Kapitel III: Gedankengänge

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Obwohl ich gerne für immer nur dagestanden und den Moment genossen hätte, nahmen bald Durst und Erschöpfung überhand, sodass ich mich zu einer Furt begab und dort etwas trank und die Füße ins Wasser stellte. Das Gletscherwasser schmeckte wunderbar, es war das beste was ich jemals getrunken hatte und ich hätte es zu jedem Zeitpunkt Erfrischungsgetränken wie Cola vorgezogen. Es schmeckte einfach wie es aussah: unbeschreiblich. Während ich so dasaß, schaute ich am Berg hinauf bis zur Gletscherzunge. Wie lange es wohl dauern würde, bis dieser nicht mehr existierte? Es war schon traurig, was die Menschen der Natur antun. Und sich gegenseitig. Einander versklaven, misshandeln und morden... Wobei wir wieder bei der letzten Nacht wären.

Langsam stellten sich mir unausweichliche Fragen, die ersten Gefahren waren überwunden und ich hatte Zeit zum Nachdenken. Warum sollte jemand so weit reisen um einen Haufen Kinder umzubringen? Und wenn man zu dem Schluss gekommen ist: Ich töte jetzt zwei Dutzend Jugendliche, warum tut man das dann mit einer Kutsche und fährt nicht mit dem Auto? Und dann auch noch den armen Pferden die Augen verbinden... Und warum ist niemand außer mir aufgewacht? Natürlich waren die Schreie unterdrückt, vermutlich wurden meine Klassenkameraden dabei gewürgt, aber es war doch nicht so leise, ich bin schließlich mehrmals davon aufgewacht und habe es sogar in meinen Träumen gehört.

Und dann die nächste und nicht weniger dringende Frage: Wo sollte ich die Nacht verbringen? Ich wusste nicht besonders viel über das hiesige Tierreich, es war gut möglich, das es Wölfe, Bären oder sonstige Räuber in der Gegend gab und von solchen Tieren würde ich ungerne nachts aufgeweckt werden. Obwohl ich generell nachts von nichts und niemandem aus meinem kostbaren Schlaf gerissen werden wollte. Außerdem brauchte ich auch bald Essen, mein spärlicher Proviant würde mich nicht mehr lange zehren. Am Besten sollte ich wohl dem Gletscherbach folgen, um jederzeit meinen Durst stillen zu können.  Sobald ich mich wieder etwas erholt hatte verabschiedete ich mich schweren Herzens von diesem wundervollen Ort und setzte meine Reise fort, ohne die geringste Ahnung, was kommen würde.

Ich folgte also dem Flusslauf immer weiter, bis das Tageslicht allmählich begann dunkeler zu werden. Ich hatte noch immer nicht die geringste Ahnung, wo ich schlafen sollte und begann langsam zu verzweifeln, als es zu allem Unglück auch noch anfing zu regnen. Ich, nun den Tränen nah, ließ mich an einem Baum neben mir herunter und ließ den Kopf auf meine Knie sinken. Ich war wieder ohne Pause durchgelaufen und mittlerweile völlig am Ende, was auch dem fehlenden Schlaf und den Strapazen der letzten Nacht zu verdanken war. Ich rollte mich auf dem Boden zusammen,   blendete die Kälte, den Regen und die Geräusche des Waldes aus und merkte, wie ich langsam in den Schlaf abschweifte.

Ein lautes Knacken ließ mich wieder aufschrecken. Ich hatte wohl ein oder zwei Stunden geschlafen, jedenfalls war das Tageslicht fast völlig verschwunden, man konnte gerade so noch Umrisse erkennen. Ich entschied mich, einen besseren Schlafplatz zu suchen, zumal mein derzeitiger nicht gerade gemütlich und mittlerweile ziemlich matschig war. Beim Aufstehen tat mir zwar alles weh und mir wurde kurz schwarz vor Augen, aber ich musste die Zähne zusammenbeißen und den Schmerz ausblenden, was mir auch ziemlich gut gelang. Schlotternd vor Kälte ging ich ein paar Schritte, ohne wirklich zu wissen, ob ich die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Wenigstens hatte es nun aufgehört zu Regnen, was mir jedoch nicht viel brachte, da ich über und über mit kaltem Schlamm bedeckt war. Etwas verängstigt schaute ich mich um. Ich war anscheinend in die richtige Richtung gelangen, zumindest erkannte ich nichts wieder, was allerdings auch an der Dunkelheit liegen konnte. Etwas hilfesuchend sah ich die Felswand neben mir an, als mir plötzlich eine Öffnung in eben dieser ins Auge stach. Sie war ziemlich groß und es sah aus, als würde es weiter ins Innere des Berges gehen. Das wichtigste für mich war, das es dort drinnen vermutlich trocken war. Oder zumindestens trockener. Damit war eigentlich schon alles gesagt und ich ging hinein. Ein paar Pflanzen hingen von der Decke, aber es war mir völlig egal, ich wollte einfach nur schlafen. Ich legte mich nur ein paar Meter vor den Eingang, da ich nicht Gefahr laufen wollte, in den Höhlen abzustürzen.

Ich wurde etwas unsanft geweckt, als mich etwas an der Schulter anstieß. Etwas unwillig und immernoch im Halbschlaf öffnete ich die Augen einen Spalt breit, nur um sie sogleich aufzureißen. Ich blickte direkt in das Gesicht eines kleinen Bärens, vermutlich eines Babys.

Überleben? Um jeden Preis!Where stories live. Discover now