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Lucinda

Ein Tag war vergangen. Ein ganzer Tag, an dem Bailian und Lucinda wieder kaum ein Wort gewechselt hatten. Aber hatte Lucinda die letzten Wochen das Gefühl gehabt, Bailian würde sie einfach ignorieren und sich nicht für sie interessieren, so hatte sie jetzt das Gefühl, dass ihm ebenso unbehaglich zumute war wie ihr selbst.

Wie immer war Bailian bereits aus ihrem gemeinsamen Schlafzimmer verschwunden gewesen, als Lucinda aufgewacht war. Dieser Mann war wirklich der geborene Frühaufsteher. Obwohl die eisige Stimmung zwischen ihnen geherrscht hatte, hatte er tatsächlich jede Nacht im selben Bett mit ihr verbracht und nicht in einem der zahlreichen anderen Schlafzimmer genächtigt.

Jeder von ihnen hatte dem anderen den Rücken zugewandt und sich im Bett so weit wie möglich voneinander fern gehalten, sodass ebenso gut eine Schlucht zwischen ihnen hätte sein können und nicht nur ein paar Zentimeter eines Bettes.

Am heutigen Morgen war Lucinda noch eine Weile im Bett liegen geblieben, hatte die Decke angestarrt und nachgedacht. So wie es im Moment zwischen ihnen lief, wollte sie ihre Ehe nicht führen. Dieser Zustand war schlicht auf Dauer nicht tragbar. Also beschloss Lucinda, dass sie alles daran setzen würde, etwas daran zu ändern, egal wie oft Bailian sie wegstoßen würde. Sie wusste, dass er auch eine andere Seite hatte und diese würde sie mit allen Mitteln hervorlocken.

Lächelnd schwang sie die Beine aus dem Bett und klingelte nach Mia, die nur wenige Augenblicke später das Zimmer betrat, als hätte sie bereits auf ihr Signal gewartet.

"Mia, such mir bitte mein hübschestes Tageskleid heraus und dann sag Ms. Davies Bescheid, dass ich sie gleich aufsuchen werde. Wir haben ein Friedensangebot vorzubereiten!"

"Sehr wohl, Mylady", antwortete Mia, auch wenn Lucinda an ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte, dass sie mit der kryptischen Aussage ihrer Herrin nicht viel anfangen konnte. Loyal wie üblich half sie ihr jedoch, ohne auch nur eine Frage zu stellen.

Einen genauen Plan hatte Lucinda im Grunde nicht. Aber sie befürchtete, dass wenn sie nicht den ersten Schritt wagte, dann würde sich nichts tun. Deswegen erschien sie kurz darauf in der Küche, wo Ms. Davies schon auf sie wartete. Daneben stand Mrs. Brown, die vom Kochen schon ganz rote Wangen hatte, obwohl es noch Morgen war.

"Mylady", sagten beide und machten den üblichen Knicks, der Lucinda immer unnötiger und unnötiger vorkam.

"Wünschen Sie, das heutige Menü gutzuheißen?", ergriff Ms. Davies das Wort.

"Nicht ganz, ich habe einen Wunsch für den heutigen Tag und ich hoffe, dass es mit dieser kurzen Frist möglich ist."

Die Hausdame und die Köchin sahen erwartungsvoll zu ihr. Lucinda wusste nicht, was sie sich vorstellten, dem fast ängstlichen Blick nach zu urteilen, das Schlimmste.

"Ich möchte Lord White gerne mit einem Shepherds Pie überraschen."

Mrs. Brown seufzte erleichtert auf. Ms. Davies zeigte keinerlei Regung in ihrem Gesicht.

"Mylord ist mittags nicht zugegen, wir werden das Menü für heute Abend also ändern."

Kurz huschte Überraschung über Lucindas Gesicht, aber dann wollte sie sich die Blöße vor den Dienstboten nicht geben, dass sie über den Tagesablauf ihres Mannes nicht unterrichtet war.

"Aber natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen! Gut, dass Sie alles im Griff haben, Ms. Davies. Dann wird es wohl erst heute Abend Shepherds Pie geben. Ich danke Ihnen beiden für Ihre Flexibilität." Mit einem warmen Lächeln verabschiedete sich Lucinda, aber kaum hatte sie den beiden Frauen den Rücken zugewandt, ließen sich Kummer und Zorn nicht mehr in ihren Gesichtszügen verbergen.

Lucinda RoseWhere stories live. Discover now