4 - Von Aufregung und Überraschungen

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Ich hob zögerlich meine Hand an, um fasziniert zuzusehen, wie sehr sie zitterte. Dann legte ich sie wieder ordentlich auf meinen Schoß, aber nicht ohne noch kurz die hauchdünne Schicht von Angstschweiß an meiner Hose abzustreifen. Anschließend atmete ich tief ein und aus. Mein Herz hämmerte so schnell gegen meine Brust, dass ich Sorge hatte, es könne jeden Moment in tausend Teile zerspringen.
Angst und Lampenfieber, das Eine schlimmer als das Andere, unterstützen mein Selbstbewusstsein nun wirklich nicht.

Heute war meine erste Theaterstunde und natürlich, wie sollte es auch anders sein, musste jeder einmal sein mehr oder weniger vorhandenes Talent zum Preis geben. Statt der zierlichen Lynn auf der Bühne, die sich gerade mit der Luft stritt, zuzuhören und eventuell noch ein paar Tipps aufzuschnappen, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und betete zu dem fliegenden Spaghettimonster, dass ich diese Stunde nicht mit fliegenden Fleischbällchen beworfen werden würde - natürlich nur mit metaphorischen Fleischbällen.

Wenigstens einmal in meinem Leben wollte ich etwas auf die Kette bekommen und mich nicht blamieren und einen verzweifelten Blick von Mrs. Rosewood erhaschen. Und besonders wollte ich nie wieder vor Noah in peinliche Situationen, die mich gerade zu magisch anzogen, geraten.

Der kleine Kurs fing an zu applaudieren und ohne, dass ich den Grund dafür kannte, klatschten meine Hände wie von alleine mit.

"Sehr schön, Lynn", meinte Mrs. Rosewood enthusiastisch und klatschte extra kräftig in die Hände - das war vermutlich irgendeine psychologische Nummer, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Ich zwang mich, meine Augen nicht zu verdrehen, als sie in die Runde strahlte.

"Gut, du darfst dich wieder setzen", erklärte unsere Lehrerin und schaute auf ihr Klemmbrett.

Mrs. Rosewood war eine auffallende Frau mittleren Alters, die bestimmt mal eine bildschöne und begehrenswerte Frau gewesen sein musste. Nicht nur wegen ihrer zarten Haut und den blonden Haaren, sondern auch wegen ihrer lebensfrohen und optimistischen Art. Sie sah stets das Beste in allem und löste Probleme auf ihre ganz eigene Art. Das war auch der Grund, warum sie den meisten Schülern - und besonders den single Lehrern - so symphatisch war. 

"Wir machen weiter mit...Ever Fox?"

Mein Magen zog sich in dem Moment, in dem mein Name viel, krampfhaft zusammen.

"Anwesend", rief ich und hob meine Hand.
Hoffentlich bemerkte niemand das Zittern in meiner Stimme oder meiner Hand.

"Schön, dich kennenzulernen! Komm bitte auf die Bühne", forderte Mrs. Rosewood lächelnd und notierte sich etwas auf ihrem Blatt, vermutlich meine Anwesenheit.

Ich stellte mich wackelig auf die Beine und lief die schmale Treppe zur Bühne hoch. Mrs. Rosewood ging einen Schritt zur Seite und deutete mit der Hand auf ein unsichtbares Feld, wohin ich mich stellen sollte.
Ich stellte mich in die Mitte und lächelte unbeholfen, während mein Blick über die Personen schweifte, die verteilt auf den Stühlen der Aula saßen und gespannt zu mir aufblickten.

"Was hast du für uns vorbereitet?"

Verwirrt sah ich von unserer Lehrerin zu den Kursmitgliedern und wieder zu Mrs. Roswood.
Und obwohl ich normalerweise nicht so einen Wortschatz besaß, hörte ich nur ein Wort in meinem Kopf widerhallen: Fuck...

"Ich...ähm...ich habe nichts vorbereitet", stotterte ich verlegen und spürte, wir mir das Blut in den Kopf schoss.

"Ach, wie schön. Also hast du dich lieber für die zweite Wahlmöglichkeit entschieden? Ich habe zwar nicht damit gerechnet, aber das freut mich sehr", lächelnd kritzelte sie wieder etwas auf ihr Klemmbrett.

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