Kapitel 7 │Die Entscheidung

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Drei Tage. Drei Tage war es nun schon her, seit Steele sie auf dem Bergsattel zurückgelassen und der Sturm sich nicht gelegt hatte, im Gegenteil. Er hatte wieder an Stärke gewonnen und brachte die Nylonwände der Zelte zum schlackern. Der Vorrat an Nahrungsmittel war auf einen gefährlich niedrigen Bestand gesunken, auch das Trinkwasser war beinahe aufgebraucht. Lediglich ein kläglicher Rest war noch in ihren Flaschen, den sie beharrlich aufzusparen versuchten. Einige hatten ihre Flaschen bereits vollkommen geleert, füllten sie mit Schnee und erhitzten diesen über dem Gaskocher. Es war mühselig, aus einer randvollen Flasche Schnee gewannen sie nur wenig Wasser, weshalb die Flaschen hauptsächlich als Wärmflaschen genutzt wurden. Nachts sanken die Temperaturen beträchtlich, mit den Flaschen gelang es ihnen immerhin, sich die Füße warmzuhalten. Sie bewegten sich kaum, verharrten, die Schlafsäcke bis über die Nasenspitze gezogen, die ganze Zeit über in ihren Zelten, um sich vor der Kälte zu schützen. Wohin sollten sie auch gehen bei dem Sturm? Sie hielten sich strikt an Steeles Anordnung und warteten hoffnungsvoll auf das Eintreffen von Hilfe. Keiner entfernte sich vom Lager. Lange konnte das Eintreffen von Rettung nicht mehr dauern.

Doch nach und nach kühlten sie aus, mit jedem Tag schien es kälter zu werden, ganz so wie Steele es vorausgesagt hatte und allmählich packte sie der Lagerkoller. Immer öfter prallten die Temperamente von Wykoff und Jarvis aneinander, denn während ersterer ruhig blieb und auf Steele vertraute, war in letzterem längst das Bedürfnis zum Handeln entflammt. Mit seiner Starr- und Hitzköpfigkeit machte Jarvis es Wykoff nicht leicht, er stellte jede Entscheidung infrage und legte sich mit ihm an. Es hagelte Beschimpfungen und Beleidigungen, mehr als einmal hatte es beinahe in Handgreiflichkeiten geendet. Außerdem führte es zu Spannungen und brachte eine Unruhe mit sich, die sie nicht gebrauchen konnten. Ein schier manischer Wille zur Flucht hatte von Jarvis Besitz ergriffen, ein unbändiges Verlangen zum Aufbruch, das mit jedem verstreichenden Tag und schwindenden Vorräten auch Andere befiel.

Während manche bereits Pläne zur Selbstrettung entwickelten, hielten Andere beharrlich an dem Eintreffen einer Rettungsmannschaft fest. Findley dagegen war seit dem Lawinenunglück zu einem reinen Nervenbündel geworden, laut Woodwards Verdacht stand sie wohl unter Schock. Sarahs Angst war ins Unermessliche gewachsen, offenbar war sie nicht mehr fähig, auch nur einen optimistischen Gedanken zu fassen. Unruhig ging sie von Zelt zu Zelt und teilte ihre Sorgen mit jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte. Dass sie nun in ihrem Zelt saß, stimmte sowohl die Zwillinge, als auch Alex nicht gerade fröhlich. In Jones dagegen fand sie einen aufmerksamen Zuhörer, der jede ihrer furchtbaren Theorien aufsog wie ein Schwamm.

„Was, wenn uns sie uns in dem Sturm nicht finden?", berichtete sie zum wiederholten Male von ihrer größten Angst. „Vielleicht kommen sie gar nicht zu uns durch, weil es so schneit und haben die Suche längst abgebrochen! Oder sie wissen gar nicht, dass wir Hilfe brauchen, weil es Steele es nicht zur Hütte geschafft hat. Er könnte in eine Schlucht gestürzt sein!"

„Aber er hat Erfahrung. Er kennt den Weg", warf Jones ein, dessen unsicherer Tonfall allen klarmachte, dass er selbst nicht wirklich überzeugt von seinem Einwand war. „Oder nicht?", fügte er zögernd hinzu.

„Im Schneesturm findet er den Weg vielleicht nicht", fuhr Sarah mit ihren Mutmaßungen fort. „Bis der Rettungstrupp hier ist, sind wir längst verhungert."

„Verhungert?", wiederholte Adam nicht ganz überzeugt.

„Das wird nicht passieren", wehrte Alex ab.

„Und wenn doch?", hielt Sarah dagegen. „Wir haben fast nichts mehr zu Essen und wissen nicht, wie lange der Schneesturm noch andauert.

„Weißt du wie lange es dauert, zu verhungern? Mehrere Wochen", machte Alex ihr deutlich. „So lange werden wir wohl nicht hier bleiben."

„Das weißt du nicht. Aber ich hab mal in einem Bericht gehört, was mit einem passiert, wenn man verhungert. Der Körper fängt an, Muskeln abzubauen und sich irgendwann selbst zu verdauen!"

„Großer Gott!", stöhnte Alex entnervt auf, der ihres andauernden Pessimismus allmählich überdrüssig wurde.

„Können wir bitte über etwas anderes reden?", schlug auch Oliver vor, da Sarahs Gerede nicht gerade positiv zur ohnehin unruhigen Stimmung beitrug und Adam so aussah, als dachte er ernsthaft über das Verhungern nach. Daraufhin verfiel Sarah in halbwegs beleidigtes Schweigen, ehe sie kurz darauf ihr Zelt verließ und sich, wie sie vermuteten, jemand anderen suchte, der ihr zuhörte.

„Endlich!", rief Alex nach ihrem Weggang erleichtert aus.

„Meint ihr, das könnte wirklich passieren?", fragte Adam irgendwann, was sie alle laut Seufzen ließ und ihre Vorahnung bestätigte.

„Nein!", antworteten die Zwillinge synchron und ziemlich eindeutig.

„Lass dich nicht von ihr verrückt machen, so schlimm wird es nicht werden."


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