Kapitel VI

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Sebastian schickte sich an Tee zu servieren, doch der größere der beiden Besucher lehnte höflich ab. „Wir werden nicht lange bleiben." Der Butler verneigte sich leicht; ging um den Tisch herum und füllte lediglich die Tasse seines Herrn.

Als sein Teufel wieder zu seinem schützenden Schatten wurde, erhob der Earl das Wort: „Nun, was kann ich für Sie tun, Mr. Grey, Mr. Phipps?"

„Oh für uns wohl kaum. Wir spielen nicht mit Hunden." Beiläufig unverschämt brachte Mr. Grey einen Umschlag aus seiner Brusttasche zu Tage und schob ihn über den Tisch.

„Ihre Majestät jedoch... wünscht um die Dienste Eurer Spürnase, werter Earl Phantomhive."

Ciel öffnete den Umschlag; überflog die Scotland Yard Akte, die er enthielt.

Vom Fenster her ergriff Mr. Phipps das Wort: „An einer zeitnahen Aufklärung der Angelegenheit ist Ihrer Majestät äußerst viel gelegen. Ihr genießt großes Vertrauen, Earl Phantomhive."

„Ist das so?"

Hell lachend warf Mr. Grey den Kopf zurück. „Ja selbstverständlich. Bisher habt Ihr noch jede Aufgabe ihrer Majestät erfüllt." Seine hellen Augen blitzen auf. „Die außergewöhnlichen Fähigkeiten Eures Butlers sind dafür sicherlich nicht unerheblich."

Teufel und Herr beließen dies gleichermaßen unbeeindruckt unkommentiert; Ciel schlug halbherzig ein paar Seiten auf.

Mr. Phipps öffnete klickend seine Taschenuhr. „Bedauerlicherweise haben wir keine Zeit, Eure Gastfreundschaft weiterhin zu genießen."

Mr. Grey erhob sich. „Alle bisherigen Erkenntnisse findet Ihr in der Akte. Ihre Majestät erwartet bald Wort von Euch."

„Sie wird von mir hören."

Die königlichen Butler verneigten sich leicht. „Auf Wiedersehen, Earl Phantomhive."

Sebastian begleitete die beiden hinaus.

Die Tür schloss sich hinter seiner anmutigen Gestalt und um der Wut zu entgehen, die die seit Jahren bekannte Unverschämtheit der beiden weißen Butler bedauerlicherweise noch immer verursachte, schlug der Earl eine neue Seite der Akte auf.

Ihr Inhalt traf ihn aus dem Nichts.

Ein Symbol blitze ihm entgegen; wohl bekannt und tief verhasst.

Gleich eines wilden Tieres packte die ihn die Angst, Übelkeit erfüllte ihn wie ein überlaufendes Fass. Von seinem panischen Stoß getrieben, rutschte das Papier über die hölzerne Tischplatte; flüsterte höhnisch. Dem Instinkt der Flucht folgend, sprang der Earl auf, wandte sich ab und bekämpfte den Drang, sich zu übergeben. Seine Hand fand Halt an der Stuhllehne, sein Blick an den Baumkronen neben dem Fensterkreuz, seine Gedanken im Rhythmus seines Atems.

Reiß dich zusammen!

Rational betrachtet gab es im Augenblick keinen Grund für Ängste oder den Drang zur Flucht. Das Blatt Papier stellte keine Bedrohung für ihn dar.

Wut verbrannte Übelkeit und schmerzhafte Erinnerungen; mit der Faust erstickte er das blaue Brechen des Tageslichts an seinem Daumen.

Entschlossen richtete sich wieder auf und sammelte die verstreute Akte zusammen.

Schritte auf dem Flur erfüllten ihn mit einem neuen Gefühl der Ruhe; die Tür schwang auf und mit Sebastians Eintreten entfloh auch die letzte Beklemmung vom Herzen des Earls.

„Junger Herr, stimmt etwas nicht?"

Natürlich wusste er es. Sicherlich blieb ihm auch der noch unruhige Herzschlag nicht verborgen.

Ein neuer Pakt Where stories live. Discover now