Kapitel 35 - Kaitlin

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'Kate!', rief Alex, als er mich ins Café kommen sah. Sofort musste ich lächeln und er schloss mich in seine Arme. Dann liess er mich wieder los und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ohne dass ich mich wehren konnte, presste er seine Lippen auf meine. Aus Reflex schloss ich meine Augen, aber dann wurde mir bewusst was wir hier taten, und schob ihn von mir weg. Alex grinste und näherte er sich meinem Ohr. 'Sorry, das musste sein. Ich erklär dir das später, ich sag nur Exfreundin.', flüsterte er.

Erst da bemerkte ich, dass uns jemand beobachtet hat. Seine Ex blickte mich wütend an. Warscheinlich versuchte sie mich gerade mit ihrem Blick zu töten. 'Das können wir besser.', hauchte ich und umarmte ihn dann. Er drückte meinen Körper mit seinen beiden Händen fest an seinen und ich vergrub meinen Kopf an seiner Schulter. Irgendwie machte es mir Spass, seine Ex so zu verarschen und irgendwie genoss ich seine Nähe. Ich fühlte mich wohl bei ihm. Ich hörte wie jemand wütend einen Stuhl wegrückte, danach kamen Schritte auf uns zu. Kurz darauf spürte ich, wie ich weggezogen wurde und sah wie Alex eine Ohrfeige von seiner Ex bekam. Erschrocken hielt ich die Hände vor meinen Mund und unterdrückte einen Schrei. 'Arsch.', zischte sie, dann und ging aus dem Café.

Ich legte meine Hand auf seine Wange. 'Ich glaub' sie kann mich nicht leiden.', flüsterte ich und er schnaubte. Dann drehte er sich ohne was zu sagen wieder um und machte sich wieder an die Arbeit. Schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Jedoch wusste ich, dass ich kein schlechtes Gewissen haben sollte, denn schliesslich war er es, der mich geküsst hatte und ich nicht ihn. Ich verdrehte die Augen über sein Verhalten, dann begann ich schmutzige Tische zu putzen.

**

Zwei Wochen später, lief es an einem Nachmittag nicht besonders gut im Café, sodass ich gelangweilt hinter der Theke stehe. Niall fehlte mir sehr.. Ich hatte in den letzten Tagen nicht oft mit ihm gesprochen und ich hatte ihn seit dem Tag, wo er nach Südamerika gereist ist nicht mehr gesehen. Auch nicht über Skype. Entweder schlief er, wenn ich mal Zeit hatte, oder andersrum. Da ich vor knapp einer Woche mit einem Abendkurs begonnen hatte, um die Schule zu beenden, bin ich Abends immer tod ins Bett gefallen. Dann musste ich auch noch den ganzen Tag arbeiten und da es in letzter Zeit immer stressig hier im Café war, freute ich mich, dass wir einen etwas ruhigeren Tag hatten.

Zwei Mädchen betraten das Café und standen vor der Theke und flüsterten aufgeregt miteinander. 'Ist sie das wirklich?', sagte ein junges blondes Mädchen aufgeregt zu ihrer Freundin. Die Brünette nickte heftig und sah mich mit grossen Augen an. 'Oh mein Gott! Ich glaub's nicht ! Das ist sie wirklich ! Schau!', antwortete diese und hielt ihr zum Beweis ihr Handy unter die Nase. 'Siehst du! Ich war mir sicher, dass sie hier arbeitet!' Die andere klatschte aufgeregt in die Hände. Sie sah so aus, als ob sie gleich sterben würde. Da ich nicht wirklich wusste, was die Beiden hatten, verdrehte ich meine Augen und fragte genervt, was sie gerne bestellen möchten. 'Ich möchte Niall... Ehm einen Latte Macchiato.', antwortete die Blondine und lächelte verlegen. Ehm was? Hab ich das jetzt richtig gehört? Genervt stiess ich Luft aus und schaute das braunhaarige Mädchen erwartungsvoll an. 'Ehm.. Dasselbe, bitte.', sagte sie schüchtern. 'Also zweimal Niall oder was?', fragte ich genervt, denn ich wollte dass sie wussten, dass ich es gehört hatte. Die Blondine nickte todernst und murmelte etwas vor sich hin, während ihre Freundin errötete. 'Was hast du gesagt? Sorry, hab nichts verstanden.', sagte ich genervt. Aber irgendwie machte es mir Spass, die Mädchen so in Verlegenheit zu bringen. Zumindest die Brünette. 'Genau. Gib ihn mir. Du passt sowieso nicht zu ihm. Sieh dich Hässlichkeit doch mal an., hab ich gemurmelt.', wiederholte sie ihre gemurmelten Worte. Ich zog meine Augen zusammen und wollte gerade etwas erwidern, jedoch kam Alex mir zuvor. 'Ihr habt Hausverbot. Alle beide.', sagte er kalt. Das blonde Mädchen murmelte Bitch, drehte sich eingebildet um und ging arrogant nach draussen. Ihre Freundin folgte ihr mit einem hochrotem Kopf. Wie kann man nur mit so einer Person befreundet sein?

Aber sie hat Recht. Ich bin nicht schön. Nicht mit all den Narben an meinem Körper. Ich bin zu dünn, überall stehen Knochen hervor und mein Gesicht erst. Es gibt so viele hübschere Mädchen auf der Welt.. Wer liebt schon ein Mädchen mit hunderten von Narben und eins, was versucht hatte sich umzubringen?

Ich spürte wie ich in einen dunkleren Raum gezogen wurde und wie jemand unter meinen Augen etwas wegwischte. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen. Jemand schloss mich in eine Umarmung und murmelte etwas in mein Ohr, was ich aber nicht verstand, da ich wie in Trance war. Einen Zustand, in dem ich nur halb wahr nehme, was um mich herum passiert. Ich kann nichts sehen, obwohl meine Augen geöffnet sind.. Ich seh nur schwarz. Ich spüre wie meine Beinen nachgeben und ich auf den Boden sacke. Die Worte der Blondine schallen wie ein Echo in meinem Kopf umher. Ich spüre, dass man mich los lässt und kurze Zeit später hielt mich wieder jemand in den Armen. Mir wurde etwas kaltes gegen das Ohr gedrückt und erst jetzt kann ich die Worte, die gesagt werden, verstehen. 'Kaitlin? Alles ist ok. Konzentrier dich auf meine Stimme.', sagte eine vertraute Stimme. Langsam wurde meine Sicht wieder klar und ich nahm war, dass ich auf dem Boden sass und wurde von Alex von hinten umarmt. Sein Kopf ruhte auf meiner Schulter und auf der anderen Seite meines Kopfes, drückte er mir mein Handy gegen mein Ohr. 'Katie.. Es dauert nicht mehr lang, dann bin ich wieder zurück.', hörte ich Nialls Stimme sagen. Ich schniefte laut auf. Die Tränen haben immer noch nicht aufgehört zu fliessen. Niall sagte nichts mehr, aber ich hörte ihn atmen, was mich beruhigte. Alex drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange und wischte wieder, so gut wie es ging, meine Tränen weg. 'Du fehlst mir.', flüsterte ich so leise, sodass ich glaubte, dass er es nicht gehört hatte. 'Du mir auch, Schwesterherz. Du schaffst das. Denk an was schönes. Versprich mir, dass du nichts dummes machst ok?', antwortete er mir mit seiner beruhigenden Stimme. Ich nickte. 'Ich verspreche es.', murmelte ich. 'Katie? Ich sprech ja ganz gerne mit dir, aber ich muss zurück zum Soundcheck. Es tut mir Leid.', sagte er bedrückt. 'Ist in Ordnung, viel Spass.', wünschte ich ihm und er legte auf.

Alex stand auf und hockte sich vor mich. 'Hey.. Du kannst mir alles erzählen, das weisst du doch? Wofür sind beste Freunde sonst da?', lächelte er leicht und setzte sich vor mich auf den Boden. Noch mehr Tränen flossen aus meinen Augen und sofort hielt er mich wieder in seinen Armen. 'Hey.. Pscht.. Nicht weinen.', murmelte er. 'Sie hat Recht. Mit allem was sie gesagt hatte.', flüsterte ich gegen seine Brust. 'Wer? Blondie von vorhin?', fragte er leise. Ich nickte und ich spürte wie er den Kopf schüttelte. 'Sag sowas nicht.', flüsterte er und ich riss mich aus seinen Armen und stand auf. 'Also findest du das hier schön?! Und lüg mich nicht an!', ich wurde jetzt wütend und streifte die Ärmel meines Tshirts hoch. Die Narben, die ich mir alle selbst zugefügt hatte, traten zum Vorschein. Manche waren dick, andere waren dünn und lang. Immer wenn ich diese sah, war es als ob ich diesen Moment erneut erleben würde. Bei jeder einzelnen Narbe, erinnerte ich mich an den Schmerz. Langsam fuhr ich über eine dünne Narbe, direkt am Handgelenk. Das war das erste Mal, als ich es getan hatte. Die erste Narbe von vielen.

Soll ich? Diese Frage schwirrte jetzt schon seit Stunden durch meinen Kopf. Der Schmerz in meiner Brust pochte wie wild sodass ich die Rasierklinge fest umklammerte. Schmerz trat in meinem Handballen auf und lenkte mich vom Schmerz in meinem Herzen ab. Würde ein Schnitt mich auch vom Herzschmerz ablenken? Einen Versuch war es ja wert. Kümmert ja sowieso niemand.

Ich nahm die scharfe Klinge zwischen Daumen und Zeigefinder und hielt sie über die Stelle an meinem Handgelenk. Ich hatte mal gehört, dass dort die Haut besonders empfindlich war, was es schmerzvoller machte. Ich presste die Augen zusammen und drückte die Klinge fest in meinen Arm und zog langsam einen Strich. Es fing sofort an zu bluten, da der Schnitt tiefer wurde, als erwartet. Mein Handgelenk pochte wie wild, was mich tatsächlich vom Schmerz in der Brust ablenkte..

'Kaitlin?', riss mich die Stimme meines besten Freundes aus den Gedanken. 'Jetzt hör mir mal genau zu.' Mir fiel auf, dass Alex mittlerweile vor mir stand und über die Narben strich. 'Du solltest stolz auf diese sein. Sie zeigen den Kampf, den du mit dir selbst ausgefochten und anschliessend gewonnen hast. Schau dich doch mal um. Du bist noch immer hier, Kate.', flüsterte er, was mir wieder Tränen in die Augen trieb. Wie kann man stolz auf sowas nur sein? 'Kate. Glaub mir. Viele haben solche Narben und liegen unter der Erde, da sie nicht stark genug waren. Aber in dir sehe ich eine starke Frau, die den Kampf besiegt hat. Schäm dich nicht für sie. Sie gehören jetzt zu deiner Geschichte und wer sie nicht akzeptiert oder nicht schön findet, hat dich definitiv nicht verdient.' endet er seine kleine Rede und ich fing wieder an zu weinen. Dieses Mal, weil ich einfach nur gerührt war und weil ich schon seit langem keine so schönen Wort gehört hatte.

'Danke, Alex. Für alles.'

BrokenWhere stories live. Discover now