Von Krieg und Gloria

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Noch während die rauchende Stimme des Feindes mit tiefen Klang im todbringenden Krachen und Bersten des Sperrfeuers verschluckt wurde, hastete Konstantin los.

Jeder seiner steifen Schritte hechtete über den aufgerissenen Untergrund, der wie von einer fremden Welt wirkte. Vielleicht war es das auch. Dieser Krieg, der schien schon lange nicht mehr einen Funken Menschlichkeit zu besitzen. Der Weihnachtsfrieden war nur nur den Hauch einer Illusion von etwas Süßem wie Frieden.

Doch diese beinahe schon philosophischen Gedanken wurden von hämmernden Schmerz erdrosselt. Jeder Schritt jagte glühende Wellen der Pein durch seinen Körper, während jeder Knochen seines Mittelfuß zu zerbersten schien. Jede Bewegung ließ das Gefühl von Zerbrechen nur noch weiter brüllen, tosend wie das Kreischen der Geschosse, die den Himmel in brennenden Linien durchteilten. Aber zitternd und mit fest zusammengebissenen Zähnen schleppte sich Konstantin voran. Das tiefe Blau seiner Augen fixierte eine Barrikade von Sandsäcken und zerrissenem Stacheldraht, der matt im fahlen Licht schimmerte. Nein, er heftete seinen Blick an den Abgrund dahinter, der den Schlamm verschluckte und mit schiefen Palisaden ausgebaut worden war.

Es war die rettende Tiefe eines Schützengrabens. Ein Tunnelsystem im Osten, Richtung Heimat. Es war das Zeichen von Verbündeten und Rettung.

Aber egal wie sehr jeder Schritt Qualen durch seinen Körper jagte und ihn zum Straucheln brachte, die Sicherheit rückte kaum näher, denn sein Stolpern und Wanken ließ seine Füße im Schlamm versinken. Stattdessen brauste der Lärm der Schlacht auf. Wurde mit jeder Sekunde, mit jedem verzweifelten Schritt so schrecklich viel lauter.

Aus dem toten Winkel seiner Augen und dem Ruß in der Luft klammerte sich eine Hand um Konstantins Schultern. Automatisch zuckte der Firmenerbe zusammen, wollte zischend herumwirbeln, nur um in das schlammige Graugrün von runden Augen und in kantige Gesichtszüge zu starren.

„Ich bin nicht in ein Feuer gesprungen, nur damit du jetzt hier in Fetzen gerissen wirst!", knurrte der Brite und hastete los. Über Dreck und Stacheldraht. Mit den schnellen Schritten der großen Gestalt schleifte der Feind seinen wankenden Gegenüber achtlos hinter sich her. Schwarze Punkte tanzten in dem Sichtfeld des Leutnants, denn das harte Schmettern seines humpelnden Fuß auf den verkohlten und zerstörten Dreck wurde nicht von dem Hechten des englischen Unteroffiziers gedämpft. Nicht im geringsten.

Ein Fauchen bahnte sich den Weg aus seiner Kehle, doch ein kräftiger Schlag auf den Rücken katapultierte den Leutnant über den Rand des Schützengrabens.

Für einen Herzschlag setzte der Hohlmuskel in seiner Brust aus.

Doch schon im nächsten Moment presste der Aufprall alle Luft aus seinen Lungen. Dumpfer Schmerz krachte durch seinen Körper und ein atemloses Keuchen entrang sich seiner Kehle.

Reflexartig stemmte Konstantin sich hoch und schnappte krächzend nach Luft. Jeder seiner ruckartigen Atemzüge rasselte für wenige Momente durch die Luft, die gefüllt war mit  mit Smog und stummen Tränen.

Seine Augen hatten sich zu funkelnden Schlitzen zusammengekniffen, als er sich wankend erhob. Der Schmerz in seinen Gliedern war taub, vibrierte n seinen Knochen wie ein tiefer Klang eines hohlen Objekts. Irgendwie unwirklich, wie dieser gesamte Moment.

„Das war aber nun wirklich nicht nötig!", keifte Konstantin, als er sich vehement den Staub von der grauen Uniform klopfte und erbittert gegen die Falten ankämpfte.

Aber sein Gegenüber lachte nur. Er kicherte regelrecht. Automatisch krampften sich seine Hände um die lederne Binde an seiner  um seinen Hals baumelnden Fliegerbrille, deren Gläser hilflos zersprungen waren und in einem lautlosen Scherbenregen funkelnd zu Boden fielen.

Vom Himmel hochWhere stories live. Discover now