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Gegen eins war die Party dann tatsächlich "schon" vorbei. Wir hatten das komplette Erdgeschoss nochmal abgesucht, ob nicht doch noch irgendwo jemand in einer Ecke liegt. Mum und Ernest waren nicht wieder noch Hause gekommen, also schienen sie bei Charles zu übernachten. Florence wankte  gefährlich und deshalb schickten wir sie ins Bett, bevor wir noch ein paar Sachen aufräumten. Henry, Grayson, Anabel und ich räumten noch ungefähr eine halbe Stunde auf und gingen dann auch einfach schlafen. Mum würde eh nichts sagen und wenn Ernest was sagen würde, würde Mum ihn beruhigt bekommen. Mal gucken was der Morgen so bringen würde...

Als ich meine grüne Traumtür entdeckte, konnte ich, wie immer, nicht sagen, wie spät es ungefähr ist. Ich ging langsam auf die Tür zu und ließ in der Zwischenzeit meinen Traum um mich herum verschwinden. Als ich die Klinke runter drückte und in den Korridor huschte, hoffte ich, dass Henry schon da sein würde. Allerdings stand (leider) nur Mia vor meiner Tür. "Hey, wie war die Party?", fragte sie mich, noch bevor meine Tür hinter mir ins Schloss fiel. "Ganz okay. Ich hab es geschafft Arthur in die Fluch zu schlagen", antwortete ich ihr und musste bei der Erinnerung  daran ein Grinsen verkneifen. "Ich weiß. Secrecy hat schon über die Party berichtet. Der Blog-Eintrag müsste so gegen halb zwei online gegangen sein", sagte sie. Inzwischen saßen wir an einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, den Mia uns herbei geträumt hatte. "Der Blog ist halt immer aktuell. Weißt du eigentlich wer den Blog inzwischen schreibt?", fragte ich sie, da ich mir sicher war, dass Florence den "Job" weitergegeben hatte und auch die anderen beiden es nicht mehr machten. "Das ganze Team kenne ich noch nicht. Die Betonung liegt hier aber eindeutig auf dem NOCH", antwortete Mia und in dem Moment ging Anabels Tür auf. "Aber um auf den Blog-Eintrag zurück zu kommen. Weiß du mit wem Florence geknutscht hat?", fragte Mia mich. Ich wusste nicht genau was ich sagen soll... Es würde eh raus kommen, aber ich hatte es Florence versprochen. Anabel, die es meiner Meinung nach wusste, sah anscheinend mein Unbehagen, denn sie sagte "Die Beiden haben sich sehr geschickt angestellt, man konnte es einfach nicht erkennen", sagte sie und setzte sich auf einem dritten Stuhl zu uns. Mia schien es dabei zu belassen, denn sie wechselte das Thema und wir konnten entspannt quatschen. 

Irgendwann, Grayson und Henry sind immer noch nicht aufgetaucht, guckte Mia sich auf einmal verwirrt um. "Hört ihr das auch?", fragte sie sich und stand auf. Sowohl Anabel als auch ich schüttelten den Kopf, guckten uns aber trotzdem um. "Oh. Das ist Daisy. Ich soll aufwachen..., wir haben neun Uhr. Ich hoffe ihr könnt noch ein bisschen schlafen", sagte sie mit mehreren kurzen Pausen und verschwand dann.

Es legte sich ein unangenehmes Schweigen über uns. "Du weißt es, oder? Du weißt, mit wem Florence in der Ecke stand", fragte ich Anabel nach gefühlt fünf Minuten. Sie nickte nur und ich atmete einmal tief durch. "Warum hast du Mia dann für mich angelogen?", fragte ich weiter und irgendwie erinnerte es mich ein bisschen an ein Verhör. "Das wollte ich Florence nicht nehmen", flüsterte sie. "Ich hab schon seit ein paar Tagen vermutet, dass Florence und Clary mehr sind als nur Freunde. Heute war für mich nur eine Bestätigung. Du wusstest es am längsten, oder?", erzählte sie weiter und guckte mir dabei direkt in die Augen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich sie jetzt anlügen würde, würde sie es sofort merken. "Ich wusste es, wenn man das so sagen kann, eigentlich zeitlich mit Florence. Sie war sich unsicher und ist zu mir gekommen. Bitte sag nichts, sie wird ", sagte ich, wurde dann aber von Anabel unterbrochen. "Das würde ich nicht tun." "Danke", war das einzige, was ich sagen konnte und dann umarmte Anabel mich einmal. "Du bist Florence eine toll Schwester", flüsterte sie mir ins Ohr. Ich kannte Anabel noch kein ganzes Jahr, aber sie hatte eine komplett andere Persönlichkeit bekommen. Noch vor wenigen Monaten wäre ich schreiend vor einer Umarmung von ihr weggerannt...

Wir quatschten noch ein bisschen über "normale" Sachen. Henry und Grayson tauchten beide nicht auf, was mich zwar verwirrte, aber ich fand es nicht schlimm. Ich genoss die Zeit mit Anabel, denn meistens hatten wir nicht wirklich Zeit vernünftig über etwas normales zu reden. Meistens redeten wir über Arthur, die Traumwelt oder irgendwelche anderen Bedrohungen. Irgendwann hörte ich Henrys Stimme neben mir und drehte mich um, merkte dann aber schnell, dass er anscheinend gar nicht da war. "Ich werde jetzt wahrscheinlich gleich aufwachen", konnte ich grade noch sagen, bevor es um mich herum dunkel wurde.

Ich war tatsächlich aufgewacht. In meinem Zimmer war es noch relativ dunkel, da ich die Rollos komplett nach unten gemacht hatte. Henry saß auf dem Boden vor meinem Bett und telefonierte. "Danke. Darüber freue ich mich wirklich sehr. ... Ja, ich schicke es Ihnen noch mal zu. Einen schönen Tag noch." Er legte auf und lächelte mich entschuldigend an. "Guten Morgen", sagte er entschuldigend und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Morgen. Mit wem hast du telefoniert?", fragte ich und merkte, wie rau meine Stimme klang. "Ich hab es dir nicht erzählt, aber ich habe das Stipendium nicht bekommen und dann hab ich mich mit Graysons Hilfe in Oxford beworben und die haben grade angerufen. Ich werde angenommen", sagte er. Ich freute mich. Es war zwar schade, dass er sein Stipendium nicht bekommen hatte, aber ich freute mich, dass er nicht so weit weg sein würde. "Ich freue mich für dich", sagte ich und meinte es auch genauso. "Ich finde das eigentlich auch ganz toll. Immerhin bin ich dann nicht so weit weg", antwortete er und dann umarmte er mich.
"Ich muss mal kurz zur Toilette gehen", flüsterte ich, auch wenn ich wusste, dass es die Stimmung ein wenig kaputt machte. Ich stand schnell auf und ging möglichst leise zum Badezimmer. Als ich am Schlafzimmer von Mum und Ernest vorbei ging, ging die Tür auf und Mum kam raus. "Guten Morgen mein Schatz", sagte sie, wie immer mit sehr guter Laune. "Guten Morgen", sagte ich und rang mir ein Lächeln ab. "Ich hab euch allen ein Katerfrühstück vorbereitet. Könntest du nach den anderen gucken? Wir haben gleich schon zwölf und Ernest Mum wollte gegen Nachmittag vorbei kommen", sagte sie und ich konnte ihre Anspannung, trotz der guten Laune, deutlich erkennen. "Ich guck nach den anderen, aber du solltest für mindestens sechs Leute decken, wenn du und Ernest nichts essen wollt", antwortete ich schnell und ging dann an ihr vorbei.

Als ich aus dem Bad kam, ging ich zuerst zu Graysons Tür. Bevor ich klopfen konnte, kam Grayson raus. "Morgen", murmelte er und er sah eindeutig nicht besonders fit aus. "Mum hat Frühstück vorbereitet. Kommt ihr runter?", fragte ich und bekam nur ein Nicken. Dann ging er ohne ein Wort an mir vorbei. "Hat er irgendwie schlecht geschlafen?", fragte ich Anabel, die auch zur Tür gekommen ist. "Ich hab keine Ahnung er ist schon seit er aufgewacht so drauf", sagte sie und guckte ihm besorgt hinterher. "Das wird schon wieder. Ich geh mal nach Florence gucken", sagte ich zu ihr und ging dann weiter bis zur Florence Zimmertür.

"Herein", kam sofort, als ich klopfte. Ich machte die Tür auf und schlüpfte ins Zimmer. "Kommt ihr frühstücken? Mum hat es vorbereitet", fragte ich. Die beiden schienen noch nicht ganz wach zu sein, denn sie saßen verschlafen auf dem Bett. "Wir kommen gleich", sagte Florence und ich wollte grade wieder gehen, als mir der Blog Eintrag wieder einfiel. "Florence, ich muss dir was sagen. Ihr wart gestern beide ein bisschen betrunken und standet am Ende knutschend in einer Ecke. Secrecy hat schon darüber berichtet, auch wenn man Clary anscheinend nicht erkannt hat", sagte ich und wartete die Reaktionen von den beiden ab, da ich es nicht wirklich abschätzen konnte. Florence guckte an die Wand neben mir und schien einen inneren Kampf auszufechten, während Clary nach ihrer Hand griff.

"Du musst ehrlich zu dir selbst sein. Was willst du wirklich?", fragte ich Florence und ich konnte die Unsicherheit in ihren Augen sehen, als sie mich wieder ansah. "Ich werde es gleich beim Frühstück allen sagen", sagte sie mit erstaunlich fester Stimme. Sie guckte Clary an und die beiden schienen sich ohne Worte zu verstehen. "Wenn du das möchtest, stehe ich hinter dir", sagte Clary leise, aber ich verstand sie trotzdem. "Ja. Genau das möchte ich."

Es ist zwar nichts sonderlich  spannendes passiert, aber ich verspreche ein bisschen Drama für die nächste Woche🙃

Silber - Das Vierte Buch der Träume Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt