Twentieth Chapter

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Mama

Es war bereits Abend geworden, als wir wieder zurück nach Hause fuhren — zumindest in die Wohnung von Isaiah. Panisch wie Lucía vor ein paar Stunden war, als sie mitbekommen hatte, dass dieser David aus dem Gefängnis entlassen worden war, war sie nun ziemlich erschöpft und schlief auf der Rückbank. Er hatte seine Jacke über sie gelegt, damit ihr nicht kalt wurde.

Ich selber hatte nicht wirklich viel von dem Plan, den Isaiah nun vorhatte verstanden, da er mir einfach nur erklärte, dass wir wieder zurück fahren werden und Lucía für einige Zeit bei uns bleiben würde.

Für mich war diese Sache erstmal vollkommen okay, immerhin wollte ich ihn nicht mit meinen Fragen weiter nerven und ihn noch nervöser machen als er ohnehin schon war zu diesem Zeitpunkt.

Das einzige worum ich mir wirklich Sorgen machte war um Lucía.

Sie war solch eine liebe Frau, sie hatte mich aufgenommen und mir solch ein mütterliches Gefühl gegeben, dass ich schon seit einigen Jahren nicht mehr gespürt hatte. Für mich gab es zu diesem Zeitpunkt nur positive Dinge zu sehen, die ich mit Isaiah in Verbindung brachte — wahrscheinlich klang das sehr naiv und gutgläubig aber ich war mir sicher, dass er alles unter Kontrolle hatte. Dazu hatte er ja noch mich. Ich konnte auch noch auf Lucía aufpassen.

In meinem Gedanken Wirrwarr verstrickt merkte ich gar nicht, wie Isaiah hin und wieder zu mir rüber sah und schließlich seine Hand für kurze Zeit über meinen Oberschenkel ruhen ließ bevor er wieder den Schalthebel betätigte, jedoch seine Hand dort liegen ließ als keine Reaktion von mir kam.

Es war nicht böse gemeint, dass ich nichts von mir gab weder zu ihm schaute noch ihn anlächelte, ich wusste nur nicht wie ich mit diesen Szenarios, die mein Kopf mir wie ein Kinofilm vorspielte genau umgehen sollte.

Was würde passieren wenn dieser David wirklich böse Dinge im Kopf hatte? Würde er Lucía etwas antun? Oder sogar vielleicht auch Isaiah? Bilder tauchten vor meinen Augen auf.

Bilder von meiner Kindheit tauchten auf als ich sah, wie der Mann, der einmal über meine Mutter geschwärmt hatte, ihr versprochen hatte ihr die Welt zu Füßen zu legen, sie plötzlich ohne bis heute wirklichen Grund angeschrien hatte, meistens wenn meine Mutter mich schon ins Bett gebracht hatte, mit der Hoffnung ich würde es nicht mehr mitbekommen wenn die beiden stritten. Zuerst habe ich gedacht, dass es bestimmt nicht schlimm sei das sich zwei Menschen stritten, auch wenn sie erwachsen waren.

„ Glaub mir meine süße, Menschen streiten sich oft und gerne aber viele finden auch wieder zueinander zurück obwohl sie denken, dass sie nicht für einander bestimmt sind. Sie können nicht ohne einander. Falls du in ein paar Jahren in dieser Situation stecken solltest, denk immer daran, dass es sich lohnt für die Liebe zu kämpfen aber hör auf Menschen zu vergöttern, die deine Liebe und deine Seele nicht wertschätzen und lass sie dir niemals nehmen. Von keinem!"

Die Wörter hallten in meinem Kopf als wäre es erst gestern passiert, als sie mich an den Händen nahm, sich zu mir hin hockte und mir immer wieder über die Haare strich.

Ich merkte schon damals, dass sie anders geworden war. Sie hatte sich verändert aber ich wusste das ich nichts dagegen tun könnte. Sie war meine Mutter und sie selber mochte es nicht, wenn ich ihr versuchte zu verstehen zu geben, dass ihr damaliger Freund nicht gut für sie war.

Sie war doch einfach nur so blind vor liebe.

War ich wie sie? Sah ich nicht mehr das schlechte an ... ihm? An dieser ganzen Situation.

Deswegen tat ich immer so als ob ich nicht genau wüsste was zwischen den beiden nach meiner Bettzeit wirklich abging. Das auch mal Teller und Bilderrahmen quer durch unser altes Wohnzimmer flogen.

Bis heute bereute ich es das ich ihr nicht geholfen habe. Ich hätte, selbst als elf jähriges Kind, etwas sagen sollen. Sie hatte diese Weise wie sie starb nicht verdient.
Ich merkte wie eine Last, die meinen Brustkorb fast zu erdrücken schien, sich einen Weg fand wie er immer noch präsent sein konnte auch nach diesen sieben Jahren. Es war ein Teufelskreislauf der sich immer weiter und weiter drehte.

Nächsten Monat war ihr Todestag und ich wusste zu diesem Zeitpunkt schon, wie ich gequält versuchte diese Bilder aus meinem Kopf zu kriegen. Wie ich den ganzen Tag zu nichts im Stande war und nur vor mich hin träumte. So war es bis jetzt immer gewesen.

„ Dahlia!" Eine Stimme drang durch die Stränge meiner Erinnerungen und erschrocken sah ich nach links. 

„ Ist alles okay? Du scheinst so als ob du die ganze Zeit schon, seitdem wir wieder zurück fahren, in Gedanken versunken zu sein."
Von der Straße zu mir abwechselnd sah er mich an. 

„ A-Aso ja ich habe nur an.. meine Mutter gedacht." Gab ich die halbe Wahrheit zu.

Es wäre nicht ein guter Moment, wenn ich ihm jetzt erzählen würde, was mit ihr passiert war.

„ Oh okay. Wenn du möchtest kannst du sie demnächst auch mal einladen. Natürlich nur wenn du möchtest!" Sagte er völlig positiv. Ja, das würde ich tatsächlich ganz gerne tun. 

„ Ich schau mal..", murmelte ich und sah auf meine Hände. 

„ Aber jetzt gibt es wichtigere Sachen auf die wir uns konzentrieren müssen." Fügte ich schnell hinzu damit er sich darum erstmal keine Sorgen machen musste. 

„ Mach dir bitte keine Sorgen. Ich werde niemals zulassen, dass euch jemand etwas antun wird." Beteuerte er und strich wieder über den rauen Stoff meiner hellen Jeans um seine Worte nochmals zu unterstreichen. Nickend legte ich meine Hand auf seine und lächelte ihm kurz zu.

„ Ich weiß aber trotzdem mache ich mir Sorgen um euch zwei." Hauchte ich, hoffte zum Teil das er es nicht gehört hatte jedoch sah er mit zusammen gezogenen Augenbrauen zu mir.

„ Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen aber ich glaube Mama würde das selbe sagen." Sagte er und legte dann wieder seine Hand auf meine um sie wieder mit seiner zu bedecken. Kurz sah ich zu Lucía nach hinten, die aber noch friedlich die Augen geschlossen hatte.

Ich hoffte so sehr, dass alles gut für uns ausgehen würde. Wer weiß, vielleicht würden Amell und ich später wieder zurück mit nach Redwood kommen und dort bleiben. Dieser Ort war nicht so laut und unruhig wie in der Stadt.

Bitte denk nicht, dass ich nicht auf mich aufpasse, Mama.

Hoffentlich wirst du stolz auf mich sein, Mama.

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