𝐓𝐰𝐞𝐧𝐭𝐲 𝐭𝐰𝐨

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Der Mann zuckte mit den Schultern und sah entschuldigend auf mich herab. Seine Startur wirkte die eines Piraten gerecht, doch mein Herz teilte mir längst mit, dass ich hier einem Teddybären gegenüberstand. Doch wie sehr konnte ich mich bei solchen Entscheidungen noch auf mein Gefühl verlassen? Bisher brachte es mir zwei Fastmorde ein, die ich nicht hätte zurückziehen können.

„Der ist alles, was wir haben, Frau." Mich überraschte die Betitelung ungemein, doch ein Blick auf ihre Hände bestätigte meine Vermutung: Verheiratet. Was ein interessantes Paar. „Na gut. Komm rein." Ihr Mann schubste mich sachte vorwärts, in den kleinen Raum, der allen Anschein nach als Küche bezeichnet werden konnte.

Mit einem Herz vollgefüllt mit Leere und Angst betrat ich das Zimmer, in dem wenige Frauen und Mädchen eilig ein Mahl zubereiteten. Als einziges männliches Wesen fiel ich ungemein auf, auch deshalb, weil ich als einziger das Zittern meiner Knie nicht unterdrücken konnte.
„Du kannst Magda beim Gemüseschneiden helfen.", meinte die Pummelige und zeigte mit einer Hand auf ein kleineres Mädchen. Anschließend schritt sie auf den Herd zu, um selber den brutzelnden Fisch umzuwenden - mit der blossen Hand. Kurz zerschnitt eine Grimasse meine feinen Gesichtszüge, als ich die Augen des toten Tieres irgendwo in der Nähe herum-rollen sah. Auf Hygiene wurde hier definitiv nicht so streng geachtet. Aber was konnte man erwarten, auf dem Deck eines Schiffes, das durch die Hände besoffener Männer geführt wurde?
Etwas unbeholfen näherte ich mich dem kleinen Mädchen, das mich etwas an den Mann mit den fettigen Haaren erinnerte. Ihre Hände waren nicht mal die Hälfte meiner, doch schienen ihre bereits mehr Leben auf dem Buckel zu haben als meine.

„Schneide das." Das Mädchen hatte wesentlich mehr Ähnlichkeit mit der Mutter als dem Vater, den ihre ersten Worte an mich, waren ein Befehl. Ohne zu widersprechen folgte ich ihren Worten und stellte mich neben sie. Mir war es ein Rätsel, wie sie die Karotte in einem Handumdrehen schneiden konnte, auch wenn die Arbeitsfläche ihr weit über die Hüften reichte.
Langsam und zwanghaft durchschnitt das Messer die Kartoffel, die man mir hatte hingelegt. Es hagelte Blicke, aber ich probierte mein bestes, sie zu ignorieren. Zittrig durchtrennte ich die Haut des Rohstoffes, während die anderen schweigend zusahen. Irgendwann erbarmte sich eine der Frauen und nahm mir die Kartoffel aus der Hand.

„Hast du den noch nie Kartoffeln geschnitten?" Keine der Anwesenden schien gut auf mich zu sprechen zu sein, was mich nicht unbedingt überraschte. Ich stellte mich an wie ein Dreijähriger, den man in den Krieg schickte. So fühlte ich mich auch.
„Guck so machst du das." Meine Augen verfolgten das Geschehen und meine Hände versuchten die Bewegungen nachzueifern. „Anfangs ist es schwer, aber nach den ersten Malen hast du es drauf."

Ich schenkte ihr eins meiner ehrlichsten Lächeln und hauchte ein Danke, das sich durch die Akustik des Raumes zwängte. „Gerne", flüsterte sie zurück, bevor auch sie sich wieder an ihre Arbeit setzte.


Am Rande bekam ich mit, wie das Boot den Hafen verließ und in See zu stechen schien. Erst musste ich mich an den wackeliger werdenden Boden gewöhnen, doch die schrille Stimme Frau Hudsons lenkte mich ausreichend ab. Jedesmal wenn sich ein düster Gedanke in meinen Verstand einnisten wollte, rief sie nach mir und halste mir eine neue Beschäftigung auf. Ich war gleichermassen erfreut, wie auch genervt davon. Einerseits begruben mich meine Empfindungen nicht unter sich, andererseits würden es bald meine Glieder tuen, wenn ich nicht in der nächsten Zeit einen Stuhl unter mir zu spüren bekam.

Ihre Befehle ließen mich auch noch nach dem 33. Mal zusammenzucken, während der Rest sich nicht dafür zu interessieren schien. Irgendwie wechselten sie sich in der Küche und den anderen Haushaltsbereichen ab. Mal durfte ich gefühlt fünfhundert Männerhemden falten, mal den Boden auf Hochglanz bulligeren und mal meine Finger auf der Herdplatte verbrenne. Ich machte das, was eben so anstand.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now