10.

165 17 0
                                    

Bryn hat sich vor mich hingekniet und mustert mich dezent besorgt. Ihr Blick bleibt bei der Schürfwunde an meinem Knie hängen.
Ohne ein Wort zu sagen, holt sie ein Taschentuch heraus und fängt an die Wunde zu säubern.

,,Wieso hilfst du mir? Ich dachte, du hasst mich.", flüstere ich heiser. Mein Hals tut noch weh und mein Kopf dröhnt, weil ich kaum schlafen konnte
Die Wunde brennt, aber da mein ganzer Körper schmerzt, merke ich das kaum.
Vielleicht gibt es doch Vorteile an meiner geschundenen, menschlichen Hülle. Ich kann nicht essen, nicht schlafen.
Werde von Träumen heimgesucht, die gar nicht so schlimm sind, aber so unglaublich verwirrend.

Bryn lacht. Und sie hat ein echt schönes Lachen.
,,Ich hasse dich doch nicht. Ganz im Gegenteil", raunt sie mir zu..

Wirklich? Aber-
Heißt das, sie mag mich? Sind wir Freunde?
Als ich Bryn kennen lernte, war ich zu Tode verängstigt.
Ich fand sie schon die ganze Zeit beeindruckend. Imposant. Aber auch total gruselig.

Und dann hatte ich irgendwann beschlossen ihr aus den Weg zu gehen, weil sie mir immer nur Ärger und Unwohlsein beschert hatte.

Ich sah zu, wie sie seltsam konzentriert ein Pflaster aus ihrer Hosentasche rausholt, um es mir aufs Knie zu kleben. Das Pflaster ist bunt. Sehr bunt. Es hat sogar farbige Dinosaurier drauf.
Bryn lächelt mich entschuldigend an.
,,Was anderes habe ich nicht."

Ich nicke nur stutzig. ,,Okay."
Ich glaube, dass das der Moment war. Versteht ihr?
Das Pflaster hat alles geändert. Dieses blöde Pflaster.
Ich glaube, es gibt immer so einen Moment, wo man eine Person ansieht, und sich einfach nur denkt: Wow.

Ich weiß auch nicht. Vielleicht halluziniere ich.
Ich habe seit Monaten nicht mehr richtig geschlafen oder gegessen.
Meine alten Wunden reißen wieder auf. Jede Bewegung schmerzt.

Aber ich kann nicht mehr aufhören sie anzustarren.
Die feinen Sommersproßen, die schwarzen, langen Haare, die ihr Gesicht umrahmen.
Ich fand ihre Augen schon immer schön, aber jetzt ist es anders.
Ich bilde mir das bestimmt nur ein, aber sie funkeln. Sie wirken liebevoll und fürsorglich.

Ich meine, sie sah schon immer attraktiv aus.
Ich habe das gemerkt. Irgendwie am Rande.
Aber irgendetwas ist jetzt anders.

Es ist nicht nur das Aussehen.
Obwohl sie wirklich schön anzusehen ist.

Aber da ist noch etwas an ihr.
Vielleicht ihre Körperhaltung oder ihre Ausstrahlung.
Sie strahlt etwas unglaublich beruhigendes und helles aus.

Und das war für mich seltsam.
Ich fühle mich so anders, so elektrisiert und müde und zu ihr hingezogen.
Als wäre ich eine Motte und sie das Licht.

Ich klinge ziemlich verrückt.
Ich bin so unglaublich müde.
Ich will ihr einfach nur in die Arme fallen und schlafen.

Aber das geht nicht. Das kann ich nicht machen.
Das wäre wahnsinnig.
Was wäre total verrückt.
Oh Gott, ich bin so müde.

Ich reibe mir angespannt die Augen und warte darauf, dass Bryn geht.
Der Boden ist hart und steinig.
Es ist kalt hier unten und ungemütlich.

Trotzdem fürchte ich fast, jede Sekunde einzuschlafen.
Irgendetwas stimmt nicht mit mir.
Irgendetwas in meinem Kopf ist zerbrochen.

Und ich bin halb am durchdrehen.
Ich bin müde und fühle mich ausgelaugt und zerschunden, halluziniere und meine Gefühle spielen verrückt, aber irgendetwas an Bryn beruhigt mich genug, um nicht durchzudrehen.
Irgendetwas an ihr erfüllt mich mit einem seltsamen Frieden.

Und dafür bin ich dankbar.
Ich bin unendlich dankbar für ihre Gegenwart.

Bryn lächelt sanft, streicht noch einmal kurz über das Pflaster und rappelt sich auf.
Ihre Hand ist weich und warm. Sie zieht mich zaghaft hoch.
Sie wirkt glücklicher als sonst.
Fröhlich und ruhig. So kenne ich sie nicht.

Wow - EffectWhere stories live. Discover now