6 | lack of clarity

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»Ich denke nicht, dass Bären so welche Geräusche machen.« sage ich augenblicklich. Ich habe zwar noch nie einen gesehen geschweige denn getroffen, aber ich bezweifele trotzdem, dass sie so welche angsteinflößende Laute von sich geben können.

»Und was denkst du, macht so welche Geräusche?« fragt er. Ich überlege, merke aber schnell, dass ich keine Antwort finde.

»Ich weiß nicht...« antworte ich schließlich.

»Wilde Tiere sind hier nichts ungewöhnliches. Bleibt man im eigenen Bereich und stört sie nicht, lassen sie dich normalerweise in Ruhe. Es war ein blöder Zufall, dass wir gerade jetzt mit einem zusammenstoßen mussten.« Ich sehe ihn an, während ich die Informationen sortiere. Es klingt logisch, doch das Misstrauen lässt mich zweifeln. Dann zweifele ich Wiederrum an meinem Misstrauen. Welche Antwort erwarte ich eigentlich?

»Keine Ahnung, woher du kommst, aber wie gesagt, sowas kommt hier manchmal vor. Bleib auf den Wegen und betrete den Wald nicht und du solltest auf keine Tiere treffen.« Das muss er mir nicht zweimal sagen. So schnell kriegt mich keiner auch nur in die Nähe dieses Waldes. Diese eine Erfahrung reicht mir vollkommen.

»Draußen sollte es inzwischen sicher sein. Los gehen wir.« sagt Arthur dann und geht schon wieder Richtung Tür.

»Jetzt?« der Abbruch meiner Stimme verrät meine Angst. Sie entgeht weder mir, noch den Brüdern. Während Caleb sich jedoch nur interessenlos abwendet und geht, mustert mich Arthur einen weiteren Moment. Schließlich zeigt er in die Richtung der großen Küche, in die ich vorher reingeschaut habe.

»Neben dem Kühlschrank müsste Tee sein. Mach dir einen und wir fahren danach. Ich hole paar Sachen und mache einen Anruf, aber dann gehen wir.«

Ich nicke hastig. Zehn Minuten, um meine Gedanken halbwegs sortieren zu können, mehr brauche ich nicht. Nur diese kurze Zeit, um nicht sofort wieder raus zu müssen.

Ich greife mit geschlossenen Augen nach einem Teebeutel und drücke den Wasserkocher an. Dann hole ich eine Tasse aus dem Schrank und lehne mich an den Küchentresen, bis das Wasser fertig ist. Die plötzliche Ruhe erweist sich als das genaue Gegenteil meiner Hoffnungen. Anstatt mich sammeln zu können, zwingt mich die Stille das Geschehene zu realisieren. Und plötzlich werde ich wieder von Furcht und Angst gepackt.

Was wäre, wenn wir es nicht reingeschafft hätten? Wenn sich jemand ernsthaft verletzt hätte? Wenn sich das Tier auf uns gestürzt hätte?

Ich merke, wie meine rechte Hand anfängt zu zittern und meine Augen anfangen zu brennen. Die Gefühle überwältigen mich langsam aber sicher und schnüren mir die Kehle zu. Es ist eine erstickende Angst, die mich überkommt und mich daran denken lässt, was wäre wenn...? Dann erinnere ich mich an etwas, dass Richard mir mal gesagt hatte und halte an dem Gedanken fest. Es ist wie ein Anker, der mich zurückholt.

Ein tiefer Atemzug und ich beruhige mich langsam. Ein weiterer und ich schaffe es die Kontrolle wieder zu ergreifen. Ich lasse mir Zeit und warte, bis sich mein rasender Puls beruhigt. Immer tief durchatmen. Wie Richard gesagt hat. Die nächsten zehn Minuten nehme ich immer wieder einen Schluck von meinem Tee, bis Arthur neben dem Türrahmen auftaucht und mir eine schweigende Kopfbewegung zuwirft. Ich stehe wortlos auf und folge ihm.

Ich bin dankbar, dass er nichts von meinem Gefühlsausbruch mitbekommen hat und will es auch so belassen. Wegen der Ruhe im Auto ist das auch nicht allzu schwer. Angekommen trennen sich unsere Wege fast augenblicklich. Noch bis zur Haustür gehen wir zusammen, doch kurz darauf verschwindet er schon hinter der nächsten Ecke. Lange bleibe ich jedoch nicht allein.

»Ihr seid aber spät zurück.« ertönt Christina's Stimme und kommt dabei auf mich zu.

»Ja, wir wurden aufgehalten.« antworte ich. Ich hatte nicht die Absicht ihr irgendetwas zu verheimlichen, schließlich gibt es das auch nicht, aber nach der Erklärung von Arthur war der Vorfall wohl nichts allzu ungewöhnliches. Seine und Caleb's Reaktion war ohnehin so gelassen, dass es vielleicht wirklich nur ein normaler Zwischenfall war, indem wir lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Jedenfalls will ich das glauben, obwohl das alles ja schon mehr als furchterregend war. 

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