Spares - Sag mir wer ich bin

By AlessandraWinter

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„Sie sind nicht unsterblich Alice. Mach sie nicht zu den Göttern, für die sie sich bereits ohnehin halten. Si... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20

Kapitel 17

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By AlessandraWinter


Sie stürmen in dunkelgrauen Uniformen auf mich zu, immer schneller, erbarmungslos.

Ich bleibe stehen und warte, denn ich weiß, der Tod rückt näher, immer schneller, erbarmungslos

Sie heben Waffen, schwarz wie der Tod und Bumm, Bumm ...

Ich richte mich auf lausche meinem Herzschlag nach. Für wen schlägt es?

„Alice", ertönt mein Name, ich weiß nicht wer ihn sagt, aber es klingt in wie ein Gebet. Liebevoll. Mein Herz schmerzt. Ich blicke an mich herab und entdecke helles Blut auf dunklem Grau, das sich immer weiter ausbreitet - tödlich rote Flammen auf dem tristen Alltag der Angst.

Bumm, Bumm... zerreißt mein Herzschlag ein letztes Mal die Stille.

Und während es Schwarz um mich herum wird, spüre ich eine federleichte Berührung an meinen Lippen, die leise meinen Namen flüstert.


Das Erste, was ich vernehme sind leise, geschäftige Stimmen und ein beruhigend gleichmäßiges Piepen, das aus allen Richtungen zu kommen scheint.

Das Erste, woran ich denke ist, dass ich nicht tot bin. Ich fühle mich gut und ausgeschlafen. Dann fällt mir ein, dass meine Schwester tot ist.

Und plötzlich bricht alles auf mich ein, die ganze Flut an Erinnerungen und Gefühlen kehrt zurück.

Das Piepsen beschleunigt sich ein wenig, es macht mich nervös.

„Ist alles in Ordnung mit ihr?", ertönt eine besorgte Stimme. Ich bewege mich nicht. Versuche gleichmäßig zu atmen. Ich habe Angst davor die Augen aufzuschlagen, Angst davor ein neues Leben anzunehmen. Mich selbst zu verlieren...

Irgendetwas raschelt neben mir, es kommt näher. Ich kann es nicht sehen, aber ich spüre es dicht neben mir.

Der Drang wird immer stärker, schließlich öffne ich die Augen. Es ist ein Mann in weißen Klamotten, der an einem Beutel herum nestelt, welcher neben meinem Bett hängt. Über mir taucht grelles Licht das Zimmer in stumpfe Farbe. Ich muss kurz blinzeln. Das Licht erinnert mich an die Trakte, aber niemand dort hätte jemals weiß getragen.

Ich weiß auch warum – für einen Ort wie ihn wäre es zu rein

... zu unschuldig gewesen.

„Godric, sieht nur", erklingt eine melodische Stimme und plötzlich schieben sich zwei Gesichter in mein Blickfeld. Sie wirken warm und weich. Ihre Blicke sind besorgt und sanft, als wäre ich das Kostbarste auf der Welt.

„Mama, Papa?", höre mich selbst flüstern und bin verwirrt, wie liebevoll diese Worte aus meinem Mund klingen. Niemals sollten meine Lippen diese Worte so liebkosen. Sie sind der Gegner, sie haben mich weggegeben.

„Ja mein Schatz, wir sind hier. Wie geht es dir?", tönt es tief und beruhigend neben mir und eine große, feste Hand drückt meine.

Ich erinnere mich wieder an den Plan. Ich sollte eigentlich alles vergessen haben und mich erst nach und nach erinnern. Ich bin ein miserabler Spion.

„Wo bin ich?", frage ich vermeintlich verwirrt und versuche mich aufzurichten. Ein höllischer Schmerz schießt durch meine Brust. Das schmerzverzogene Gesicht muss ich nicht spielen.

Entsetzt blicke ich in den Ausschnitt meines Oberteils. Eine hässliche Wunde zieht sich über mein Brustbein und pocht empfindlich bei dieser leichten Bewegung. „Was...", bringe ich nur hervor.

Da haben sie wohl vergessen eine Kleinigkeit zu erwähnen...

Mit Tränen in den Augen lasse ich mich zurück ins Kissen sinken und versuche nicht an das abscheuliche klaffende Ding zu denken, das mich für den Rest meines Lebens an diesen Moment erinnern wird.

Gleichzeitig schalte ich mich selbst für meine Dummheit, natürlich brauche ich eine Narbe. Schließlich soll ich gerade eine Herzoperation hinter mir haben.

Und wo ich schon dabei bin auch gleich für mein unangebrachtes Rumgeheule. Meine Zwillingsschwester ist tot und unsere Eltern stehen dort und denken sie hätte überlebt. Und ich furchtbarer Mensch habe vor ihnen vorzuspielen alles sei wie immer. Auf der anderen Seite scheinen sie nicht gerade bekümmert, dass sie gerade ein anderes Kind verloren haben... mich.

Was sie ja nicht haben... aber das wäre nach den Umständen, die sie annehmen der Fall.

Mein Kopf hämmert.

„Liebes, es tut mir so leid. Aber bald lösen sich die Nähte auf und die Wunde verheilt. Dann sieht man es kaum mehr", meint meine Mutter bekümmert und setzt sich neben mich auf das Bett. Sie hat dieselben Augen wie ich.

Ich schüttele kurz den Kopf und versuche mich eines Besseren zu besinnen, denk an den Plan Alice.

„Wo bin ich Mum?", sage ich in meinem besten erstickten Tonfall und denke mir wie unglücklich es ist, dass ausgerechnet ich in so eine Lage komme und schauspielern muss – ich glaub ich bin nicht besonders gut darin. Es hat mich schon immer alle Kraft gekostet mir meinen Abscheu vor den Protektoren nicht anmerken zu lassen.

„Godric", meint sie besorgt. Er legt ihr sanft die Hand auf die Schulter: „Ist schon gut Liebling. Schatz, du bist im Krankenhaus, du musstest operiert werden. Dein Herz hätte das nicht mehr durchgehalten."

Ja, denke ich verbissen, nehmen wir es doch der Spare weg, guter Plan.

„Krankenhaus? Was soll die Narbe? Was ist mit meinem Herz? Was ist passiert? Hatte ich einen Unfall?", ich bemühe mich meine Stimmer schneller werden zu lassen und gegen Ende hin überschlägt sie sich fast. Ich bin wahnsinnig stolz auf mich.

Leider sehen beide ziemlich verunsichert aus. Gegen meinen Willen empfinde ich Mitleid mit ihnen.

„Bleib du doch bei ihr", meint mein Vater zu meiner Mutter und gibt mir einen leichten Kuss auf die Stirn: „Ich werde kurz nach dem Arzt sehen und mich erkundigen, ob alles in Ordnung ist."

Ich fühle mich schrecklich - Lügen liegt mir wirklich nicht besonders.

Nun ja,... noch nicht. Denn wie es scheint, werde ich viel Gelegenheit zum Üben haben.

„Hm, ungewöhnlich", meine eine kleine untersetzte Frau, während sie mir aus unerfindlichen Gründen mit einer hellen Lampe in die Augen leuchtet. Ich habe schließlich kein Problem mit meinen Augen, sondern mit meinem Gedächtnis. Ich glaube ich mag sie nicht, sie hat einen breiten Hintern, den sie beim Laufen immer ganz seltsam hin und her schwingt.

„Aber sie hat sie erkannt?", erkundigt sie sich weiter und meine Eltern nicken brav. Sie liegt noch hier, denke ich mir verbissen und fühle mich schon wieder bevormundet.

Endlich nimmt sie auch mich zur Kenntnis: „An was kannst du dich erinnern? Wie heißt du?"

Leandra. Leandra.

...Leandra

Wie gerne würde ich ihn herausschreien. Rufen. Flüstern. Wispern. Aber ich kann nicht. Da liegt er dunkel und schwer auf meiner Zunge und darf mir nicht über die Lippen kommen. Es fühlt sich so falsch an. Aber ich schlucke ihn und mein Geständnis wieder hinunter. Verwahre meine Erklärungen und diesen so fremdklingenden Namen in meinem Inneren.

Der Name, der für so viel mehr steht als die Person, die an meiner statt hier liegen sollte ...mit meinem schlagenden Herzen in ihrer Brust

Auch wenn sie nicht mehr ist, so sind wir verbunden durch etwas das sie Gene nennen. Blut ist dicker als Wasser, kommt mir in den Sinn. Und dieser Ausspruch aus den Büchern macht mit einem Mal so viel mehr Sinn. Denn vorher gab es niemanden mit dem ich durch Blut verbunden war.

Und durch die lächerliche Aneinanderreihung von Ereignissen bin ich nun hier. Fühle mich wie eine von ihnen, obwohl es niemals für mich vorgesehen war.

Meine Gedanken zeichnen sich auf meinem Gesicht ab bevor ich es verhindern kann. All der Schmerz, die Furcht vor Verlust und Ungewissheit huschen durch meine Augen und malen Furchen auf meine Stirn.

Die Ärztin sieht mich prüfend an und ich schlucke schwer. Haben meine Gefühle mich verraten?

Aber sie hat meinen Gesichtsausdruck missverstanden, denn plötzlich zeichnet ein Lächeln kleine Fältchen in ihr Gesicht, das sie um etliche Jahre jünger und bedeutend sympathischer macht: „Dein Name wird dir bald wieder einfallen, das ist nicht so schlimm,. Im Gegenteil, das bestätigt lediglich die Annahme einer retrograden Amnesie."

„Wie schlimm ist es? Wird sie sich wieder an alles erinnern können?", fragt meine Mutter leise. „Es ist wie gesagt sehr ungewöhnlich. Kurze Verwirrtheit nach der Narkose kann durchaus vorkommen, aber so einen Fall habe ich bis jetzt noch nicht erlebt. Dennoch", meint die Ärztin und unterbricht ihre Ausführung mit einem kurzen Lächeln: „Dennoch ist es nichts Schlimmes. Ihre Erinnerungen werden vermutlich in alltäglichen Situationen oder beim Anblick bestimmter Bilder wieder zurückkehren. So wie ihre Gesichter genügt haben, dass sie sich an sie erinnert."

Die zwei Menschen an dem Bettende lächeln dankbar und bedenken mich mit einem liebenden Blick.

Sie wissen nicht welchen Verlust sie erlitten haben, nicht wer dort im Bett liegt, auch nicht, dass ihre Tochter nie mehr sein wird, wie sie einmal war.

Sie werden sagen nach der Operation war sie ganz verändert. Werden mutmaßen es läge an der Amnesie. Sie werden denken, dass ihr Kind nun eine ganz andere Person ist.

Und nie wissen, wie Recht sie damit haben.


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