Lucinda Rose

By HeyGuys77

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***Die 7. Co-Produktion von Tyskerfie und mir*** England, 1845 Lucinda Rose Thornton widerstrebt es zutiefst... More

Klappentext
Prolog
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By HeyGuys77

Der Ball. Der große Ball. Der große, furchteinflößende Ball.

Das erste gesellschaftliche Event, bei dem sich Bailian und Lucinda als Lord und Lady Bailian White zeigen würden und das frisch verliebte Paar geben müssten, das gerade aus den Flitterwochen kam und dabei sprachen sie nicht einmal mehr ein Wort miteinander.

Seit Lucinda Bailian ihres Schlafzimmers verwiesen hatte, gingen sie sich gegenseitig den ganzen Tag schon aus dem Weg. Und nun saß sie hier vor ihrem Frisiertisch und ließ sich von Mia die Haare zu einer kunstvollen Frisur hochstecken, da sie in nicht einmal einer Stunde zu diesem unsäglichen Ball aufbrechen mussten, bei dem Lucinda den ganzen Abend an Bailians Seite würde lächeln müssen.

Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr, der Mia zusammenzucken ließ.

"Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Mylady? Habe ich Sie mit den Haarnadeln gestochen?"

"Aber nein, Mia", beruhigte Lucinda sie. "Es ist alles in bester Ordnung, ich bin nur meinen Gedanken nachgehangen."

Ein paar Minuten später hatte Mia alle losen Haarsträhnen festgesteckt und Lucindas Haare mit ein paar einzelnen Perlen geschmückt. "Fertig, Mylady. Wie gefällt es Ihnen?"

Lucinda drehte ihren Kopf ein wenig in beide Seiten, um sich genauer im Spiegel betrachten zu können.

"Das ist ganz zauberhaft, Mia, vielen Dank." Wie immer, wenn Lucinda ihr ein Kompliment machte, errötete Mia ein klein wenig vor Freude. Lucinda war ihr ewig dankbar, dass sie sich immer solche Mühe gab, sie reizend und schön wirken zu lassen, sicherlich in der Annahme, dass sie ihrem Ehemann gerne gefallen wollte.

Ihrem Ehemann, der für sie wie ein Fremder war.

Obwohl Lucinda und Bailian fast einen Monat lang verheiratet waren, hatte sie manchmal das Gefühl, dass sie jetzt genauso wenig über ihn wusste, wie damals als sie ihn im Krankenbett gepflegt hatte. Lediglich seinen Namen wusste sie jetzt.

Dabei sehnte sie sich so nach seiner Nähe, seiner Vertrautheit, seinem Wohlwollen. Doch zwischen ihnen standen zu viele Konflikte, Missverständnisse und anscheinend auch Geheimnisse. Ihr tat das Herz weh vor Sorge, wenn sie an den Bluterguss an Bailians Seite dachte. Was war nur geschehen? Und wieso hielt er sie außen vor? Wieso durfte sie sich nicht um ihn sorgen?

Lucinda stand auf und ließ Mia ihr dabei helfen, das prunkvolle Kleid für den Abend anzuziehen. Das Korsett schnürte ihr die Luft ab.

Genauso wie der Kuss gestern.

Jedes Mal, wenn sie an Bailians Lippen auf ihren dachte, raste ihr Herz und eine Hitzewelle flutete durch jede Faser ihres Körpers. Sie wusste jetzt, wie sehr sie sich gewünscht hatte, von Bailian geküsst zu werden. Dass ihr Körper ihr keinen Streich gespielt hatte, jedes Mal, wenn er sie, wenn auch nur flüchtig, berührt hatte. Sie reagierte auf Bailians Nähe.

Ging es ihm genauso? Oder hatte er wieder einmal ganz andere Absichten als sie?

Wieso hatte er sie eigentlich geküsst? Weil er es wollte oder weil er seine Ruhe haben wollte und sie so zum Schweigen hatte bringen können?

Ihr Blick fiel auf ihren Frisiertisch, wo gestern Abend noch die leere Weinflasche gestanden hatte. Sie wusste, dass manche Menschen durch zu viel Alkohol in ihrem Gedächtnis beeinträchtigt wurden. Sie konnte sich noch zu gut an den Vorabend erinnern. Anscheinend musste wesentlich mehr getrunken werden, um diesen Effekt zu erzielen. Fast wünschte Lucinda sich, dass sie sich nicht an den Streit mit Bailian erinnern konnte. Es tat zu weh, dass sie wieder einmal nicht miteinander sprachen. Es tat zu weh, dass ihr erster Kuss so ausgefallen war.

"Sie sehen wunderschön aus, Mylady."

Mias sanfte Stimme riss Lucinda aus ihren Grübeleien. Sie hob den Kopf und betrachtete sich im Spiegel, perfekt hergerichtet, ihres Eintritts in die Londoner Gesellschaft würdig.

Wäre Bailian der gleichen Annahme?

"Danke, Mia."

Mit einem letzten Blick in den Spiegel und einem tiefen Atemzug, um sich zu wappnen, wandte sich Lucinda von ihrem Spiegelbild ab und verließ das Zimmer. Sie durchschritt die Flure, die ihr nach diesem vergangenen Monat inzwischen so vertraut und gleichzeitig noch immer so fremd vorkamen. Mit jedem Schritt, den sie Bailian entgegenlief, fühlten sich ihre Beine mehr wie Blei an und ihr Herz klopfte wild.

Und dann sah sie ihn dort in der Eingangshalle stehen, auf ihr Erscheinen wartend. Als er sie hörte, drehte er sich zu ihr um und Lucinda versuchte in seinem Gesicht eine Reaktion zu erkennen.

Aber nichts. Seine Miene blieb absolut regungslos.

Als sie direkt vor ihm stand, wich sie seinem Blick aus. Bailian räusperte sich.

"Das Kleid steht dir sehr gut", sagte er schließlich und Lucinda überwand sich und hob ihren Blick.

"Danke."

"Bist du bereit?" Bailian sah Lucinda an und sie konnte seinen Blick nicht recht deuten. Machte er sich Sorgen? Und wenn ja, waren es Sorgen um ihr Wohl oder befürchtete er, dass sie ihn blamieren könnte?

"Ja, so bereit wie ich es nur irgendwie sein kann", nickte Lucinda schließlich und akzeptierte Bailians Arm, den er ihr anbot. Sie atmete noch einmal tief durch und nahm sich fest vor, sich ebenso wie Bailian hinter den guten Umgangsformen zu verstecken.

Vielleicht würden Bailian und sie heute Abend nicht wie ein frisch verliebtes Paar wirken, aber letztendlich waren sie dies ja auch nicht. Ihre Ehe war, wie viele andere auch, arrangiert. Eine Lösung, die beiden Seiten Vorteile brachte, auch wenn sich Lucinda immer öfter fragte, ob die Vorteile die Nachteile dieser Bindung tatsächlich überwogen oder ob sie lieber fortlaufen hätte sollen.

Als Bailian ihr in die Kutsche half, warf sie ihm noch einmal einen kurzen Blick von der Seite zu und fragte sich, ob Bailian ihr Segen war oder doch ihr Fluch.

***

Je länger die Kutsche fuhr, desto nervöser wurde Lucinda. Unbewusst knetete sie ihre Hände, ein kleiner Ausdruck ihrer inneren Unruhe, der Bailian offenbar auch nicht verborgen blieb.

"Du musst nicht so nervös sein. Du wirst deinen Platz in der Londoner Gesellschaft schon finden."

"Es ist nur alles so neu für mich und ich weiß nicht genau, was mich erwartet", gestand Lucinda. Natürlich hatte sie bereits Bälle besucht. Aber diese hatten ländlichen Charakter aufgezeigt, nicht Großstadtcharakter wie der heutige Abend.

"Ich bin ja auch noch an deiner Seite", versicherte Bailian ihr überraschend sanft. Wehmut überkam Lucinda. Nach den letzten Wochen fiel es ihr schwer, seinen Worten Glauben zu schenken.

"Bist du das?", fragte sie ihn leise und sah ihn fest an.

"Darauf habe ich dir mein Wort gegeben und mein Wort halte ich immer."

Lucinda erwiderte darauf nichts. Es war richtig, Bailian hatte stets getan, was er gesagt hatte und sie nie angelogen – zumindest wovon sie wusste – aber er enthielt ihr Informationen vor und das war ihrer Meinung nach genauso unehrlich.

Trotz ihrer Konflikte und Dispute wollte sie jedoch auf keinen Fall, dass auf Bailian ihretwegen ein schlechtes Licht geworfen wurde und deswegen wollte sie alles daran setzen, einen guten ersten Eindruck in der Gesellschaft zu machen.

Da traf sie ein Gedanke.

"Dies ist auch dein erster öffentlicher Auftritt seit deinem..." Sie wollte schon 'Skandal' sagen, besann sich jedoch eines Besseren. "Seit du London verlassen hast, um zu deinem Onkel zu fahren, oder?"

Er nickte knapp.

Da saß sie also und machte sich Sorgen darum, wie andere über sie dachten, dabei würde die ganze Aufmerksamkeit eher auf Bailian liegen, der dazu gezwungen worden war, die Stadt mit einem miserablen Ruf fast fluchtartig zu verlassen. Ein kleines Schnauben entfuhr ihren Lippen.

"Ich sagte ja, du brauchst nicht nervös zu sein, solange ich an deiner Seite bin", kommentierte Bailian mit einem schiefen Grinsen, als habe er ihre Gedanken erraten, als die Kutsche in dem Moment über eine holprige Stelle auf der Straße fuhr und ein kurzer Ausdruck des Schmerzes über sein Gesicht glitt.

Lucinda fragte sich, ob er Schmerzen hatte, die mit dem Bluterguss zusammenhingen, wollte aber nicht nachfragen, um ja nicht eine weitere Auseinandersetzung anzustacheln. Gab er ihr keine Vertrautheit, gab sie ihm einfach kein Mitleid, dachte sie zynisch.

"Wenn dein Ruf so schlecht war, wieso sind wir dann heute eingeladen worden?", fragte sie stattdessen. Sie hatte sich eigentlich keine zu großen Gedanken darüber gemacht, ob Bailian aufgrund der abgesagten Verlobung von der Gesellschaft ausgeschlossen worden war und vielleicht nur schwer, wenn nicht sogar niemals, wieder akzeptiert werden würde. Das hätte auch für sie weitreichende Konsequenzen, die sie sich sicher nicht einmal vorstellen konnte.

Bailian überlegte kurz, ließ seinen Blick zu ihr schweifen. Er zuckte mit den Schultern. "Ich denke, wir können davon ausgehen, dass man mir mein Verhalten angesichts der Eheschließung mit dir vergeben hat. Ich habe eine zweite Chance bekommen, sozusagen. Aber am meisten zählt wahrscheinlich die Neugier des ganzen Adels. Sie fragen sich sicherlich, was mich dazu bewogen hat, eine nicht-Adelige zu heiraten, keine Reiche noch dazu. Welche Vorzüge du haben musst, seit ich meinen Blick auf dich geworfen habe." Er grinste sarkastisch. "Aber glaube mir, ein weiterer 'Fehltritt', und sie werden uns für immer in die eisige Peripherie der Gesellschaft verdrängen. Denn letzten Endes interessiert sich keiner auch nur ansatzweise für uns. Die Freundlichkeit, die dir heute Abend entgegenbracht wird, wird gespielt sein. Die Herzogstöchter, die Gräfinnen, ihre weiblichen adeligen Verwandten... Sie wollen ihre Sensationslust stillen, um beim nächsten Nachmittagstee saftigen Klatsch und Tratsch verbreiten zu können, aber keiner wird daran interessiert sein, mit jemandem wie dir wahrlich befreundet zu sein."

Lucinda wollte schon protestieren, als Bailian beschwichtigend die Hand hob. "Lucinda, ich sage das nicht, um dich zu kränken. Ich bezweifle nämlich, dass in diesen Kreisen wahre Freundschaften überhaupt möglich sind. Das liegt nicht an dir. Das liegt an der Oberflächlichkeit der Gesellschaft. Mir wäre es egal, nein, sogar lieber, müsste ich nicht mit diesen lügenhaften, betrügerischen Menschen sozialisieren. Man kann ihnen nicht vertrauen. Doch ist man auf ihr Urteil angewiesen, auf das man jedoch nur minimalen Einfluss hat. Einen gewissen Status zu erreichen, wird für uns von Vorteil sein, wird für dich zum Vorteil sein und dein Leben einfacher gestalten können und deswegen, nur deswegen, habe ich die Einladung überhaupt angenommen."

Lucinda schwieg und wandte den Kopf von ihrem Mann weg. Wieder einmal kam sie sich dämlich und naiv vor. Hatte sie wirklich gedacht, dass sie in diese Welt passen würde? Dass sie vielleicht eine Vertraute finden könnte? Eine Freundin, die ihr zur Seite stand, jetzt wo Marie so weit entfernt lebte?

Sie musste auf der Hut sein. Waren die Menschen, denen sie heute Abend präsentiert werden würde, tatsächlich so, wie Bailian sie beschrieb, konnte sie wahrlich keinem vertrauen.

Hatte Bailian sogar genau deswegen selbst Freundschaften zu jemandem wie Elliot, der aus der oberen Mittelschicht stammte und nicht aus dem Adel? Weil man ihm vertrauen konnte?

Dass ihr Mann Wert auf Ehrlichkeit, Vertrauen und Freundlichkeit legte, freute sie tief in ihrem Herzen. Bailian war ein Mann mit Substanz und guten Absichten und ihr Herz zog sich freudig zusammen bei dem Gedanken daran, dass er ihr Mann war. Dass er diese Eigenschaften ihr gegenüber aber nicht zu zeigen vermochte, ernüchterte sie jedoch auf einen Schlag.

Sie passte also nicht in die Gesellschaft und auch nicht in ihre Ehe.

Lucinda kam sich unendlich einsam vor.

Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt ist das neue Lucinda-Kapitel endlich fertig!

Zwischen den beiden herrscht ja gerade nicht die rosigste Stimmung... Bekommen sie es wieder auf die Reihe? Was denkt ihr, passiert als nächstes?

Wir wünschen euch noch einen schönen Abend und hoffen, ihr hattet Freude beim Lesen! <3

Eure Eliza Hart

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