15. Kapitel

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„Aufstehen, Linda, es ist Zeit!"

Kíli. Eindeutig übermotiviert. Sie knurrte.

Fíli meinte amüsiert: „Vergiss nicht, Bruder, gestern hat sie uns noch mit dem Tode gedroht, wenn wir ihre Ruhe stören."

„Vielleicht vergesse ich das ganz schnell, wenn ein gewisser Zwerg, dessen Ableben eigentlich schon feststeht, mir mein Frühstück bringt", grummelte das Mädchen verschlafen.

Sie blinzelte. Die Sonne war kaum aufgegangen - Thorin verschwendete nie Tageslicht, so viel hatte auch sie inzwischen gelernt - und ihre kleine Höhle wurde nur spärlich beleuchtet. Dämmerlicht erhellte nicht viel. Vielleicht hätte sie noch weniger erkennen können, wenn das Feuer nicht gewesen wäre, an dem Bombur das Frühstück zubereitete.

Linda setzte sich auf. Sie erkannte Fíli mit einigem Abstand zu ihr, sein Bruder war ihrem Ratschlag gefolgt und kam mit einer Schüssel Getreidebrei zurück. Kíli reichte ihr das dampfende Essen, das sie sogleich hungrig verschlang, nachdem sie sich bedankt hatte.

Als sie einige Minuten später wieder andere Dinge als die Schüssel voll aufgequollener Körner mit schmackhafter Würzung wahrnehmen konnte, hatten die Durinsbrüder ihre Sachen bereits verstaut und kamen zurück zu ihr, um Thorins Anweisungen zu überbringen. „Du musst dich nur um deine eigenen Sachen kümmern, dein Pony ist bereits fertig", war die Antwort des Älteren auf die ungestellte Frage Lindas, die beide nur den Kopf schief gelegt angeblinzelt hatte.

Folglich rollte das Mädchen ihren Umhang innerhalb weniger Augenblicke zusammen, griff sich ihre Tasche und schnallte sich Gebirgsfrost um. Noch war sie zwar noch nicht so schnell wie die Zwerge, aber sie handelte nicht mehr ineffektiv. Mit raschen Schritten folgte sie Fíli und Kíli, die bereits wieder vor der Höhle standen.

Sich zuerst einmal orientierend ob der Sonne blinzelte sie. Athena stand bereits gesattelt vor ihr und sie war - wie zu erwarten - die Letzte. Die Blicke aller Anwesenden auf sich spürend schwang sie sich auf ihr Pony. Und nein, sie fiel nicht auf der anderen Seite wieder herunter, dies blieb ihr (zumindest heute) erspart. Thorin gab das Aufbruchssignal und reihte sich hinter dem Zauberer ein.

Gandalf führte sie durch das teils unwegsame Gelände, weshalb sie wieder im Gänsemarsch unterwegs waren. Oder besser gesagt, im Ponymarsch. Ponys-und-ein-Pferd-Marsch? Wie gesagt, die Sonne ging gerade auf und Linda musste sich erst noch an die Aufstehzeiten in Mittelerde gewöhnen.

Die Gemeinschaft ritt entlang der Schlucht auf einem schmalen Pfad, der sie stetig abwärts führte. Das feuchte, dunkelgraue Gestein zog sich linker Hand schier endlos hin. Einen Blick nach unten zu werfen, wagte sie nicht, also konzentrierte sich das Mädchen auf die andere Seite der Schlucht.

Auch dort war der Stein von einem dunklen Grau, die im Schatten liegenden Bereiche hüllten sich in ein Tiefschwarz. Der undurchdringliche Wald auf dem Felsen war ebenfalls dunkel, wenngleich einige Sonnenstrahlen ihren Weg durch das Dickicht gefunden hatten.

Linda schauderte es. Dass sie gestern von den Orks entdeckt worden waren, hatte sie nicht vergessen.

Sie richtete ihren Blick gen Himmel, der langsam heller werdend von wenigen Wolken behangen war. Ihre genauen Umgebungsbetrachtungen hatten sie von ihrem größten Übel abgelenkt: Muskelkater. Schon gestern war es nach dem Ritt am ersten Tag schlimm gewesen, aber das abendliche Training hatte ihr den Rest gegeben. Auf der Erde war sie so normal-sportlich gewesen, das hatte auch vollkommen ausgereicht. Und in Mittelerde... überlebten nur Hochleistungssportler. Gut, das war leicht übertrieben. Weh tat es trotzdem.

Sie überlegte weiter. War heute die nächste Szene dran? Einerseits hoffte sie darauf, denn dann ginge es schnell nach Imladris, andererseits... müsste sie dann rennen. Sehr schlecht. Ja, nicht nur ihre Arme (die sie übrigens nicht benutzte, um Athena nicht zu stören... - gut, um sich nicht noch größeren Schmerzen auszusetzen) waren gestern in Gebrauch gewesen, auch Beinarbeit gehörte zum Schwertkampf. Und die ganze Zeit über auf einem Ponyrücken zu hocken, hatte auch seinen Preis.

Solche unnützen Gedanken kümmerten Linda. Sie waren besonders unnütz angesichts der Tatsache, dass sie nicht einmal an sonderlich starken Verspannungen litt. Die ganze Kompanie hüllte sich nämlich seit Aufbruch in Schweigen - warum, war vermutlich nicht einmal Thorin klar. Alle blieben wie auf einen geheimen Befehl still, bis sie das Ende des Pfades erreichten und auf einen Bach stießen, wo die Wasservorräte aufgefüllt wurden. Die Sonne stand inzwischen fast im Zenit.

An diesem Vormittag hatte Linda aus Mangel an Alternativen nur nachgedacht, fiel ihr im Nachhinein auf. Am Anfang war ihr Thema noch einigermaßen sinnvoll gewesen, doch mit der Zeit war es... sinnbefreiter geworden. All ihre Gedanken hier aufzuführen, wäre zum einen sehr lang und zum anderen sehr unnötig gewesen, von daher hier nur eine Auswahl:

Dís war blond. Aber auf vielen Fanarts war sie eine weibliche Version von Thorin. Würde das die Welt der Künstler zusammenbrechen lassen, also wenn sie die Wahrheit erfahren würden, und hatte sie schonmal ein unwissentlich richtiges Bildnis von der Zwergenfrau gesehen? So kam sie auf Thorin und damit auf Bagginshield. Nun gut, und damit hatte sie ein Thema gefunden, über das sie Stunden reden- äh, nachdenken konnte.

Also überlegte sie, inwiefern Thilbo Realität war. Sie erinnerte sich an alle Begegnungen Bilbos und Thorins, die aus den Filmen und die, die sie noch nicht gekannt hatte, und natürlich an die aus der Zukunft. Dann schaltete sich ihr Verstand aus und sie begann, Verkupplungsversuche zu überdenken. Erst am Ende (also nach der Hochzeit in ihren Vorstellungen) kam er zurück und sagte ein für alle Mal nein.

Denn wenn Linda ehrlich war, hätte das Shipping keine richtige Chance gehabt aufgrund Thorins Stellung und die - nun ja, Spießigkeit der Hobbits. Und außerdem hätte dies höchstwahrscheinlich Auswirkungen auf den Herrn der Ringe gehabt und diese Geschichte zu verändern, stand für sie zumindest jetzt noch außer Frage. Also trug sie ihr Lieblingsshipping zu Grabe.

Gerade, während feierlich die beste Bagginshield-Geschichte, die sie jemals gelesen hatte, in Form eines gedruckten Buches in das Thilbo-Grab legte, befahl der Zwergenkönig eine Rast. (Der Grabstein war schwarz, die Inschrift lautete: I've never been so wrong, in all my life. - Rest in peace, Thilbo Bagginshield. Und die Trauergäste waren vor allem ein gewaltiger Chor, der langsam Misty Mountains sang.) Ja, das war auch auf eine Art Ironie des Schicksals, dass Thorin die Beerdigung seiner einzig wahren Liebe abbrach.

Ein wenig missmutig schwang sie sich von Athena und führte sie zum Bach, um ihr das Trinken zu erleichtern. Auch sie kniete nieder und stillte ihren Durst mit Hilfe ihrer Hände. Anschließend füllte sie die Schläuche auf. Oh, wenn sie nicht alles täuschte, verteilte Bombur dort hinten gerade ein wenig Essen. Da bemerkte sie Kíli, der in seinen Händen zwei Äpfel und ein wenig Brot hielt und in ihre Richtung kam.

1076 Wörter, 01.09.2020

Tochter der Menschen - Hobbit-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt