𝐓𝐡𝐢𝐫𝐭𝐲 𝐨𝐧𝐞

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Er schien sich seine Antwort genau zu überlegen, bevor sich seine Lippen spalteten. „Taehyung, deine Mutter ist nicht ganz die, für die du sie hältst." Die dunklen Pupillen meiner Augen weiteten sich, als könnten sie somit die Information aus ihm heraus saugen. Die Pausen, die er nach jedem Satz hinterließ, sorgte dafür, dass ich nervös vor und zurück wippte. Die Suppenschalle lag unberührt in meiner Hand, während ich ungeduldig zusah, wie er sich den Löffel in den Mund schob. Innerlich packte ich die Schalle und donnerte sie gegen die Wand. Äußerlich jedoch versuchte ich mich an einem Lächeln. Es verunstaltete mein Gesicht so dermaßen, dass es innerhalb einer Sekunde wieder zerbrach.

Wie konnte er auch so eine Information in den Raum werfen und anstatt es zu erklären, gemütlich seine Suppe verspeisen?!
Nach dem dritten Versenken des Löffels, richtete ich mich blitzschnell auf. Ich verschüttete Suppe aus meinem Teller und aus seinem, als ich ihm die Schalle aus der Hand nahm. Verdattert sah er mir zu, wie ich die beiden Schallen neben mir auf den Boden abstellte. Anschließend drückte ich mich wieder zurück an die Wand. Meine Augen verbaten ihm auch nur in die Richtung des Essen zu sehen. Sein beleidigtes Murmeln überhörte ich bewusst.
„Warum ist sie das nicht? Was ist mit ihr?"

Wieder Stille, in der ich mit dem Gedanken spielte, ihm den Pott an Suppe einfach über den Kopf zu gießen.
„Was weißt du von dieser Welt, Taehyung?", genervt rollte ich die Augen. Ich war nicht in der Stimmung, Fragen mit Gegenfragen beantwortet zu bekommen. „Was soll ich schon wissen?", grollte ich zurück. Die Luft um mich herum heizte sich auf, so als würden meine wütenden Gedanken sich an ihr vergreifen.
„Weißt du, in welche Königreiche unsere Welt unterteilt wurde? Oder wie deine Mutter deinen Vater traf?"

Perplex schüttelte ich den Kopf. Eigentlich war klar, dass ich es nicht wissen konnte. Mein Bruder vermied alles an allgemein Bildung, was mich irgendwie an seiner Herrschaft hätte zweifeln lassen können. Manchmal erstaunte es mich gar, dass er mir gezeigt hatte, wie man lesen und schreiben konnte. Eins der einzigen Dinge, die mir erlaubt waren, zu tun.

Doch ich kannte die Welt nicht, ich wusste nichts über sie, also fiel mir nie etwas ein, über das ich hätte schreiben können. Weshalb ich mich lieber in Bücher vertiefte. Die Bibliothek war mir nicht erlaubt zu betreten und dies hatte ich in meinen jüngeren Jahren nie hinterfragt, doch Damian hatte mir stattdessen meine eigenen Raum erbauen lassen. Er war kaum entfernt von meinem Zimmer, sodass niemand sehen würde, wenn ich mich herumschlich. Natürlich standen in dieser mini „Bibliothek" lediglich ausgelesenes Zeug, nichts über unsere Welt. Dieser Gedanke zerriss mir das Herz. Die Erinnerungen, die einst mein gesamtes Glück beinhalteten und jetzt so überzogen von Schwärze waren.

Mein Bruder war einmal mein liebster Mensch gewesen. Der einzige, der je mit mir sprechen wollte, abgesehen von Joelina. Es gab Zeiten, da hatte man uns immer zusammen gesehen, ich war Teil seiner kleinen Gruppierung aus Kindern und ich war immer der liebste seiner Brüder. Also hinterfragte ich seine Werte nicht, erst als ich älter wurde, kamen mir Zweifeln.
Einmal hatten wir als kleine Gruppe einen Jungen geärgert, der nach Essen gebettelt hatte. Wir bewaffne ihn mit Steinen und scheuchten ihn vom Hof. Das Lachen, was wir allesamt geteilt hatten, klang noch immer schrill in meinen Ohren nach. Noch heute schmerzte es, daran zu denken.

Wenige Tage später sah ich ihn wieder, er lauerte vor der Küche im Schloss, obwohl es ihm eigentlich verboten war, das Gebäude überhaupt zu betreten. Kaum wollte ich ihn dafür rügen, sprang er auf. Die Angst in seinen Augen war schlimmer als jeder andere Anblick, der mir je begegnet war. Jahre später war sein Gesicht zwar unschärfer geworden, doch dieser Ausdruck in seinem Blick hatte die selbe Wirkung auf mich wie Jahre zuvor.

Er bettelte um Gnade, nicht für sich, für das kleine Mädchen an seiner Hand. Ihm war seine Schwester wichtiger gewesen, als er selbst. Er ging durch die Hölle für sie und erst dann realisierte ich mein Unrecht und die Schandtat, die ich hatte begangen. Und ich schwor mir, nie wieder auf mich selbst zurückblicken zu müssen und mich als Monster zusehen. Also stahl ich kleine Summen für die ausgehungertsten Kinder und grenzte mich von meinem Bruder vollständig ab. Eigentlich tat ich mich gut mit meinem Vorhaben, nie wieder jemanden zu verletzten - bis Jk kam. Bis ich realisierte, dass man manchmal anstatt wegzurennen, hinlaufen sollte.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now