Hinters Licht geführt

1.2K 38 4
                                    

„Wer ist sie?"

Ubbe konnte seine Augen nicht von dem schönen Mädchen abwenden, dass in der Mitte der Großen Halle tanzte und mit den anderen Männern und Frauen lachte. Sigurd saß, ebenso von ihrer Erscheinung gebannt, in ihrer Nähe und machte die Musik, die sie dazu brachte, ohne Verstand ihr Kleid durch die Luft wirbeln zu lassen und ihre schwarzen Haare hin und her zu schleudern. Ubbe hatte sie noch nie zuvor in Kattegat gesehen. Sie sah auch nicht so aus, als würde sie von hier stammen.

„Joselin aus Frankia. Sie ist vor ein paar Tagen mit Björns Schiffen angereist."

„Woher weißt du das schon wieder?", Ubbe sah Ivar verwundert an.

„Ich denke, es ist immer von Vorteil zu wissen, wer kommt und wer geht Bruder", Ivar grinste, seine blauen Augen ebenfalls auf das Mädchen fixiert.

Ubbe schüttelte den Kopf. Er wusste beim besten Willen nicht, wie Ivar das immer anstellte. Auch Hvitserk neben ihm schien sich zu fragen, woher sein kleiner Bruder all seine Informationen immer bekam, doch verdrängte den Gedanken wieder schnell, um diesem fremden Mädchen ungestört weiter zusehen zu können.

Sigurd gab seine Laute nun einem anderen, der ebenfalls spielen konnte und begann unbeholfen neben dem Mädchen zu tanzen. Kläglich versuchte er ihr näher zu kommen und ihre Mitte sanft zu ergreifen, doch sie ließ ihn sie nicht anrühren und tanzte sich den Weg frei, die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen.

Ubbe rutschte unruhig auf seiner Bank umher.

„Das kann sich ja keiner mit ansehen."

Er sprang auf und ging, ohne seine Brüder zu beachten, in die Mitte der Halle und kam Joselin immer näher, um nun selber sein Glück bei ihr zu versuchen. Sigurd blieb nichts anderes übrig, als seinen älteren Bruder gewähren zu lassen und ging bedrückt zurück zu seiner Laute.

Doch auch Ubbe hatte keinen Erfolg bei ihr. Er schaffte es zwar, sie an der Hüfte zu berühren und kurz mit ihr auf der Stelle zu wippen, doch sie drehte sich abrupt zu ihm um, bedachte ihn ebenfalls mit einem Lächeln und tänzelte dann von ihm fort. Sie ließ Ubbe wie im Regen stehen und war nach draußen verschwunden.

Ivar und Hvitserk prusteten drauf los, was Ubbes frustrierten Blick auf sie lenkte.

„Na dann", Hvitserk erhob sich, als er sich wieder eingekriegt hatte, „ich wünsche dir noch einen schönen Abend Bruder."

„Viel Glück", rief Ivar ihm hinterher, wohl wissenden, das auch Hvitserk sie nun aufsuchen würde.

Hvitserk sah gerade noch, wie sie um die Ecke der Großen Halle schlenderte und schlich ihr aufgeregt hinterher. Ihre Brüder waren Narren. Er wusste hingegen genau, wie er Joselin rum bekommen würde und beschleunigte seinen Gang mit einem rasenden Herzen in der Brust.

Als auch er um die Ecke bog, sah er, wie sie bereits auf ihn zu warten schien. Sie lehnte an der Holzwand, mit ihren Fingern nervös spielend und Hvitserk verschmitzt anlächelnd.

Er musste schmunzeln. Von all seinen Brüdern fand sie ihn offensichtlich am interessantesten. Warum sonst sollte sie hier auf ihn warten?

Hvitserk zögerte nicht lange und kam ihr näher, bis er dicht vor ihr stand und zu ihr hinab in die dunklen Augen sah.

Joselin sah ihn mit eben diesen vielversprechend an und kaute sich auf der Unterlippe.

Dieser Anblick ließ Hvitserk glatt seine Sprache vergessen und er preschte stattdessen hervor und küsste sie ohne große Umschweife. Er teilte ihre weichen Lippen und sie ließ ihn gewähren. Seine Hände fanden ihre Hüfte und er liebkoste mit der anderen Hand ihre Wange. Innerlich triumphierte er und malte sich jetzt schon die Gesichter seiner Brüder aus, wenn er ihnen von dieser Nacht berichtete.

Doch mit einem Mal drückte sie ihn grob von sich fort.

Sie grinste ihn schief an und lief davon.

Und ließ einen verwirrten Hvitserk zurück.


Ivar saß schon seit einer Stunde in dieser unbequemen Position und wartete darauf, dass sie sich ihm endlich zeigen würde. Er war sehr früh am Morgen zu Joselins Hütte gekrochen, um zu sehen, ob Hvitserk es tatsächlich geschafft hatte, sie zu umgarnen und in ihrem Bett gelandet war, doch er konnte seinen Bruder weit und breit nicht ausmachen. Er hatte anscheinend doch keinen Erfolg bei ihr gehabt und so entschloss Ivar nun, der hübschen Französin stattdessen aufzulauern und sie ein wenig zu beobachten.

Nach ewiger Warterei kam sie dann endlich aus dem Nebenzimmer stolziert und ging auf den großen Blecheimer gefüllt mit kühlem Wasser zu.

Ivar traute seinen Augen nicht, als sie ihr dünnes Nachtkleid mit nur einer Bewegung auf den Boden fallen ließ und splitternackt vor ihm stand. Sehr langsam beugte sie sich vor und wusch sich mit dem glasklaren Wasser die Nacht ab.

Ivar entging ihr andauerndes Lächeln nicht. Doch er dachte sich nichts weiter dabei und beobachtete sie gierig mit geöffnetem Mund. Wie gerne wäre er jetzt in der Hütte und würde sie berühren können.

Mit einem Mal drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und erwischte ihn dabei, wie er am unteren Ende des Fensters hockte und zu ihr hinein spähte. Sie grinste schief und Ivar duckte sich abrupt erschrocken. Er spürte, wie seine Wangen rot anliefen und er kroch beschämt davon.

 

Alle vier Söhne des berühmten Ragnar Lothbroks hatten sich die Zähne an der schönen Joselin aus Frankia ausgebissen. Mit verärgerten Blicken saßen die Brüder zusammen in der Großen Halle um ein Feuer herum und verloren kein Wort über ihre Misserfolge. So etwas war ihnen noch nie passiert. Nie zuvor hatte ein Mädchen sie allesamt so an der Nase herum geführt und mit ihnen gespielt. Es kratzte sehr am Ego eines jeden der jungen Männer, dass sie offensichtlich kein Interesse an ihnen hatte.

„Oh man, ihr müsstet mal eure Gesichter sehen, Jungs", eine helle Stimme ließ die Ragnarssöhne hochschrecken und in die wunderschönen Augen von Joselin blicken, die nur knapp neben ihnen zum Stehen gekommen war.

„Warum so betrübt?", sie lachte leise.

„Du weißt ganz genau, warum wir betrübt sind", antwortete Ubbe knapp und sah beleidigt zurück in die Flamme.

„Also ich hatte meinen Spaß!"

„Na dann ist ja gut", sagte Sigurd sarkastisch.

Joselin seufzte tief.

„Ich hätte euch vielleicht vorher sagen können, dass ich nie einen Mann an mich ran lasse, dann hättet ihr euch nicht so abmühen müssen."

„Was bedeutet das? Willst du etwa auf den Richtigen warten? Das ist hier nicht wirklich üblich, weißt du", sagte Ubbe zähneknirschend und Hvitserk neben ihm schnaubte zustimmend.

Ivars Blick verdunkelte sich und Sigurd legte die Stirn in Falten.

Alle vier hassten es offensichtlich, wenn man mit ihnen spielte und sie nicht das bekamen, was sie wollten.

„Nein, du Dummerchen. Ich mag schlichtweg keine Männer. Ich finde Frauen viel interessanter", und damit beendete sie ihre Show und ging von dannen. Ihr hämisches Lachen hallte noch viele Minuten nach ihrem Abgang in der Halle nach. 

VIKINGS ONE SHOTSजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें