Freitag, 03. April 2020

170 44 4
                                    

Mir ist, als lebe ich auf einer Insel. Das Übel der Welt weit weg. Jeden Tag kommen Postboote und bringen die neuesten Nachrichten vom weit entfernten Festland. Die Zeitungen und Illustrierten lesen sich interessant, auf gewisse Weise fesseln sie mich, doch an manchen Tagen schmeiße ich sie noch am Hafen, gleich nach der Übergabe durch den Boten in den Papierkorb, gehe zurück zu meiner Hütte und Pfeife ein Liedchen dabei.
Ich koche Kaffee, backe Brötchen, schreibe, lese, sitze unter meinen frisch erblühten Obstbäumen. So verbringe ich den Tag.
Abends jedoch, kurz nach Sonnenuntergang, übermannt mich die Neugier. Ich laufe hinunter zum Hafen und wühle in schützender Dunkelheit die Nachrichten aus dem Mülleimer. Sie sind zerknickt und riechen modrig, an einer Zeitung klebt ein altes Kaugummi, an der Illustrierten eine halbe Butterschnitte, doch sie sind noch brauchbar. Erfreut kehre ich zu meiner Hütte zurück. In den Obstbäumen hängen Lampions, die mir ein freundliches Licht spenden. Ich lese bis weit nach Mitternacht.

Die Geschichten und Artikel erzählen mir von einem weit entfernten Land, in dem vor Wochen eine verheerende Seuche ausbrach und vielen Menschen schon das Leben kostete. Ich fühle Mitleid, bin gleichzeitig jedoch erleichtert, dass ich auf meiner geschützten Insel lebe.

Es darf nur niemand zu Besuch kommen.

Morgen schreibe ich Schilder, die ich am Pier aufstelle.

BETRETEN VERBOTEN!

LAUTES RUFEN UND FREUNDLICHE GRÜSSE ERLAUBT!

GESCHENKE AUF DAS PIER LEGEN!

Pandemie DiaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt