich sehe auch nicht, inwiefern dich das betrifft, Sidra. Schließlich hattest du nie Interesse Teil der Rebellen zu werden, ganz zu schweigen davon, deine Kräfte einzusetzen."

„Was ist, wenn die Vogelfänger hinter dem Brief stecken?", überging Sidra seinen Einwand.

Mühsam richtete Sir Kenrik sich wieder auf.
„Die Vogelfänger waren seit Elayns und Mazes Abreise kein Problem mehr. Ich denke, wir sind sicher in der Annahme, dass sie sich an einen anderen Ort zurückgezogen haben."

Wie konnte man nur so ein engstirniger alter Mann sein?
Unwissentlich ballte Sidra die Hände zu Fäusten.

„Genau Sidra, wir haben keinen Grund zur Annahme, dass der Brief keine Fälschung ist", bekräftigte Amila mit dem widerlichsten Lächeln, das Sidra jemals gesehen hatte. Da war etwas in ihrer offensichtlichen Provokation- eine versteckte Botschaft, nur für sie.

Und das war der Moment, in dem sie wusste, dass sie in eine Falle getappt war.

Sie wollte fluchen. Ernsthaft und aus vollem Herzen.
Dieses dreckige Miststück wusste, was aus dem Typen geworden war, den sie angeheuert hatte.
Und dann wurde Sidra klar, wie ihr nächster Schachzug aussehen würde.

Ihre Fäuste fielen wieder auseinander und sie schloss die Augen. Sie war dumm gewesen. So dumm.
Maze würde sie wo anders finden müssen.

„Ich verstehe, dass dir viel an Garcy liegt, aber du hast doch noch Naim. Und sicherlich werden Elayn und Maze bald mit Calean und Gwinn zurückkommen. Und du willst doch hier sein, wenn es so weit ist?" Der einfühlsame Ton des Schulleiters machte alles noch schlimmer.
Er sang zu all dem, was sie sich seit Monaten gewünscht hatte.

Ja, sie wollte Maze wiedersehen. Sie wollte Maze unter dem Torbogen des Hauses in die Arme schließen und ihm sagen, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Sie wollte zu ihrem alten Leben zurückkehren und mit Naim Mode und Etikette diskutieren.
Aber ein Blick auf Garcy machte all das zu Nichte.
„Der Brief kann nicht von dem Gesandten kommen."

Garcy verstand als Erste, was Sidra im Begriff war zu tun. Unter wildem Kopfschütteln, das ihre weißen Haare hin und her schleuderte, packte sie Sidras Hand und zog sie näher an sich heran.
Bilder von Galgen und Särgen vermischten sich zu einem einzigen Flehen.

Ganz behutsam löste Sidra sich von ihr. Sie würde nicht weinen. Dort draußen würde Amila sie zu den Vogelfängern schleppen. Wenn sie ging, hatte zumindest Naim noch eine Chance.
„Er kann keine Briefe mehr schreiben, denn ich habe ihn getötet."

✥✥✥

Sidra erinnerte sich an all die abfälligen Worte, die sie für Calean gefunden hatte, als er in der Zelle saß, durch deren vergittertes Fenster einzelne Schneeflocken zu ihr hinein schwebten.
Ein voller Mond beschien das faulige Stroh und das Schloss an der Tür, das sie von all ihren Träumen trennte.

Sie hatte ihnen die Leiche des Mannes gezeigt. Der einzige Beweis, dass der Brief eine Fälschung gewesen war. Garcy hatte ihre Kräfte an dem Schulleiter angewandt, doch selbst das hatte Sir Kenrik nicht aus Amilas Charme befreit.

Zum Tode verurteilt für Mord. Maze hätte sich nicht mehr halten können vor Lachen. Hatten nicht alle gewollt, dass sie ihre Kräfte anwandte? In den Schatten der Zelle malte sie sich sein Gesicht aus. Er würde zu einem anderen Heim zurückkommen, als er es verlassen hatte. Es blieb nur die Frage, ob er sie vermissen würde.

Das Klacken von Krallen auf dem steinernen Boden ließ Sidra den Kopf von ihren Armen heben.
Hastig kam es näher, bis sie von der hölzernen Pritsche aufstand und zur Tür ging.
Ein winziges Fenster darin offenbarte einen pechschwarzen Gang, von dem zwei ähnliche Türen abgingen und einen Dachs, der einen Schlüsselbund trug.

Sidra entließ ihren Atem in einer frostigen Wolke.
„Bist du wahnsinnig geworden? Wenn sie dich hier erwischen!"

Naim, die offenbar nicht daran gedacht hatte, wie kalt es hier unten ohne den Pelz war, richtete sich schaudernd auf und spuckte den Schlüsselbund in ihre Hand. Nacheinander zog sich das Fell in ihre Haut zurück, ihre Augen wurden grün und ihre Finger lang und feingliedrig.
„Du dachtest nicht ernsthaft, dass ich darauf warten würde dich morgen an einem Galgen hängen zu sehen."

Unter leisem Klingeln der Schlüssel öffnete sie die Zellentür.

Natürlich nicht. Sie waren beste Freude. Sie hatten die Notfallpläne für genau solche Momente abgesprochen.
„Haben sie ihn schon aufgebaut?"

„Den Galgen? Worauf du dich verlassen kannst. Amila hätte die Balken im Notfall alleine getragen."

Auch damit hatte sie gerechnet.
„Und Garcy?"

„Erwartet dich vor dem Tor." Mit einer winzigen Verbeugung öffnete Naim ihr die Tür und trat zur Seite. Eine spöttische Geste, um das Glitzern in ihren Augen zu verbergen, und Sidra tat, als habe sie es nicht gesehen. Das hier würde so schon schwer genug werden.

Egal wie sich Sidra ihren letzten Gang durch die Schule vorgestellt hatte, es war niemals mit hochgezogener Kapuze eines zu kleinen Mantels gewesen. Geduckt huschten sie durch die Schatten, an einer bewusstlosen Wache vorbei, mit auffälligen Tierbissen überall an seinen Waden.
Armer Fenkwell. Er musste gegen einen Balken gestürzt sein, als Naim ihn attackiert hatte.

Stumm nahm Sidra von ihm Abschied, wissend, dass sie ihn niemals wiedersehen würde.
Zum ersten Mal seitdem sie hier eingezogen war, sah die Schule unter dem fallenden Schnee vollständig aus. Ein Heim, das sie niemals gewollt hatte. Doch jetzt, in der Kälte der Nacht, drehte sie sich im Haupttor um.

Auf dem Hof hatte sie Maze die Tänze ihrer Eltern beigebracht. Nachts, wenn niemand sie dafür auslachte. Mit ihm hatte sie von einer anderen Zukunft geträumt.

Stumm trat Garcy neben sie und schob ihren Fäustling in ihre Hand. Doch dieses eine Mal ließ sie Sidra mit ihren Gedanken alleine. Gab ihrer letzten Erinnerung an diesen Ort Platz sich ungetrübt zu verfestigen.

„Ich habe was für dich." Für einen Moment wühlte Naim in ihrer Tasche herum, bis sie eine Kette zum Vorschein brachte, deren Anhänger blutrot gegen die Sterne glitzerte. Sie schniefte und Sidra tat so, als wäre es von der Kälte. „Ich werde hierbleiben und versuchen euch so viel Vorsprung wie möglich zu geben, deswegen denke ich, dass es besser ist, wenn du das hier mitnimmst."

Stirnrunzelnd nahm Sidra das Schmuckstück entgegen.
„Ist das...?"

Naim nickte. „Sie wird fürchterlich wütend sein. Also lauft. So weit und so schnell ihr könnt."

Ihre Worte folgten Sidra und Garcy wie ein Geist in den Wald hinein. Die Schultern gegen die Kälte hochgezogen, liefen sie immer tiefer zwischen die Bäume, bis die letzten Lichter der Schule verschluckt wurden. Das Flüstern des Schnees ihr einziger Begleiter, der ihre Fußspuren verdeckte.

✥✥✥

Ach Sidra... 


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