18 Coming Home

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Nach dem Laufen gehen wir eine Weile. 
Schließlich fällt der Weg vor uns steil ab und führt geradewegs in eine Art Tal, das wie ein riesiger Krater in der Landschaft liegt. 
Und mitten in diesem Krater liegen die Ruinen von Sokovia.
Natasha's Finger schließen sich um meine und ich drehe mich zu ihr um.
"Bereit?" fragt sie leise. Ich schlucke heftig, nicke aber schließlich. "Bereit!"

Gemeinsam und ohne das sie meine Hand loslässt, steigen wir den Abhang hinunter. 
Manchmal löst sich etwas Erde und Steinbrocken unter unseren Füßen, die vor uns hinunter kullern und vor uns im Tal ankommen. 

Aber schließlich schaffen auch ich und Nat es bis nach unten. 
Ein Fluss fließt einmal quer durch unseren Weg. Er muss sich erst durch den Aufprall gebildet haben aber markiert wohl jetzt die Grenze der Stadt.
Er ist breit, aber nicht tief und so trete ich einfach ins Wasser. Die Strömung ist nicht stark, aber noch immer stark genug, um leichten Druck auf meine Waden auszuüben. 
Hinter mir höre ich leises Plätschern, was mich darauf hinweist, dass Natasha mir folgt. 
Ich bin gerade bei der Hälfte, da sehe ich ein Mädchen, was am Flussufer kniet und das Wasser in einen Kanister füllt. 
Der Fluss hat also einen größeren Zweck, als nur die Landesgrenze.

Ihre Kleider sind schmutzig. Sie bestehen aus einem Shirt, was wohl einmal weiß war und einer kurzen, weiten Hose. 
Aus der Ferne würde ich sie auf etwa 15 oder 16 schätzen, aber es ist schwer zu sagen. 
Ihre Knöcheln sind übersät mit Kratzern und Schrammen und ihre blonden Haare werden von einem roten Bandana aus den Augen gehalten. 
Es ist das selbe, welches wir früher auf Protesten getragen haben um uns zu tarnen oder vor dem Gas zu schützen. 
Es war für mich immer ein Symbol der Hoffnung. Und auch jetzt scheinen sich die Menschen noch daran zu klammern.

Als sie uns entdeckt steht sie verwirrt auf und schirmt ihre Augen vor der Sonne ab, um besser erkennen zu können. Sie scheint es nicht gewohnt zu sein zu sehen, dass Fremde herkommen. 
Ich erhöhe mein Tempo ein bisschen, den meine Neugierde gewinnt die Überhand. 
"Immer langsam Wanda!" ruft Natasha mir noch hinterher, gerade als ich das Ufer erreiche. 
Jetzt trennen uns noch noch wenige Meter.
Der Gesichtsausdruck des Mädchens verändert sich. Sie schaut jetzt nicht mehr verwirrt, sondern reißt langsam die Augen auf und hält sich die Hand vor den Mund. 
Natasha kommt hinter mir an. Ich kann sehen wie sie sich extra etwas größer macht, als könne von dem Mädchen irgendeine Gefahr ausgehen.
"не бойся" erkläre ich ihr mit ruhiger Stimme. ( Hab keine Angst/Fürchte dich nicht )
Sie schüttelt bloß den Kopf und macht einige schnelle Schritte zurück, bevor sie in Richtung der Stadt läuft.
"Na das hat ja gut funktioniert" kommentiert Natasha und grinst.
"Das ist nicht lustig" kommentiere ich und verdrehe die Augen. "Wir werden ihr folgen. Sie sind es bestimmt einfach nicht gewohnt das Fremde herkommen"
"Mich würde es nicht wundern. Sokovia existiert offiziell ja nicht einmal mehr"
Ich nicke bevor ich mich bei Natasha einhake.
"Komm" sage ich. "Ich zeig dir mein Zuhause" 

Wir folgen dem Mädchen durch eine kleine Wiese. Das Gras geht mir bis zur Hüfte und ich lasse meine Finger über die Spitzen gleiten. 
Manche Halme verfangen sich in meinen Ringen und bleiben dort stecken als wir weiter gehen. 
Dann stoßen wir auf die ersten Trümmer. 
"Das war mal die Straße die aus Sokovia geführt hat" erkläre ich und verfolge den Lauf der Trümmer mit den Augen. 
Tatsächlich kann man die Straße aus Scherben noch erkennen, die das Tal durchkreuzt und über dem Abhang verschwindet. 
Natasha springt von Stein zu Stein und sieht dabei aus wie ein kleines Kind, was wirklich Spaß hat. 

Schließlich kommen wir an einer eingestürzten Mauer an, hinter der ein Weg folgt. Ein Weg, den die Einwohner wohl mit ihrer eigenen Kraft in die Trümmer gebaut haben. 
Sie haben all die Steine zur Seite geräumt, sodass man zwischen ihnen hindurch gehen kann.  
Zu unserer Rechten kann ich den unteren Teil eines Hochhauses sehen, dass es wohl irgendwie geschafft hat bestehen zu bleiben. 
Und aus der untersten, der drei Etagen die geblieben sind, schaut uns das Mädchen vom Fluss an. 
Als sie bemerkt, dass wir sie gesehen haben verschwindet sie im Haus. 

"Lass uns dahin gehen!" schlage ich vor.
Natasha nickt und wir klettern über die Steinhaufen bis wir nah an unserem Ziel sind. 
Um die Ruine von dem Haus wurde der Schutt beiseite geschoben und es sitzen einige Menschen auf alten Stühlen und beobachten und neugierig. 
Natasha schaut mich von der Seite an. "Sicher dass du gehen willst?"
Ich nicke. "Vielleicht kennen sie mich"

Im Hauseingang erkenne ich zwei Gestalten. Sie stehen zwar im Schatten aber ich kann von der Statue sagen, dass es sich um eine Frau und einen Mann handeln.
Tasha tippt mir auf die Schulter und nickt mit dem Kopf in die Richtung von einem Graffiti was an die Hauswand gesprüht wurde. 
In der blutroten Farbe erkenne ich sofort, dass es sich um eines der berühmtesten Fotos von mir und Pietro handelt. 
Wir beide, dicht beieinander, die Münder geöffnet und die Hände in der Luft. Er hält sogar einen Stein, bereit ihn zu werfen. 
"Sie haben nie vergessen" bemerke ich und ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen, als wir uns immer mehr nähern. 
"Das war immer sein Lieblingsbild" rede ich weiter, während ich mit einem leichten Sprung von einem großen Brocken auf die Erde hopse.
"Und ich habe es auch geliebt" beende ich die Ansprache und klopfe mir den Staub vom Körper. 

Da erst bemerke ich, dass mich die Menschen anstarren. Dass alle Augen auf mir liegen und manche sogar ihre Köpfe zusammenstecken und tuscheln. 
"Ich glaube sie erkennen dich" flüstert Nat, gerade als ein großer Mann aus dem Eingang des Hauses tritt und sein Gesicht zu erkennen gibt. 
Ich würde ihn auf etwa 30 schätzen. Er hat dunkles Haar und eine Narbe ziert sein Kinn. 
Eine Narbe, in Form einer Acht. 
Eight. Der Name kommt mir in den Sinn. Hell hat nie unbedingt viel von ihrer Familie erzählt. 
Aber in Gedanken war sie die ganze Zeit bei ihnen. Und so kenne auch ich sie. 

Und das ist der Mann, der für sie immer wie ein großer Bruder war. 

Es ist Eight. 



wanda II back for youWhere stories live. Discover now