Flammen des Krieges

297 23 23
                                    

William hatte grau gesehen. Ein heller Blitz, geschossen aus den Wolken und den Höhen des Himmels.

Ein Blitz, der ihn schneller aus den Höhen gerissen hatte als er den Feind, der sich in Williams Fadenkreuz gefunden hatte.

Der Sergeant hatte gezögert. Hatte sich eine winzige Sekunde lang von dem wilden Schlagens seines Herzens erobern lassen, das wildes Prickeln der Aufregung durch ihn getrieben hatte. Die Süße des Triumphs, des ersten Abschuss, hatte er schon auf der Zunge schmecken können, doch nun schmeckte er nur Blut.

Sein eigenes Blut, dessen metallene Geschmack seine ganze Kehle betäubte.

Dabei konnte er froh sein, dass er überhaupt noch in der Lage war, zu schmecken. Zu fühlen. Einfach nur zu atmen. Diese stickige Luft, erfüllt von Staub und Schießpulver, dass sich schwer wie eine Decke über die Lunge legte, während die getrübte Luft düsterer Schleier über die ausgebrannten Hüllen der Mark1 Panzer und der von Explosionen und Kämpfen zerrissenen Schützengräben legte.

Aber William war nicht froh. Er konnte nicht froh sein.

Automatisch ballten sich seine zitternden Händen zu Fäusten.

So kurz hatte er vor seine Abschuss gestanden. Er hatte die Albatros der Jasta11 bereits anvisiert, seine Finger hatten schon über dem Auslöser geschwebt.... Natürlich, dieser Abschuss hätte ihm kein Victoria- Cross gebracht. Auch keine Berühmtheit, nein, für niemanden wäre er mehr gewesen als die klägliche Gestalt aus Liverpools Arbeitervierteln, aber vielleicht hätte ein weiterer Toter im Flying Circus andere Opfer verhindert. Opfer, zu denen nun auch er zählte. Wahrscheinlich ein weiterer Name in einer unendlich langen Liste eines deutschen Fliegerasses. Kaum mehr Wert als eine simple Trophäe.

Bei dem Gedanken knirschten seine Zähne aufeinander. Aber das Geräusch ging unter im fernen Donnern der Artillerie.

Automatisch musste er schlucken. Wie weit war er von der Schlacht bei Arras entfernt? Von den Verbündeten Truppen oder gar den Feinden? Egal ob Briten, Kanadier, indische Kolonialtruppen oder Australier. Es war ihm egal. Das war doch alles gleich. Nur durften es einfach keine Mittelmächte sein, denen er in die Arme lief. Die würden mit ihm sicherlich keine Teestunde veranstalten.... Bei dem Gedanken kräuselten sich seine Lippen zu einem Lächeln. Ja, verbündete Truppen waren ihm da reichlich lieber als der einarmige Kaiser mit schrecklicher Bartmode und seinen Freunden, die kaum mehr waren als das aussterbende Geschlecht einer zerbröckelnden Donaumonarchie.

Er müsste sich nur aus der Sopwith Camel stemmen und durch das alles verschlingende Meer aus Schlamm und Stacheldraht stapfen und zwischen all den Ruinen und Dreck die braunen Helme der Verbündeten finden. Eine stumme Art des Kampfes, wenn man sein Fluchen aus der Geräuschkulisse dieser Wanderung durch Granaten und Artillerieregen abziehen würde.

Ein ergebenes Seufzen verließ seine Lippen, als er sich mit einem kraftvollen Sprung aus seinem Sitz katapultierte.

Matsch spritzte unter dem Aufprall seiner Stiefel auf und dämpfte den dröhnenden Schmerz der Landung, aber die braune Masse heftete sich zähflüssig an die dunkle Fliegerkluft aus Leder. Selbst das gelb schimmernde Lammfell hatte sich in ein dunkles Grau verwandelt. Eine Mischung aus der Staubwolke, die bei seinem beinahe noch milden Absturz heraufgewirbelt war, dem dunklen Ruß von Schießpulver und dem Schlamm, der an den Haaren abperlte. Doch Schmutz hatte ihn noch nie gestört. Die von Dreck verkrusteten Hinterhöfe der Arbeiterviertel hatten schon eine Luft, an der Mann regelrecht erstickte, als wäre der Sauerstoff im Rauch der Fabriken erstarrt und würde die Lungen zum Kochen bringen. Wenn er so etwas überlebt hatte, dann würde ihm nicht die Hygiene eines Schlachtfeldes in die Knie zwingen.

Seine Blicke glitten zum wolkenverhangenen Himmel. Suchten die Wand aus Wolken und finsteren Miasmen nach dem dumpfen Glühen des schmutzig gelben Balls ab, dessen klägliches Licht sich Sonne schimpfte. Doch da war nichts. Lediglich ein leichter Schein, der durch den dicken Nebel drang und ihn erhellte, nur um von der Dicken Decke aus Ablagerungen in der Luft erstickt zu werden. Ein trostloser Anblick, der jede Kontur verwischte und wie ein Bild eines ungeschickten Künstlers wirken ließ, dessen schmutzige Farben mit zu viel Wasser vermischt wurden.

Vom Himmel hochWhere stories live. Discover now