8.

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Manchmal habe ich das Gefühl, dass Lehrer es nur darauf anlegen, ihre Schüler irgendwie zu quälen.
Es ist einfach so, als könnten sie Gedanken lesen.
Als würden sie die ganze Nacht wachliegen, um nach raffinierten Methoden zu suchen, wie sie ihre Schüler am besten quälen können.

Meine Lehrerin hat sich voll und ganz geweigert, mich umzusetzen und vergeben werde ich ihr das niemals.
Von wegen, es gibt keinen anderen freien Platz mehr. Sie ist einfach nur faul und will mich quälen.
Wäre es denn so schwer noch einen Tisch und einen Stuhl reinzuholen? Nein.
Das ist einfach nur eine Gemeinheit.
Wie kann man nur so unmenschlich sein?
Das ist schlicht und einfach grausam.

Bryn neben mir zu haben ist furchtbar.
Sie sitzt da, mit einem seligen Lächeln, als wüsste sie ganz genau wie sehr mich ihre Anwesenheit stört.
Sie starrt mich weiterhin ungehemmt an und mustert mich friedlich.
Das ist so unhöflich. Einfach so Leute anzustarren.
Sie verpasst den ganzen Film.
Aber es scheint sie kaum zu stören.

Sie stützt sich mit den Arm am Tisch ab und sieht mich einfach nur an.
Es macht mich unglaublich wütend.
Für wen hält sie sich? Wieso sieht sie mich so an?
Was soll das? Ich könnte platzen vor Wut, das ist einfach nur unangebracht und ich fühle mich so unwohl und hibbelig und mein Herz pocht so laut in meinen Ohren.

Ich wollte gerade anfangen mich grummelnd zu beschweren, als mir auffiel, dass sie ihren Blick längst wieder der Leinwald zugewendet hat und ich diejenige bin, die sie anstarrt.
Und aus irgendeinem Grund, fiel es mir unheimlich schwer damit aufzuhören.

Sie hat ihr schwarzes, dichtes Haar in einem unordentlichen, wirren Zopf, sanft umrahmen ein paar Strähnen ihr Gesicht.
Im Licht der Leinwand wirkt ihre Haut dunkler. Ihre Augen glänzen leicht. Ihre Gesichtszüge wirken sanfter als bei unserem ersten Treffen, verletzlicher und ruhiger.
Ihre Haltung ist locker, sie wirkt etwas müde.
Dösend stützt sie sich auf dem Arm, sieht sich still den Film an und blinzelt ab und zu etwas schläfrig.

Sie ist hübsch.
Ich meine, das wusste ich. Das sieht man ja.
Aber Schönheit ist objektiv und wenn man sich von Gefühlen verleiten lässt, sieht man manchmal über gewisse Dinge hinweg.
Manchmal beeinflussen Gefühle einen.
Wenn ich sie mögen würde, fände ich sie wunderschön.
Wie ein ein altes Gemälde, oder eine vergessene Melodie. Ein verwittertes Häuschen in einem verlorenem Wald.

Wie eine Art Schönheit, die man kaum sieht, die selten und kostbar ist.

Aber ich mag sie ja nicht.
Ich mag sie nicht.

Und das ist auch gut so, denn wen ich sie mögen würde, dann könnte ich gar nicht damit umgehen.
Ich könnte gar nicht damit umgehen, dass sie so aussieht und spricht und mich so ansieht.
Ich könnte gar nicht damit umgehen.

Also ist es gut, dass ich sie nicht mag.
Warum sollte ich die auch mögen?
Ich habe keinen Grund dazu.

Wieso mag man überhaupt irgendjemanden?

Für einen kurzen Moment sieht sie mich an.
Ihre Augen sind sehr dunkel und schimmern bräunlich.
Ihr Gesichtsausdruck wirkt unglaublich friedlich und glücklich, ihre Mundwinkel sind leicht nach oben gezogen und sie sieht mich einfach nur an.

Ihre Hand zittert leicht, als sie ihren Ellenbogen vom Tisch nimmt und sie flach, mit der Handfläche nach unten, auf den Tisch legt.
Ihre Fingernägel sind kurz und sauber, ohne jeglichen Nagellack. Ein bisschen angeknabbert vielleicht.
Sie trägt einen silbernen, schmalen Ring am Zeigefinger.

Unsere Hände berühren dich fast.
Sie ist mit ihrer Hand auf meiner Hälfte der Tischseite.
Deshalb ziehe ich meine Hand nicht weg, aber beschweren tue ich mich auch nicht.

Ich sehe fast verlegen weg, wieder zur Leinwand und versuche konfus zu verstehen, was los ist.
Ich habe eine ganze halbe Stunde der Laufzeit des Filmes nicht mitbekommen.

Wow - EffectWo Geschichten leben. Entdecke jetzt