63. Kapitel

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Puh. Endlich Ruhe.

Vor allen anderen Dingen, aber nicht vor ihren Gedanken. Die junge Frau ignorierte alle zurückkommenden, vor Wut tobenden Thorinse und zum Dahinschmelzen süße Kíliel-Szenen, alle besorgten Zwerge (weil sie still in ihrer Zelle saß und die Augen geschlossen hatte), sowie alle anderen Lebewesen.

Sie hatte den Düsterwald überlebt. Sie hatte die Riesenspinnen überlebt. Sie hatte den Elben nicht offenbart, wer sie war, und damit weder ihre Freunde noch sich gefährdet. Sie hatte nicht die Kontrolle verloren.

Sie war gefangen.

Gut, dieser Punkt war Linda relativ egal, da sie wusste, was noch kommen würde. Leider war ihr nicht bekannt, wann sie vom Halbling befreit werden würden. Das Mädchen hatte folglich viel Zeit des Wartens zu überbrücken.

Wenn die junge Frau mit sich ehrlich war, strengte sie all das (das In-Mittelerde-Überleben, das Unauffälligsein, das Nichts-vom-Film-Verändern) viel mehr an als sie je gedacht hätte. Viel mehr. Sie war müde, häufig unkonzentriert und wollte eigentlich nur nach Hause, sich in ihrem Zimmer verkriechen und allein sein. Ob wohl noch alles an seinem Platz lag?

Das Nicht-Sterben betreffend: Es bestand wirklich ein großer Unterschied darin, ob man untrainiert in Kämpfe aufbricht, eine kräftezehrende Reise beginnt oder ob man auf diese vorbereitet ist.

Was sollte sie sich vormachen, ihre Gefährten waren gestandene Krieger beziehungsweise besaßen einen magischen Ring, der unsichtbar machte. Sie hingegen musste mithilfe eines Schwerts der Valar versuchen, nicht zu sterben.

Nein, Linda deprimierte nicht die Tatsache, dass sie nicht kämpfen konnte. Sie deprimierte, dass alles so, so... anstrengend war.

Dann das Zweite; um niemanden in Gefahr zu bringen (denn sie wusste – bei den Valar und bei Eru – wie die Zukunft aussah! Jede dunkle Macht würde, wenn sie darüber wüsste, nicht widerstehen, dieses Wissen an sich zu bringen!), musste sie sich verstellen. Ihr war zu lügen nie leichtgefallen. Lindas Spiel hier war ähnlich.

Mit der leichten Ergänzung, dass sie dennoch ständig darauf achten musste, nichts durcheinanderzubringen. Alle Szenen der Filme mussten so ablaufen, wie sie sie kannte. Die Folgen, wenn dem nicht so wäre, wären nicht abzusehen, und im schlimmsten Falle würden alle sterben, der Erebor in Smaugs Hand bleiben und Sauron möglicherweise den Ringkrieg gewinnen.

Musste, musste, musste. Linda musste, durfte nicht und auf keinen Fall, und nur sie allein.

Sie seufzte. Ihre fangirlhafte Begeisterung von Anfang ihres Abenteuers war in diesem Moment vollends verflogen.

Sie war allein. Niemandem konnte sie sich anvertrauen, selbst Gandalf wollte nicht reden (und so war es wohl auch besser). Niemand.

Die junge Frau nahm einen tiefen Atemzug. Dann ließ sie alle Luft aus ihren Lungen entweichen. Noch einmal atmete sie ein. Dann aus.

Schließlich öffnete sie die Augen. All diese Klagen brachten doch nichts, von Schwermut lösten sich ihre Probleme nicht.

Und wenn sie die Durins retten wollte, in Mittelerde leben wollte, dann musste sie da durch. Sie war auf dieser Reise, es gab keinen Ausweg, keine Ausrede mehr. Einmal begonnen und diesen Weg eingeschlagen; sie hatte sich entschieden.

Nach einer ganzen Weile stand die Abenteurerin auf. Sie hatte durchwegs auf einer kalten, steinernen Bank in ihrer Zelle gesessen, ihre Umgebung ausgeblendet.

Sie trat an die eisernen Stangen, die die Türöffnung verschlossen, damit kein Gefangener und keine Gefangene ausbrechen konnte.

Die Schwarzhaarige sah sich um. Es war schon Abend, wenige Elben nur noch liefen durch die Gänge des Waldlandreiches. Die Zwerge rüttelten nicht länger an den verschlossenen Türen, sondern hatten sich ausnahmslos tiefer in ihr kleines Gefängnis zurückgezogen.

Tochter der Menschen - Hobbit-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt