Die nächste Stunde verbrachten wir damit, das Lied in Dauerschleife zu hören, während wir die Wände fertigstrichen und nebenbei tanzten und herumträllerten.
"Kathy, aufwachen!"
Meghans zuckersüße Stimme hauchte an mein Ohr.
"Nein", nuschelte ich verschlafen. Ohne auch nur die Augen zu öffnen, drehte mich auf die andere Seite und versuchte dort weiterzuschlafen.
Normalerweise hätte meine mittlerweile gute Feundin mich auch gelassen, nur heute schien sie mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein. Ehe ich mich versah wurde mir die Decke eiskalt weggezogen.
"Was zur...?!", begann ich zu motzen, doch es verschlug mir schnell die Sprache, als ich mitten in das Gesicht einer Frau blickte. Eine fremde Frau. In meinem Zimmer.
Kritisch beäugte ich die, die meinen Schönheitsschlaf gestört hatte.
Ihr porzellanfarbenes Gesicht war übersät mit kleinen, vom Leben gezeichneten Fältchen und silberne seidig schimmernde Haarsträhnen umrahmten es, während der Rest ihrer Haare zu einer straffen Frisur hochgesteckt wurde.
Ihre grauen Augen strahlten eine gewisse Kühle aus, ebenso wie ihre steife Haltung.
"Miss Katherine, mein Name ist Millicent Wright. Ich wurde vom Königshaus in den Dienst gerufen und soll Ihnen den Umgang in der Gesellschaft nahebringen."
Sofort wusste ich, dass Königin Eva für den Besuch dieser Frau verantwortlich war. Immerhin sollte sich mein Verhalten ihrer Meinung nach ändern.
"Okay?", sprach ich unter ihrem erwartungsvollen Blick.
Ich verstand nicht, was sie wollte, dass ich antworte.
Hilfesuchend sah ich zu Meghan.
"Millicent ist eine langjährige Freundin der Königsfamilie und wird sehr für ihre Arbeit hier geschätzt", sprach meine Lebensretterin und lenkte somit die Aufmerksamkeit von Millicent auf sich.
In den Augen der älteren Dame breitete sich Stolz aus, weil sie die seltene Ehre hatte, als Freundin der britischen Königsfamilie bezeichnet zu werden.
Nach ihrem kurzen Glücksmoment wandte sie sich mir wieder zu.
"Sie werden die nächsten Tage nach einem gewissen Zeitplan unterrichtet und Ihre Mitarbeit in meinem Unterricht wirkt sich auf Ihre Freizeit aus."
Na toll! Da hat man schon Ferien und muss trotzdem Unterricht machen!
Meine Lehrer würden sich darüber bestimmt freuen.
"Okay. Wann fangen wir an?", fragte ich mit einem Blick auf mein Handy.
Es war 08:07 Uhr. Viel zu früh, um an einem Ferienmorgen aufzuwachen, geschweige denn aufzustehen.
"Jetzt sofort. Auch in Zukunft werden Sie um acht Uhr aufstehen und in den Tag starten. Im Königshaus wird Disziplin hoch anerkannt, welche Sie offensichtlich noch erlernen müssen."
Die Königin hatte mich bei dieser Millicent Wright wohl schlecht gemacht. Ich kann einerseits verstehen, dass ich mich in den letzten Tagen etwas daneben benommen hatte, aber unter der Gürtellinie war ich noch nicht angekommen. Demnach sollte eigentlich alles im grünen Bereich sein.
"Noch eine Sache...", sagte sie, ging dabei unter meinem Blick auf mich zu und ehe ich mich versah hatte sie mein Handy in ihrem Besitz.
"Hey, was soll das?!", rief ich völlig außer mir.
"Aha, ich sehe schon welche Umgangsformen Sie an den Tag legen. Da müssen wir schleunigst Abhilfe schaffen", erwiderte Millicent fachmännisch und ließ mein Smartphone in ihrer Rocktasche verschwinden.
"Sie dürfen mir nicht mein Eigentum wegnehmen! Das steht sogar in den zehn Geboten!"
"Ich habe die Erlaubnis des Königshauses erhalten, demnach bin ich zu dieser Tat bemächtigt. Das hat nichts mit Gott und den zehn Geboten zu tun."
Da hat man mal im Religionsunterricht aufgepasst und kann es trotzdem nicht anwenden!
Wie ein trotziges Kind sitze ich, mit verschränkten Armen und dem Blick auf den Boden gerichtet, im Bett.
"Ich erwarte Sie in 20 Minuten im Speisesaal, damit wir mit den Tischmanieren beginnen können."
Mit diesen Worten verließ Millicent mein Zimmer.
"Warum?", rief ich verzweifelt und ließ mich theatralisch in die Kissen zurückfallen.
Meghan gab ein verhaltenes Lachen von sich und tätschelte sanft mein Bein.
"Komm Kathy, ich helfe dir beim Heraussuchen von deinen Klamotten."
Grummelnd quälte ich mich aus dem Bett und folgte meiner Freundin zum Kleiderschrank.
Kurz darauf steckte ich auch schon in Rock, Bluse und passendem Blazer, was zwar nicht schlecht an mir aussah, aber Hoodie und Leggings hätte ich eher bevorzugt.
Ich wusste schon jetzt, dass dieser Tag anstrengend werden würde und ich freute mich schon jetzt.
◇
Vor Anstrenung stöhnend ließ ich mich auf den Holzboden fallen.
Millicent Wright und ich befanden uns in einem der Unterrichtsräume, wo ich schon seit Stunden meine Zeit mit dämlichen Übungen verbrachte.
Eben haben wir damit begonnen, mir Bücher auf den Kopf zu packen, damit ich aufrecht und zugleich grazil durch das Leben schreite. Bis vor einigen Tagen noch habe ich das mit dem Bücherstapel auf dem Kopf für ein Klischee in Prinzessinnenfilmen und -büchern gehalten, aber siehe da jetzt mache ich selbst auch noch diesen Mist.
"Aufheben und von da hinten starten", ertönt Millicents strenge Stimme hinter mir, welche mich schon den ganzen Tag gerügt hatte.
Bisher habe ich versucht meine Agressionen auf ihren nervenden Unterton zu unterbinden, aber es wird mit der Zeit immer schlimmer, sich bissige Antworten zu verkneifen.
Ein tiefer Atemzug, dann richtete ich mich auf und sammelte ein Buch nach dem anderen ein, um sie anschließend auf meinen Kopf zu packen und erneut vom Anfangspunkt zu starten.
Nach zwanzig weiteren Versuchen durfte ich zum Glück aufhören und Millicent sagte mir, dass wir für heute Schluss machen würden. Meiner Meinung nach wurde es höchste Zeit dafür, da es schon halb fünf abends war.
Erschöpft verabschiedete ich mich von meiner königlichen Lehrerin und schlurfte im Anschluss in mein Zimmer.
Zu meiner Überraschung lag mein Smartphone im Bett, als wäre es niemals weg gewesen. Dankbar umgriff ich es und flüsterte: "Endlich habe ich dich wieder."
Ich schrieb meiner Mom schnell, wie es mir ging und wählte danach Jessys Nummer, während ich ich es mir im Bett bequem machte.
In knappen Worten berichtete ich ihr von meinem anstrengenden Tag, wobei mir der ein oder andere Gähner herausrutschte.
"Du glaubst nicht, was heute passiert ist, als ich mit Julien am See war...", begann sie aufgeregt zu erzählen.
Da meine Augen müde wurden, schloss ich sie für einen kurzen Augenblick. Jedoch hätte ich nicht gedacht, dass ich kurz darauf wegpenne. Ich meine noch mitbekommen zu haben, dass die Geschichte irgendetwas mit Serena und Mason zu tun hatte.
Dabei fiel mir auf, dass das Treffen mit ihm noch anstand.
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Moin moin,
Jetzt sind es schon 20 Kapitel!
Und die 400 Reads haben wir auch schon geknackt!
Vielen Dank an dieser Stelle!❤
In diesem Kapitel ging es ja um den Unterricht bzw. die Arbeit in den Ferien.
Mich würde interessieren, was ihr zu Ferienjobs, Sprachreisen (die gewöhnlich in den Ferien sind) und sonstigen Arbeiten in den Ferien zu sagen habt.
Bis bald ❤
_summergirl_2001 🌹