𝐅𝐨𝐮𝐫

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Nicht mal eine Stunde später kamen die Soldaten, ohne meinen Bruder, dafür mit Decken, wärmeren Klamotten, Socken und Schuhe für mich, etwas dampfendes zum Essen und einem Arzt zurück. Der Arzt schaute sich sofort JKs Verletzungen an. Ab und zu gab dieser ein Stöhnen von sich, als der Doktor auf eine schmerzende Stelle drückte. Nach einiger Zeit der Begutachtung und Wundversorgung kam der Arzt zu dem Schluss, dass JK keine schwerwiegende innere Verletzungen (abgesehen von der ein oder anderen gebrochenen Rippe) hatte.
Darüber war ich erleichtert, doch diese Gefühle verdrängte ich in das tiefste Innere.
Seine Worte geisterten weiterhin in meinem Kopf herum. Also rührte ich mich während des gesamten Besuches nicht von der Stelle, auch nachdem die Leute wieder verschwunden waren, blieb ich sitzen.

Der Geruch der warmen Mahlzeit stieg jedoch in meine Nase und ließ mich vor Hunger durchdrehen. Viel zu lange hatte ich nichts mehr gegessen. Und etwas wirklich warmes seit Jahren nicht mehr. Das einzige, was man mir hier zu essen gab, waren die Reste der Angestellten, die die Reste der Adligen aßen. Wenn nichts mehr da war, dann gab es für mich eben auch nichts. So einfach war das Prinzip. Sicher war es köstlich, aber um daran zu kommen, musste ich an JK vorbei. Niemand lehrte mich auf meinen gesunden Verstand zu hören, demnach blieb meine Sturheit unangefochten und gewann über den Hunger.

Für einen kurzen Zeitraum feierte ich meinen inneren Sieg, bis ich doch einlenkte und über meinen Stolz hinwegsah. Leise stand ich von meinem Bett auf. Seine Augen waren geschlossen. Bei ihm reichte dies jedoch nicht als Beweis, dass ich einem Schlafenden gegenüberstand. Ich schlich an ihm vorbei und schnappte mir einen der unberührten Teller und gleich, weil ich schon da war, noch die Klamotten für mich. Fast fliehend rannte ich damit wieder zurück zu meinem Platz und schaufelte zuerst die immer noch lau warmen Kartoffeln in mich rein, danach zog ich meine alten Sachen aus und die Neuen an.

Im Winter gaben sie mir Socken für die Füße, doch viel zu früh nahmen sie sie mir wieder weg. Da die Winter in Teranida seltenst in die Minusgrade verfielen, war es aushaltbar. Der Körper gewöhnte sich ans Frieren auch an die Steine und fehlende Freiheit, doch der Kopf-
Unfassbar gut fühlte sich der neue Stoff auf meiner Haut an. Besonders freute ich mich über die Schuhe. Endlich musste ich nicht mehr jede Rille unter meinen Füßen spüren. Nachdem ich einigermaßen aufgewärmt war, schaute ich mich nach meinem Zellengenossen um.

Dieser lag mehr Tod als lebendig an der Wand. Wie lange hatte er nichts gegessen? Wieso ass er nichts? Konnte er vielleicht nicht essen? Ein lästiger Gedanke setze sich in meinem Gehirn fest und ließ mich nicht mehr los. Tief seufzte ich, schüttelte meinen Kopf grimmig, um dann doch aufzustehen. Ich tauschte meinen leeren Teller mit dem Unberührten aus und kniete mich neben JK. Sicher würde ich das gleich bereuen.
Auf gut Glück sprach ich ihn an.

„Mund auf." Geradezu panisch riss dieser die Augen auf. „Bitte?" Ich hatte wahrlich keinen Nerv dazu, mit ihm zu diskutieren, weshalb ich nach dem Kiefer des verdutzten Mannes griff und ihn die vorbereitete Gabel einfach in den Mund stopfte. Fasst brachte mich sein Anblick zum Lachen. Seine Augen waren riesig und in seinen Mund steckte noch immer die Gabel. Anschließend zog ich ihm das Besteck aus dem offenen Mund. Immer noch passierte recht wenig, weshalb ich ihn anmeckerte. „Kauen musst du schon selber. Oder soll ich es dir etwa vorkauen?" Definitiv nicht zufrieden mit der Situation, aber aufstandslos begann er, meinen Befehlen folge zu leisten. Gnadenlos verfütterte ich ihm den gesamten Inhalt des Tellers. Beim letzten Bissen angekommen, war ich unfassbar froh, dass diese peinliche Situation ein Ende nahm. Ich stellte den Teller neben ihm ab und verschwand wieder zu meinem sicheren Fleckchen. Ich verfluchte mein goldenes Herz. Hoffentlich war er bald wieder in der Lage selber zu essen, damit das hier eine einmalige Sache war.

Meine Hoffnung bewährte sich nicht. Am nächsten Tag mussten wir beide die selbe Situation überstehen. Auch diesmal brachten sie uns etwas warmes zu Essen.
Einige Male versuchte er ein Gespräch anzufangen, jedoch blockte ich jedes mal ab, sodass er nach einiger Zeit aufgab. In der Zelle herrschte ein einödiges Schweigen, welches mich an den Rand meines Verstandes brachte. Ich war die Stille gewöhnt, doch nicht das Schweigen. Bisher kannte ich nur nie den Unterschied.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt